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Mit der Kuchenfuhre durch den Luftkurort Jonsdorf

Mit der Kuchenfuhre durch den Luftkurort Jonsdorf

Wenn die jungen Leute mit der Kuchenfuhre durch Jonsdorf gehen, halten sie eine alte Tradition am Leben. Seit 1918 gibt es diesen Brauch bei der Kirmes im Gebirgsort. | Foto: Frank Winkler

Jonsdorf. Wenn in Jonsdorf an diesem Wochenende die Kirmes ihren Höhepunkt erlebt, dann wird auch – wie jedes Jahr – eine Tradition lebendig: die Kuchenfuhre. Doch mit dem Einsammeln des edlen Gebäcks hat das inzwischen weniger zu tun. Es geht um Gaudi, um Spenden für einen guten Zweck und ab und zu auch mal um einen edlen Tropfen.

Die Kuchenfuhre in Jonsdorf blickt auf eine fast 100-jährige Tradition zurück. Die Anfänge sind in den Jahren 1918 bis 1920 zu finden und gründen sich auf eine Initiative junger, unverheirateter Burschen. „Zum Kirmes-Kehraus zogen sie damals von Haus zu Haus, um von ihren Angebeteten die Reste des Kirmesfestes einzusammeln, in erster Linie natürlich Kuchen“, erläutert Klaus Richter. Der Chef der heutigen Kuchenfuhre und Vorsitzende des Jonsdorfer Traditionsvereins weiß genau Bescheid, wie das Prozedere damals vonstatten ging. „Die Teilnehmer des Zuges kleideten sich ähnlich den Gepflogenheiten beim Fasching. Eine Kapelle kündigte ihr Kommen an. Und Bojazze – das sind Harlekine – durften sich schon mal den einen oder anderen Schabernack erlauben, um dem Publikum am Wegesrand ein paar Groschen zu entlocken.“

Bis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg war die Jonsdorfer Kuchenfuhre eine gern gesehene und stets wiederkehrende Tradition. Doch dann war plötzlich Schluss und bis 1950 legte man eine unfreiwillige Pause ein. Im Jahre 1951 gab es dann die Wiederbelebung, mit der die Regeln etwas umgestaltet wurden. Nicht mehr nur unverheiratete junge Burschen durften den Zug der Kuchensammler bilden, auch gestandene Männer zogen fortan durch das Dorf. Anlaufpunkte waren alle Gewerbetreibenden in Jonsdorf, zu kulinarischen Schmeckerchen  luden die Gaststätten ein. Schließlich wurde die  JoKuFuPo ins Leben gerufen – die Jonsdorfer Kuchenfuhrenpolizei, die Autos anhielt und eindringlich um Spenden bat. 1968 war dann wiedermal Schluss mit der Fuhre. „Man begründete das damit, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit währenddessen nicht mehr gewährleistet sei“, erzählt Richter aus der Chronik.

Und so pausierte diese Jonsdorfer Tradition bis 1991. Erst nach der politischen Wende gab es die Wiedergeburt. Allerdings auch nicht ohne bürokratische Hemmnisse. Denn vor sechs Jahren musste die JoKuFuPo endgültig ihren Dienst quittieren. Grund: Mit ihrem Wirken sei ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr verbunden, so die Begründung der zuständigen Behörde. Klaus Richter und seine Mitstreiter haben die Anordnung inzwischen akzeptiert, auch wenn sie es nach wie vor als schade empfinden. Allerdings: „Wenn durch uns irgendwelche Sachschäden verursacht würden, müssten wir das selbst bezahlen. Das wollen wir natürlich nicht.“
22 Männer unterschiedlichen Alters machen heute bei der Jonsdorfer Kuchenfuhre mit, auch wenn sie inzwischen längst nicht mehr alle aus dem Gebirgsort stammen. Hinzu kommen zehn Mitglieder der Löbauer Bergmusikanten. Die Kapelle zeigt der Fuhre schon seit vielen Jahren musikalisch den Weg.
Seit 2015 ist die zuvor selbstständige Kuchenfuhre zudem im Jonsdorfer Traditionsverein organisiert.
„Bei der Wahl des Umzugsthemas orientieren wir uns meist an dem Stück, das im Sommertheater auf der Waldbühne gespielt wird“, erzählt der 26-jährige Vereinschef. Deshalb geht es in diesem Jahr – angelehnt an die Auswanderung des Zittauers Priber in die Weiten Amerikas – leicht indianisch zu bei der Kuchenfuhre.

Gestartet wird am Sonntag, 2. Oktober, bereits um 7.30 Uhr am Sportplatz. Von dort läuft die lustige Gesellschaft über die Hänischmühe, den Kurpark, das Kurhaus insgesamt rund zehn Kilometer durch den Ort, bis gegen 18.00 Uhr das Kirmeszelt erreicht ist.
Für einige der Teilnehmer ist das Erlaufen des Ziels ziemlich anspruchsvoll, wird doch entlang des Weges kaum noch Kuchen eingesammelt. Vielmehr kehrt man in jede Gaststätte ein, bekommt vom Publikum Schnapspullis zugesteckt und auch der alkoholische Gerstensaft wird mehrmals verkostet. „Bei alledem vergessen wir aber das Spenden sammeln nicht“, stellt Klaus Richter klar. Denn in den bunten Kostümen, von denen die Besucher am Straßenrand am meisten begeistert sind, wird lautstark um Unterstützung gebeten – um sämtliche Ausgaben bei der Vorbereitung bezahlen zu können, das Herstellen der Kostüme, die Kapelle und den Fotografen, dessen Bilder vom Kuchenfuhrenteam alljährlich als begehrte Souvenirs veräußert werden.
Der Rest der Einnahmen fließt für einen guten Zweck: Im vergangenen Jahr konnte der Jonsdorfer Kindergarten mit 250 Euro von der Kuchenfuhre profitieren.

„Die Einwohner im Ort spenden wirklich gern – weil sie sich an der Tradition erfreuen und wissen, dass sie mit ihrem Geld etwas Gutes tun“, lobt Klaus Richter die Jonsdorfer. Auch in diesem Jahr werden wieder viele Schaulustige an der Strecke warten – auf die bunte Kuchenfuhre mit Kuchenfrau, Schleifer, dem Chef des Ganzen, Bräutigam und Braut. Nicht zu vergessen die drei Bojazze, denen man ruhig den einen oder anderen Euro in die Hand drücken darf.
Wer übrigens selbst mitmachen möchte, kann sich unter E-Mail jonsdorfer-
traditionsverein@gmx.de melden.

Frank-Uwe Michel / 01.10.2016

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