Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Bautzens Brückenstudie ruft gemischtes Echo hervor

Bautzens Brückenstudie ruft gemischtes Echo hervor

Bereits vor einigen Monaten hatte die Stadt zusammen mit kreativen Köpfen verschiedene Brückenvarianten und Trassenführungen vorgestellt. Eine Ausschreibung soll nun Details klären. Foto: Archiv

Kaum hat die Stadtverwaltung eine Studie zur touristischen Wertschöpfung im Zuge eines Brückenbaus zwischen Ortenburg und Protschenberg öffentlich gemacht, gibt es prompt nicht nur Reaktionen aus den Reihen des Bautzener Stadtrates. Auch ein prominenter Politiker meldete sich zu Wort. 

Bautzen. Seit Gründonnerstag ist es im Internet für jedermann einsehbar – ein 49-seitiges Papier, das die touristische Entwicklung in der Kommune unter die Lupe nimmt, sollte diese sich zur Errichtung einer Spreequerung im nordwestlichen Bereich der Altstadt durchringen. Aufgesetzt wurde die Studie von einer Beraterfirma mit Sitz in Düsseldorf. Deren Erkenntnisgehalt ist jedoch für die Fraktion der Bündnisgrünen „äußerst überschaubar“, wie Stadtrat Claus Gruhl es formulierte. „Die Zahlen zum touristischen Potenzial der Stadt liegen seit einem Gutachten zum Stadtmarketing von 2018 vor. Dafür bedurfte es der Studie nicht.“ Sein Fazit lautet: „Daraus weitere Handlungsoptionen abzuleiten, ist schlicht nicht möglich.“ Ohnehin halten die Bündnisgrünen die Wichtigkeit eines Brückenbaus in der aktuellen Krise für untergeordnet. In Bautzen gäbe es momentan andere Aufgaben zu lösen. Claus Gruhl erinnerte in dem Zusammenhang an die noch vor wenigen Jahren angedachte Umgestaltung des viel frequentierten Rathenauplatzes vor den Türen des sanierten Bahnhofsgebäudes zum Bus-Bahn-Knotenpunkt, zu der ebenfalls Untersuchungen angestellt wurden, die Kosten verursachten. Dieses Projekt ist seinen Erkenntnissen zufolge vorerst auf Eis gelegt worden. Für ihn stellt sich vor dem Hintergrund die Frage: „Wieso hat eigentlich die Anreise von Touristen mit dem Pkw Priorität?“ Genau darauf zielt die „Vision Spreetor“, wie die Stadt das Vorhaben um den Bau einer neuen Fußgängerbrücke bezeichnet, allerdings ab.

Mit ihr verbunden wird eine Erweiterung des Parkplatzes an der Schliebenstraße. Noch mehr Autofahrer als bisher sollen künftig dort ihren Wagen abstellen können, um dann per pedes Bautzens historisches Herz zum Pulsieren zu bringen. Auf diese Weise würden beispielsweise im Fall des Burgtheaters dessen Besucher eine Wegstrecke von bis zu 740 Metern einsparen, wenn bei gleichem Ausgangsort der Weg über die Friedensbrücke als Vergleich herangezogen wird. Daraus resultiert eine Zeitersparnis von fast einer Viertelstunde, wie die Urheber der jüngsten Studie aufzeigten. 

Die AfD hingegen plädiert für neue Stellflächen angrenzend an den bereits vorhandenen Parkplatz. Die Partei will das aber völlig unabhängig von dem Bau einer Spreequerung in Angriff nehmen. „Bei der jetzigen finanziellen Situation der Stadt Bautzen gibt es eine dringende Maßnahme“, meinte der Chef der Stadtratsfraktion, Sieghard Albert. „Das ist die schnellstmögliche Erweiterung des Schliebenparkplatzes. Dies ist wichtig für ein- und ausreisende Pendler und auch für die Touristen.“ Gleichzeitig zeigte er sich erstaunt darüber, dass eine Firma aus Nordrhein-Westfalen mit der Erstellung von besagter Studie beauftragt wurde. „Es ist schon verwunderlich, dass eine Firma aus Düsseldorf – Entfernung 650 Kilometer – benötigt wird, die touristische Wertschöpfung einer Oberlausitzer historischen Kleinstadt für circa 25.000 Euro zu bewerten beziehungsweis zu berechnen.“ Und weiter: „Dass ein Neubau, auch ein durchaus interessanter Brückenbau, erst einmal Besucher anlockt, ist eigentlich logisch. Unlogisch erscheint aber die Berechnung und das rechnerische Ergebnis der Studie und damit die Wertung zur Tourismusentwicklung.“

Die Studie spricht von bis zu 650.000 Tagesgästen. Dazu stellte die AfD ein eigenes Rechenbeispiel mit nur 400.000 Tagesbesuchern an, wobei sie davon ausgeht, dass 20 Prozent mit der Bahn anreisen. Aus den übrig bleibenden 320.000 Personen würde ein Besucherverkehr von 465 Autos am Tag resultieren. „Diese Zahl ergäbe Chaos in Bautzen und das Mehrfache der zukünftigen Parkplatzkapazität des Schliebenparkplatzes“, zeigt sich Sieghard Albert überzeugt. Wie auch die Bündnisgrünen würden die AfD-Abgeordneten gern sehen, dass die zur Verfügung stehenden Etatmittel in andere Projekte fließen, die sie für dringender erachten. Denn das Hauptproblem liege in der Zukunft, wie Claus Gruhl betonte. „Die Unterhaltung des ganzen Komplexes ist bisher weder beziffert noch sind Zuständigkeiten geklärt. Mit Sicherheit wird es eine erhebliche Belastung des Ergebnishaushaltes geben.“

In der Diskussion um das Für und Wider hat sich der Bautzener Landrat Michael Harig einmal mehr zu Wort gemeldet und bekräftigt, dass für den Fall, es erfolgt eine Umsetzung des Vorhabens, der Landkreis den satzungs- und baurechtlichen Pflichten als Anlieger nachkommen werde. Seine Sicht auf die Dinge schilderte er so: „In meiner Funktion als Landrat und mehr noch als Bürger dieses Landkreises begrüße ich die Überlegungen zur Schaffung eines Brückenbauwerkes sehr. Eine Brücke hätte schon deshalb ihren Wert, weil sie die gefangene Lage der Ortenburg auflösen würde.“ Für die Kommune wären damit verkehrsberuhigende Maßnahmen in der Altstadt viel besser realisierbar, wovon die Anwohner, die Gäste sowie die Gastronomie gleichermaßen partizipieren würden. „Der Landkreis Bautzen ist bereits seit der Errichtung des Puppen- und Jugendtheaters auf der Ortenburg mit diesem Thema befasst. Aufgrund der Tatsache, dass das Puppen- und Jugendtheater wegen seiner Lage nicht direkt an den ÖPNV angebunden werden kann, wurden seinerzeit alternative Varianten einer Anbindung diskutiert. Dabei ging es insbesondere um die Sicherheit der überwiegend jungen Nutzer des Puppentheaters. Die Planungen sahen die Errichtung eines Parkplatzes auf der Schliebenstraße vor, welcher dann mit einem Fußweg in Richtung Spreeufer, einer spreenahen Brücke und einem Aufzug im Burgwasserturm die Verbindung zum Ortenburghof herstellen sollte. Diese Variante wurde damals von der Stadt Bautzen nicht mitgetragen.“

Inzwischen aber gibt es ein Umdenken im Rathaus. „Eine neue Spreequerung wäre eine Attraktion und damit ein sehr hoher Belebungsfaktor für die westliche Altstadt“, verteidigt Stadtsprecher Markus Gießler die neue Denkweise in den Reihen der Verwaltung. „Verbunden mit dem Ausbau des Langhauses und des Burgwasserturms inklusive einer Skybar könnte, wie uns auch die Machbarkeitsstudie belegt, mit diesem Projekt das touristische Potenzial Bautzens besser ausgeschöpft werden.“ Auf die Frage, inwieweit Verhandlungen mit betroffenen Grundstücksbesitzern geführt wurden, um ein mögliches langwieriges Gerichtsverfahren abzuwenden, ließ der Stadtmitarbeiter wissen: „Es gibt und gab Gespräche, zu deren Inhalt wir aber aufgrund des laufenden Projektes keine Angaben machen.“

Wie von FDP-Mann Mike Hauschild, selbst bekennender Brückenbefürworter, zu erfahren ist, haben sich die Parteien offenbar mittlerweile angenähert. „Bauliche Bedingungen wie Trassenführung und Schutz der Unterlieger sind wahrscheinlich kein großes Problem, da es hier großen Konsens aller Beteiligten gibt.“

„Wir möchten derzeit alle Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Stadtrat entscheiden kann, wie mit dem Projekt weiter verfahren werden soll“, beteuerte indes Markus Gießler. „Aktuell läuft die Ausschreibung der Planungsleistungen für die Entwurfsplanung. In den nächsten zwei bis drei Wochen werden die Bietergespräche durchgeführt und die entsprechende Firma beauftragt. Wir sind optimistisch, dass dann bis Ende Herbst die Ergebnisse vorliegen werden.“ Dafür stünden der Kommune 180.000 Euro im Etat zur Verfügung, hieß es.

Für die Christdemokraten im Stadtrat ist das alles längst noch nicht in Stein gemeißelt, wie die kommissarische Fraktionsvor-sitzende Katja Gerhardi darlegt: „Die Erweiterung des Schliebenparkplatzes wird auch ohne neue Spreequerung realisiert. Panoramaaussicht sowie Erreichbarkeit der Innenstadt für Tagestouristen, die in Bautzen einkaufen wollen, ist über die Friedensbrücke grundsätzlich realisiert, könnte aber zum Beispiel durch einen Shuttleservice ergänzt werden.“ Und sie schiebt hinterher: „In den Augen der CDU-Stadtratsfraktion löst eine zusätzliche Spreequerung die wesentlichen Herausforderungen, vor denen unsere Stadt jetzt und in Zukunft steht, nicht umfänglich.“

Roland Fleischer von der SPD entgegnete: „Zunächst geht es nicht nur um die Brücke. Es muss als Ensemble gesehen werden. Wichtig ist allerdings die Finanzierung des Projekts. Bautzen könnte mit Sicherheit die Folgekosten sowie einen geringen Teil des Baus tragen, ist aber auf hohe Fördermittel des Freistaates, des Bundes sowie des Landkreises angewiesen. Hier gibt es bereits mündliche Zusicherungen.“

Für die in Dresden zunächst keine Bestätigung einzuholen war. „Dem SMWA liegen gegenwärtig weder ein Förderantrag noch nähere Angaben zum Projekt vor“, erläuterte ein Sprecher aus dem Haus von Wirtschaftsminister Martin Dulig. „Daher sind zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen zur Förderung beziehungsweise Finanzierung von Einzelmaßnahmen möglich.“ Im Übrigen könne eine Förderung nur dann gewährt werden, wenn gegen das Vorhaben keine öffentlichen Bedenken – insbesondere in planungsrechtlicher, kommunalwirtschaftlicher, raumordnerischer, städtebaulicher und umweltschützerischer Sicht – bestehen. 

Bis zum Bau einer Brücke sind offenbar noch so einige Hürden zu nehmen. Eine gewichtige besteht darin, dass der Stadtrat darüber entscheiden soll, ob es einen Bürgerentscheid zur „Vision Spreetor“ gibt oder nicht. „Dieser könnte natürlich erst dann durchgeführt werden, wenn alle Planungsleistungen erbracht sind“, weiß Markus Gießler. „Da alle Ergebnisse bis zum Spätherbst erwartet werden, wäre ein möglicher Termin für den Bürgerentscheid die Oberbürgermeisterwahl 2022.“ 

In dem Zusammenhang erwarten Kritiker des Vorhabens weitere Kosten. Den selbstgesteckten Finanzierungsrahmen in Höhe von 300.000 Euro unter anderem für Voruntersuchungen hat die Kommune so gut wie ausgeschöpft. Markus Gießler: „Für die geplanten Planungsleistungen in 2021 wird auf die verfügbaren Haushaltsmittel im Zuge der vor zwei Jahren beschlossenen Finanzmittel zurückgegriffen. Zusätzliche 180.000 Euro sind als Mittel für den Haushalt 2021 angemeldet und beziehen sich auf notwendige begleitende Leistungen wie Gutachten.“

Anmerkung der Redaktion: Wie im Nachgang dieses Beitrages zu erfahren war, gibt es, anders als zunächst berichtet wurde, zwischen betroffenen Grundstücksbesitzern und der Stadt als künftige Bauherrin doch noch Klärungsbedarf in einigen Punkten. Wir bitten um Entschuldigung, sollte ein anderer Eindruck entstanden sein.

Roland Kaiser / 17.04.2021

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Kommentare zum Artikel "Bautzens Brückenstudie ruft gemischtes Echo hervor"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Jo schrieb am

    Wenn nach dem Lockdown die Innenstadt von den kleinen Geschäften und Gaststätten durch Insolvenzen und Schließungen leergefegt sein wird, dann kommen nicht einmal mehr ein Drittel der geplanten Touristen nach Bautzen.

    Also lasst dieses wahnwitzige Vorhaben und konzentriert Euch auf wirklich dringende Probleme.

Weitere aktuelle Artikel