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Borkenkäfer zwingt zum Waldumbau

Borkenkäfer zwingt zum Waldumbau

Einsatzleiter Simeon Rode zeigt das typische Schadbild eines vom Borkenkäfer befallenen Rindenstücks.

Alternativer Text Infobild

Wieder hat der Harvester einen Baumstamm von seiner Wurzel getrennt, um ihn wenig später vom Astwerk zu befreien.

Das diesjährige Auftreten des Forstschädlings stellt alles Bisherige in den Schatten. Und doch hat es letztendlich auch einen positiven Effekt.

Hennersdorf. „Über allen Wipfeln ist Ruh’“, behauptete einst Goethe. Ruhe? Von wegen! Lauter Maschinenlärm dringt an diesem Morgen aus den Tiefen des Waldes zwischen Wohla und Hennersdorf. Unter das vertraute Kreischen von Kettensägen und das Geräusch von splitterndem, berstendem Holz mischt sich ein tieferes Rumoren – ein Klang, der von unter Kontrolle gehaltener Kraft kündet. Und dann erscheint er auf der Bildfläche – der Harvester, die Holz-Erntemaschine, welche aus den hiesigen Wäldern kaum noch wegzudenken ist. In seinem Greifarm hält er einen gut 20 Meter langen Fichtenstamm, den die Säge kurz zuvor mit einem sauberen Schnitt kurz oberhalb der Bodenoberfläche durchtrennt hat. Der Arbeitskopf des Harvesters gleitet anscheinend widerstandslos den Stamm entlang, Äste und Zweige mit sich reißend. Am Ende fällt der von seinem Astwerk befreite Stamm sanft zu Boden. Wenig später wird er neben hunderten weiteren Stämmen auf einem riesigen Stapel, genannt „Polter“, liegen und auf seinen Abtransport warten. „Das alles läuft Computer gesteuert“, erklärt Maschinenführer Robert Kelle. „Das Programm ist vorinstalliert, ich muss nur noch den Stammdurchmesser eingeben.“

So wie hier am Hennersdorfer Berg haben die Harvester derzeit Hochsaison. Doch kein Herbststurm erfordert ihren Einsatz, sondern ein kleiner, unscheinbarer Käfer, dessen Auftreten in diesem Jahr alles bisher Gesehene in den Schatten stellt: Der Borkenkäfer. „2017 hatten wir etwa 3000 Festmeter Schadholz, was bereits mehr war als in den Vorjahren. In diesem Jahr schätzen wir die betroffene Holzmenge auf 50 000 Festmeter“, macht der Leiter des Bautzener Kreisforstamtes, Christian Starke, die Dimension des Problems deutlich.

Mit Festmeter bezeichnen Forstleute einen Kubikmeter fester Holzmasse. Und Rainer Böhme, langjähriger Revierförster und seit September im Ruhestand, kann sich an kein weiteres Jahr mit so massivem Schädlingsbefall erinnern.

„Es kam aber auch alles zusammen: Der milde Winter und der Januarsturm Friederike, der bereits jede Menge Bruchholz hinterließ, schufen beste Voraussetzungen für die Vermehrung der Käfer.“ Und dann auch noch die monatelange Hitze und Trockenheit, die förmlich das Wasser aus den Bäumen sogen und dadurch ihre Fähigkeit zur Harzbildung und somit ihre Widerstandskraft schwächten. „Gesunde Bäume wehren sich gegen den Borkenkäfer, indem sie ihn verharzen“, so Christian Starke. Doch dieses natürliche Gegenmittel stand den Bäumen nur eingeschränkt zur Verfügung.

Infolge dessen befiel der Borkenkäfer ganze Waldstücke von mehreren Hektar Fläche vollständig. Neben den Waldflächen zwischen Pulsnitz und Kamenz ist auch das Oberland stark betroffen – „überall da, wo Fichten den überwiegenden Anteil der Bewaldung ausmachen“, wie Christian Starke erklärt. Denn die Fichte – einst der „Brotbaum“ der Oberlausitz, der bis heute das beste Bauholz liefert – hat sich zum Problemfall entwickelt. Durch die – nicht erst seit diesem Jahr – gestiegenen Temperaturen und lang anhaltenden Trockenperioden sind viele Bäume geschwächt und bieten Schädlingen ein offenes Einfallstor in den Wald.

„Jetzt ist es besonders wichtig, dass die befallenen Bäume möglichst schnell aus dem Wald kommen“, erklärt Claudia Wünsch. Sie ist Einsatzleiterin der Firma Forstari, die im Auftrag der betroffenen Waldbesitzer und unter Koordination des Kreisforstamtes die erforderlichen Arbeiten ausführt. Neben dem Einsatz von Kettensägen und Harvestern gehört dazu auf Wunsch auch die Vermarktung des geschlagenen Holzes. „Trotz des Befalls kann man das Holz durchaus noch Gewinn bringend verkaufen“, betont sie. „Allerdings kommen die Sägewerke an ihre Kapazitätsgrenzen, und die Preise fallen aufgrund des Überangebots.“ Die Fällungen sind stellenweise so massiv, dass sie das bislang durch die Fichtenforsten geprägte Landschaftsbild verändern werden. Hinsichtlich des Neubewuchses lässt man teilweise der Natur freien Lauf, teilweise wird es aber auch Wiederaufforstungen geben: „Dann aber mit gesunden Mischbeständen“, wie Christian Starke betont. „Die Fichte verschwindet nicht aus unseren Wäldern, doch ihr Anteil soll sich deutlich reduzieren.“ Insofern bietet das massenhafte Auftreten des Borkenkäfers – so belastend es zunächst auch sein mag – die Gelegenheit, den dringend erforderlichen Waldumbau massiv voranzutreiben.
 

Uwe Menschner / 28.10.2018

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