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Für Friedensrichter ist Schlichten viel besser als Richten

Für Friedensrichter ist Schlichten viel besser als Richten

Friedensrichter Bernhard Toffel. 
Foto: UM

Die Friedensrichter sind auch im Landkreis Bautzen ein wichtiger Bestandteil der Rechtsordnung. Nur leider weiß das bei weitem nicht jeder. Aufklärung tut not.

Region. Vor Gericht und auf hoher See, so sagt es der Volksmund, ist man in Gottes Hand. Nun muss man nicht zwingend den Weltenschöpfer bemühen, um die Ungewissheit des Ausgangs einer Gerichtsverhandlung zu verdeutlichen. Fest steht jedoch: Manch einer ist schon recht ernüchtert aus den Tempeln der Justiz zurückgekehrt. Und als ob das nicht schon genug Ungemach wäre, so ist ein solcher Ausflug in die Welt des Rechts zumeist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Dabei gibt es eine Instanz, mit deren Hilfe sich dieses Risiko deutlich vermindern lässt. „Schlichten statt Richten“ – so lautet das Motto der Friedensrichterinnen und Friedensrichter (nicht nur) im Landkreis Bautzen.

Nicht die möglichst eindeutige Klärung der Schuldfrage steht bei ihrer Tätigkeit im Mittelpunkt, sondern die Suche nach für beide Streitparteien akzeptablen Kompromissen. „Dazu muss man natürlich bereit sein. Wenn beide Seiten bedingungslos auf ihrem vermeintlichen Recht beharren, dann funktioniert das nicht“, erklärt Bernhard Toffel. Der Gödaer fungiert seit 2006 als Friedensrichter seiner Gemeinde, wobei ihm die in den meisten Bundesländern gebräuchliche Bezeichnung „Streitschlichter“ besser gefällt. „Denn wir fällen keine Urteile, richten also nicht“, begründet er. Vielmehr verfasst der Streitschlichter – oder eben in Sachsen der Friedensrichter – ein Protokoll.

Dieses beschreibt den so genannten Vergleich, den die zerstrittenen Parteien zuvor in einem zumeist mühsamen Prozess gemeinsam erarbeitet und vereinbart haben. Gibt es keine Einigung, dann gibt es auch keinen Vergleich. Der Schlichtungsversuch endet ergebnislos, der Streit geht – wahrscheinlich – doch noch vor Gericht. „Wenn wir aber einen Vergleich erzielt haben, dann sind seine Festlegungen 30 Jahre lang bindend“, verdeutlicht Bernhard Toffel, der auch Vorsitzender der Bezirksvereinigung Bautzen des Bundes deutscher Streitschlichter ist. Die Schlichtung beim Friedensrichter ist also keinesfalls nur ein harm- und folgenloses Gespräch am Kamin, sie entfaltet vielmehr eine vollstreckbare Wirkung. Der Streitschlichter/Friedensrichter stellt nämlich einen gesetzlich verankerten Bestandteil der Rechtsordnung dar. Bei manchen Delikten – zum Beispiel Beleidigung, Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch – schreibt der Gesetzgeber sogar eine Schlichtung vor, bevor es zum Gericht geht. 

So weit die Theorie. In der Praxis sieht es nämlich anders aus. Die Instanz des Friedensrichters wird bei weitem nicht in allen Fällen in Anspruch genommen, in denen dies möglich oder sogar gesetzlich vorgesehen ist. Die Ursachen sind laut Bernhard Toffel vielfältig: „Einerseits ist unsere Tätigkeit noch immer bei vielen Bürgern weitgehend unbekannt. Das liegt auch an der sehr unterschiedlichen Informationspolitik der Kommunen.“ 

Die Berufung von Friedensrichtern zählt zu den Pflichtaufgaben der Städte und Gemeinden. Diese müssen ihnen geeignete Räumlichkeiten für ihre Sprechzeiten zur Verfügung stellen und in ihren Amtsblättern darauf hinweisen. Die einen kommen dieser Pflicht mit mehr Intensität nach, die anderen mit weniger. Dasselbe gilt auch für die Entschädigung der ehrenamtlich tätigen Friedensrichter, die per Satzung zu regeln ist. Die Gemeinde Spreetal hat als einzige im Kreis Bautzen gar keinen Friedensrichter. Doch auch die so überlasteten Staatsanwaltschaften weisen kaum eine Anzeige ab mit dem Hinweis, es doch erst einmal mit einer Schlichtung zu versuchen. „Dabei könnte eine stärkere Inanspruchnahme unseres Angebotes zu einer deutlichen Entlastung sowohl der Hilfesuchenden als auch der Justiz führen“, betont Bernhard Toffel.

Gerade bei Streitigkeiten unter Nachbarn bringe ein klärendes Gespräch in ruhiger Atmosphäre mit einer neutralen, beiden Seiten fremden Schiedsperson mehr als eine Nerven aufreibende Verhandlung vor Gericht mit ihren starren Ritualen. Im Rahmen von sogenannten „Tür- und Angel-Geschäften“ kann dies als Mediation auch völlig informell erfolgen. Wichtig ist dabei zu wissen: Zuständig ist immer der Friedensrichter der Gemeinde, in welcher der Gegner des Antragstellers wohnt. Die Kosten für eine Schlichtung beschränken sich auf die tatsächlich angefallenen Auslagen und liegen zumeist im Bereich von circa 75 Euro. Wie sie sich hinein teilen, handeln die Parteien untereinander aus.

Die Adressen der Friedensrichter in den einzelnen Städten und Gemeinden des Landkreises Bautzen lassen sich auf der Website www.bds-bautzen.de unter Schiedspersonensuche leicht recherchieren.

Uwe Menschner / 13.08.2019

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