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Der Kampf für Nancy: "Ich mache weiter"

Der Kampf für Nancy: "Ich mache weiter"

"Als Nancy auf die Welt kam war sie putzmunter und gesund. Erst nachdem sie mit drei Monaten die erste Sechsfach-Impfung erhielt änderte sich das"

Oberlausitz. Nancy lacht, strahlt, sie ist fröhlich, genießt es, wenn ihre Urgroßmutter sie knuddelt. Sie schiebt ihr Kärtchen auf der Decke herüber, rollt sich auf dem Boden herum. Dazu formt sie Laute, die an ein wenig an Kätzchen erinnern. Nancy ist sieben Jahre alt. Sie kann nicht sprechen oder laufen. Schuld daran sind Impfungen. Davon zumindest ist ihre Mutter Simone Gahse überzeugt.

"Als Nancy auf die Welt kam war sie putzmunter und gesund. Erst nachdem sie mit drei Monaten die erste Sechsfach-Impfung erhielt änderte sich das", erzählt die Wilthenerin. Es fing damit an, dass sie aus dem Schlaf heraus Schreiattacken bekam. Sie ließ sich nicht beruhigen, schrie und weinte ohne Unterlass. Manchmal zwei bis drei Stunden lang. Sieben Monate dauerte es, bis die Schreiattacken aufhörten. Doch das war nicht das Einzige, was der jungen Mutter Sorgen bereitete.

Mit den ersten Impfungen begann auch langsam Nancys körperlicher Verfall. Sie verlor die Kopfkontrolle und konnte die Körperspannung nicht mehr halten, drehte sich nicht mehr richtig und konnte sich nicht mehr mit den Armen abstützen. Als Simone Gahse den Kinderarzt auf einen möglichen Zusammenhang mit der Impfung ansprach, wiegelte dieser ab. Ein Zusammenhang sei unmöglich. Doch damit begann Nancys Leidensweg erst. Ihre Mutter, die sich vom Arzt einreden ließ, das Kind sei gesund, glaubte, Nancy sei ein Spätzünder.

Das Kind bekam mit neun Monaten eine physiotherapeutische Behandlung, erfolglos. Im Dezember erhielt Nancy dann Impfung Nummer vier, gegen Masern, Mumps und Röteln. Und obwohl der Arzt inzwischen zugeben musste, dass mit ihr etwas "nicht stimmte", gab er ihr die Impfung. Im Februar 2004 schließlich erhielt Nancy auch noch die vierte der Sechsfachimpfung. "Heute weiß ich dass das ein ärztlicher Fehler war", sagt Simone Gahse. "Nancy war ganz offensichtlich nicht gesund. In einem solchen Zustand darf nicht geimpft werden, bevor nicht die dafür vorgesehenen Untersuchungen abgeschlossen sind."

Nach der vierten Sechsfach-lmpfung begann Nancy plötzlich zu zappeln. Nancy konnte schließlich auch ihren Körper nicht mehr kontrollieren, sondern nur noch den Blick halten. "Dabei war sie allerdings durchgehend bei Bewusstsein", erzählt Simone Gahse. "Ich konnte ihre Angst in ihren Augen sehen, bevor es richtig losging. Nancy zuckte dann am ganzen Körper." Die Anfälle dauerten mal zehn Minuten, mal drei Stunden. Nancy bekam Krämpfe. Dass es sich um Epilepsie handeln könne, wurde später per EEG ausgeschlossen.Untersuchungen in der Uniklinik brachten genauso wenig Klarheit wie genetische Tests. Die Ursache für Nancys Probleme blieb verborgen. Allerdings bekam sie verschiedene Medikamente, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig wieder aufhoben. Das eine sorgte dafür, dass Dopamin ausgeschüttet wurde, das andere, dass der Botenstoff blockiert wurde. "Das ist doch verrückt", sagt Simone Gahse und schüttelt den Kopf. "Aber ich hatte so ein Vertrauen zu den Ärzten, dass ich das erst einmal mitgemacht habe", erzählt sie. Immerhin hätten die nicht umsonst acht Jahre studiert.

"Aber eigentlich habe ich es gewusst, tief im Bauch habe ich gefühlt, dass es die Impfungen gewesen sein müssen", erinnert sich Simone Gahse heute. Und so ließ sie denn auch nach der vierten Sechsfachimpfung keine weitere mehr zu. Stattdessen ließ sie die Titer in Nancys Blut bestimmen. Auf eigene Kosten. Denn so etwas bezahlt keine Krankenkasse. Der Titer ist ein Maß für eine Konzentration eines Antikörpers. Das Ergebnis: Nach vier Impfungen hatte Nancy weder Antikörper gegen Diphterie noch gegen Keuchhusten, sprich keinen Schutz gegen die Krankheiten entwickelt.

Stattdessen wurde festgestellt, dass sie Quecksilber im Blut hatte. Ein Fakt, den die Ärzte mit dem Essen von viel Fisch begründeten. "Nancy mag aber gar keinen Fisch", sagt ihre Mutter. "Und sie hat auch keinen gegessen." Ihr Zustand verschlechterte sich bis 2008 zunehmend. Nancy weinte und weinte während ihrer Anfälle. Nancy wurde so unruhig, dass sie zuletzt nur noch mit Beruhigungsmitteln überhaupt etwas schlafen konnte. Das Mädchen zappelte ohne Unterbrechung.

"Ich war schließlich am Ende meiner Kraft und habe nur noch geweint", erinnert sich Simone Gahse. Zu diesem Zeitpunkt war Nancy stationär aufgenommen worden, ihre Mutter war die ganze Zeit bei ihr. Das Füttern wurde zur Quälerei. Einerseits hatte Nancy großen Hunger, andererseits aber konnte sie kaum essen, weil sich immer wieder der Mund verkrampfte und sie sich durch die Zappelei kaum auf das Essen konzentrieren konnte. Sie hatte sich die Lippen aufgebissen, die Beine grün und blau gestoßen, an den Fersen hatte sie offene Stellen. Sie nahm kaum noch etwas wahr und hatte nicht einmal mehr die Kraft zu weinen. Sie wimmerte nur noch.

Sie wog mit ihren fünfeinhalb Jahren nur noch zehneinhalb Kilogramm. "Jeder Knochen war zu sehen. Ich hatte Angst, ihr kleines Herz könnte aufhören zu schlagen und ihr Kreislauf bricht zusammen", erzählt die junge Mutter. "Nicht einmal im Schlaf sank der Puls unter 120." Über das Internet fand Simone Gahse schließlich zu einem Heilpraktiker, der Impfschäden behandelte. Den Ärzten und Schwestern sagte Simone Gahse, dass sie Nancy nun dessen homöopathische Mittel geben werde. Daraufhin habe es geheißen: "Na, wenn Sie denken, dass es was bringt." Und: "Heilpraktiker sind oft Scharlatane, die verzweifelten Eltern nur das Geld aus der Tasche ziehen."

Simone Gahse kümmerte das nicht. Sie gab Ende März die ersten Kügelchen. "Und sie wurde tatsächlich ruhiger, von Stunde zu Stunde. Und dann lag sie plötzlich völlig entspannt in ihrem Bettchen. Und sie lächelte mich an. Es war unglaublich", erinnert sich Simone Gahse. "Ich war so glücklich." Dann traf Simone Gahse die nächste Entscheidung. Sie nahm ihr Kind mit nach Hause. "Ich habe den Ärzten gesagt, Schluss mit der Märchenstunde, Schluss mit den Tablettenversuchen, es reicht", erzählt sie.Seit dem Beginn der homöopathischen Behandlung hat sich Nancys Zustand ständig gebessert. Sie ist ruhig geworden, lacht, nimmt Kontakt auf. Ihre Körperspannung kommt langsam zurück. Sie nimmt wieder zu. Und sie geht in die Körperbehindertenschule in Hoyerswerda. Geimpft wird sie nicht mehr. Ihre Mutter kämpft nun um die Anerkennung als Impfschaden. Denn nur dann ist Nancy lebenslang abgesichert, steht ihr eine entsprechende Rente zu. Mit Strafanzeigen gegen die behandelnden Ärzte hatte Simone Gahse keinen Erfolg. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein.

Ohne Nancy untersucht zu haben, hatte ein bestellter Gutachter der Sächsischen Impfkommission die Möglichkeit eines Impfschadens und damit ärztliches Verschuldens verneint. Simone Gahse hält die Ermittlungen für einseitig. Sie hat Anzeige wegen Verdachts der Rechtsbeugung gegen die beteiligten Staatsanwälte erstattet. Den Klageweg hat sie noch nicht beschritten. Die Kosten dafür sind zu hoch. Simone Gahse versucht es jetzt auf dem politischen Weg. In dieser Woche hat sie eine Petition im Sächsischen Landtag eingereicht.

"Aufgeben werde ich jedenfalls nicht. Ich mache so lange weiter, bis sie mir Handschellen anlegen", sagt sie. Ihr Ziel für Nancy: " Neben der Absicherung, vielleicht laufen, vielleicht sprechen lernen. Mal sehen, was mit dem Heilpraktiker noch möglich ist." Dann nimmt sie ihre Tochter in den Arm, knuddelt sie. Nancy lacht, genießt die Schmuserei sichtlich. "Hätte man mir früher gesagt, dass es auch Impfschäden geben kann, hätte ich Nancy nie impfen lassen", sagt Simone Gahse. "Aber darüber hat mich kein Arzt aufgeklärt. Kein einziger."

Monika Lenz / 28.02.2010

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Kommentare zum Artikel "Der Kampf für Nancy: "Ich mache weiter""

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Dieter Henners schrieb am

    Großartig. Und wo ist die Sicht der wissenschaftlichen Medizin auf den ganzen Fall in diesem Herz-Schmerz-Bericht? Wie wäre es mit einem Rückblick nach nunmehr zehn Jahren: Was hat die Kügelchen-Behandlung bis heute gebracht? Was hat sie gekostet? Und wann kommt endlich mal ein Blick auf die andere Seite der Medaille, etwa ein Bericht über ein ungeimpftes Kind, das nach seiner Masernerkrankung eine der üblen Folgeerkrankungen durchleiden musste? Darüber könnte man weit häufiger berichten, statt sich die weit selteneren Fälle von Impfprobleme als Rosinen herauszupicken, weil es so gut ins eigene Weltbild passt.

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