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Brennpunkt Flinzstraße: Schwierige Suche nach Auswegen

Brennpunkt Flinzstraße: Schwierige Suche nach Auswegen

Der Greenpark an der Flinzstraße: Die Gemeinschaftsunterkunft steht bei Bautzener Stadträten und Anwohnern gleichermaßen in der Kritik. Foto: RK

Bautzen. Krawalle, Prügeleien, Randale, Feuerwehreinsätze – Anrainer des Greenparks können seit Monaten ein Lied davon singen. Die Vorgänge rund um die Asylunterkunft an der Flinzstraße werden mit Argusaugen beobachtet – und auch mit Sorge. Da zeigt exemplarisch eine Videoaufnahme, wie eine Gruppe von Asylsuchenden durch das angrenzende Wohnviertel zieht – bewaffnet mit einem Elektroschocker. Ein Anwohner, der seinen Namen in der Zeitung nicht lesen möchte, erinnert sich zudem recht ungern an den Abend des 21. Januars diesen Jahres. „Ich hörte einen Knall und dachte zunächst, dass wieder irgendwer Mülltonnen vorm Haus umgeworfen hat. Dann sah ich aus dem Fenster und musste feststellen, dass mein Auto infolge einer Schlägerei zertrümmert wurde.“ Die alarmierten Polizisten hätten den Vorfall aufgenommen und noch in der selben Nacht drei Verdächtige ermitteln können. Allerdings seien die Männer kurz darauf wieder freigelassen worden. Was bleibt ist ein Schaden von 3.000 Euro, den wohl zum großen Teil die Versicherung übernehmen wird.

Zu Recht fragt sich der BMW-Fahrer, was künftig gegen die Randale vor der eigenen Haustür unternommen wird. Von der Polizeidirektion Görlitz hieß es auf Anfrage lediglich, dass die Rahmenbedingungen andere seien als die der damaligen Auseinandersetzungen zwischen einer Vielzahl von Personen auf dem Bautzener Kornmarkt und damit auch das Vorgehen der Beamten. „Gleichwohl ist die Polizei auch im Gesundbrunnen lage- und auftragsangepasst tagtäglich präsent“, fügte Sprecher Thomas Knaup hinzu. Dies kann Stadtrat Steffen Grundmann von der Linkspartei durchaus bestätigen. Mit Blick auf seine frühere Sozialarbeitertätigkeit im Spreehotel, das am Stadtrand gelegen bis 2017 als Flüchtlingsunterkunft diente, gab er allerdings zu bedenken, dass sich die Kollegen der Polizei beziehungsweise Wachpolizei regelmäßig auch in der Einrichtung sehen ließen, um sich mit den Mitarbeitern dort auszutauschen. Dies wünscht er sich für den Greenpark ebenso.

Die CDU-Stadtratsfraktion schätzt nach den Worten von Fraktionschef Karsten Vogt das bisherige Handeln von Polizei und Stadtverwaltung als richtig ein. „Es war korrekt, den Libyer T. mit einem Aufenthaltsverbot zu belegen, als sein Agieren die innere Ordnung der Stadt beeinträchtigte. Nach dem jetzigen Vorfall gilt es aus unserer Sicht, dass die Verwaltung, die Polizei und der Betreiber an einem Tisch zusammenkommen. Die Sicherheitslage des Greenparks und das Gewaltpotenzial einzelner Bewohner müssen analysiert werden“, forderte er. Und weiter: „Es ist besser, wenn durch zielgerichtete Maßnahmen die einzelnen Ruhestörer in ihre Schranken verwiesen werden, bevor wir neuerlich durch massive Polizeipräsenz im Nachgang von Krawallen reagieren müssen.“ Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bautzener Stadtrat, Roland Fleischer, sieht ebenfalls keine Notwendigkeit für eine dauerhafte Anwesenheit der Uniformträger, sagt aber: „Mir erscheint eine Verstärkung des Wachschutzes sowie der sozialen Betreuung viel wichtiger. Dies würde zur Entspannung innerhalb des Heimes wesentlich beitragen. Kommt es dann zu eventuellen Straftaten, muss sowieso die Polizei eingreifen.“ Gleichzeitig stellte er klar: „Die Schlägerei und die Beschädigung des unbeteiligten Fahrzeuges verurteile ich auf das Schärfste. Die Verursacher müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“

Unabhängig davon bemüht sich die vor zwei Jahren ins Leben gerufene „Gruppe der Anwohner des Greenparks“ um eine Verbesserung der Lage vor Ort. Zuletzt gab es laut Wortführer Christian Haase im Februar eine gemeinsame Zusammenkunft im Bautzener Polizeirevier, um im Beisein der beteiligten Parteien eine Jahresauswertung vorzunehmen. „Teilweise mit Erfolg“, sagte er. Inzwischen existiert eine Videoüberwachung, das Gelände wurde eingefriedet. „Dennoch bleiben ungelöste Probleme, die vor allem mit nächtlicher Ruhestörung in den Sommermonaten einhergehen und für die uns bislang keine Lösung angeboten werden konnte.“

Betreiber soll nachbessern

Schätzungen von Roland Fleischer zufolge leben momentan rund 300 Menschen in der Asylunterkunft. Just in dieser Woche verschickte das Landratsamt die aktuellen Belegungszahlen, die jedoch von seiner Annahme deutlich abweichen. Demnach sollen offiziellen Angaben zufolge lediglich 205 Asylbewerber im Greenpark untergebracht sein. Trotzdem bleibt ein Kritikpunkt: Die Einstellung eines Wachmannes sei viel zu wenig bei so vielen Menschen. „Zudem kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Mann den Überblick über die sich im Haus befindlichen Personen und deren Probleme haben kann“, meint Roland Fleischer und zielt damit auf die Unternehmenspolitik der Betreiberfirma ab. „Diese arbeitet offensichtlich am untersten Level bei der Personalausstattung, um Geld zu sparen und dadurch zu verdienen. Mit derzeit zwei Sozialarbeitern und einem Hausmeister sind im Vergleich zum früheren Spreehotel deutlich weniger Mitarbeiter angestellt. Die Sozialarbeiter gelten als überfordert und können eine intensive Betreuung, zu der unter anderem die Wohnungssuche und gemeinsame Arztbesuche mit den Asylbewerbern zählen, nicht leisten. Dies ist aus Sicht unserer Fraktion nicht tragbar.“ Inzwischen kümmere sich zusätzlich eine Mitarbeiterin des Landratsamtes hin und wieder um die Bewohner und das Haus. Mit Blick auf die Kreisverwaltung als Aufsichtsbehörde betonte der SPD-Mann: „Meines Erachtens ist es wichtig, die im Vertrag vereinbarten Leistungen, die das betreibende Unternehmen zu erbringen hat, kontrollieren zu lassen. Hier scheint Nachholbedarf gegeben.“

Matthias Schulz ist Kundenbetreuer bei der Betreiberfirma. Er schilderte uns gegenüber die Lage folgendermaßen: „Durch Weiterbildung und motivierende innerbetriebliche Maßnahmen erfüllen wir unsere Verträge auf hohem Niveau. Wir sind nach ISO 9001 DIN 77200 zertifiziert und lassen unsere Firma durch den TÜV Süd überwachen.“ Und er fügte hinzu: „Eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber unterliegt durch den schnellen Bewohnerwechsel einer hohen Abnutzung. Es werden ständig Investitionen getätigt, um das Objekt in einem vertragsgerechten Zustand zu erhalten.“ In Bezug auf Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern räumte der Mitarbeiter ein: „Diese sind situationsbedingt einzuschätzen und unter Zuhilfenahme von eigenen und Einsatzkräften der Polizei zu bewältigen.“ Erst kürzlich sei es zu einer, wie er sagt, erhöhten Sachbeschädigung gekommen. „Der Verursacher wurde abgeschoben.“ 

Doch nicht nur im und rund um den Greenpark läuft nicht alles so, wie es sein sollte. Die Problematik der Flüchtlinge wirkt sich mittlerweile auch auf das Steinhaus aus.

Vorurteile abbauen am Herd

Der Leiter des soziokulturellen Zentrums, Torsten Wiegel, räumte ein, dass in den zurückliegenden Monaten einige Hausverbote ausgesprochen wurden. Dabei handelte es sich den Angaben zufolge meist um junge Männer, die sich mit den vor Ort geltenden Spielregeln schwer taten. Unter anderem habe ein anderes Rollenverständnis in Bezug auf Frauen dazu geführt. Das wiederum ließ auf eine mangelnde Integrationsbereitschaft schließen, erklärte Torsten Wiegel. Dennoch versucht er Verständnis für die Situation der jungen Asylbewerber aufzubringen: „Die Leute kommen aus schwierigen Verhältnissen, sie müssen sich erst an die hiesigen Gegebenheiten und Gepflogenheiten anpassen. Das fällt dem einen leichter, dem anderen etwas schwerer. Auf keinen Fall akzeptieren wir Gewalt, egal von wem sie ausgeht.“ Damit spielte der Steinhauschef auf Auseinandersetzungen an, die er selbst schon unter den jungen Flüchtlingen beobachten konnte. Diese befänden sich in einem Alter zwischen 15 und 20 Jahren, in dem die Menschen gern ihre Grenzen austesten, um zu sehen, wie weit sie gehen dürfen. Dies sei bei Einheimischen keinesfalls anders.

Nicht verborgen blieb Torsten Wiegel dabei, dass aufgrund des Zulaufs von Asylbewerbern einige Bautzener die Einrichtung an der Steinstraße inzwischen meiden. Roland Fleischer hat eine mögliche Erklärung für diese Entwicklung: „Für die Flüchtlinge ist das Steinhaus als Anlaufstelle ein bevorzugter Ort, um als Mensch respektiert zu werden, um zur Ruhe zu kommen und um sich integrieren zu können. Einheimische Jugendliche bleiben fern, weil immer noch Vorurteile gegenüber den Flüchtlingen bestehen.“

„Ja, es ist richtig, dass es Jugendliche gibt, die nicht in das Steinhaus gehen, weil dort Flüchtlinge sind“, bestätigt ebenfalls Grünen-Stadtrat Claus Gruhl. „Hier spiegelt sich lediglich die allgemein ablehnende Haltung in großen Teilen der Bevölkerung gegenüber diesen Menschen wider. Da kann man auch nichts ‚umkehren’, sondern immer wieder durch Begegnungen vorhandene Ressentiments abbauen.“

Im evangelischen Kinder- und Jugendzentrum TiK, das unter anderem von Jugendlichen genutzt werde, die aus verschiedensten Gründen nicht ins Steinhaus gehen, gäbe es beispielsweise ein regelmäßiges, gemeinsames Kochprojekt mit der Einrichtung an der Steinstraße, bei dem junge Bautzener mit Flüchtlingen zusammentreffen. „Bisher lief das ohne Probleme ab.“ „Die Skeptiker bitte ich, über ihren Schatten zu springen und das Angebot anzunehmen, um das Verhältnis langfristig zu harmonisieren“, sagt indes Roland Fleischer. So könnte durchaus etwas mehr Ruhe rund um den Greenpark einkehren. Anwohner wie Christian Hasse oder der Besitzer des demolierten BMW würden es sicherlich begrüßen.

Roland Kaiser / 24.03.2018

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