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Kein baldiger Baustart in Sicht

Kein baldiger Baustart in Sicht

Im Juni 2019 – also noch lange vor Corona, Abstandsregeln und Maske – demonstrierten Radfahrer für den baldigen Ausbau des noch fehlenden Radwegs an der S 95. Foto: Archiv

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Das Corpus Delicti: Für die einen eine Investition in die Zukunft, für die anderen der „sinnloseste Bahnübergang Deutschlands.“

Der Bund der Steuerzahler hat erneut den Bahnübergang bei Gelenau aufs Korn genommen. Hinsichtlich des noch immer fehlenden Radwegs ist ein neues Problem aufgetaucht.

Gelenau. Ein Gespenst geht um im deutschen Blätterwald. Es ist rot-weiß lackiert und hebt und senkt sich regelmäßig. Richtig, die Rede ist von einer Schrankenanlage, die einen viel befahrenen Bahnübergang sichert. Wobei: Das Attribut viel befahren trifft in diesem Falle nur auf die Schienentrasse zu. Der sie kreuzende Weg ist nicht ganz so stark befahren; genauer gesagt, er existiert noch gar nicht.

Für den Bund der Steuerzahler ist der Bahnübergang am noch nicht vorhandenen Radweg entlang der S 95 zwischen Kamenz und Pulsnitz ein Unding. Bereits 2016 nahm ihn sein sächsischer Landesverband als „Schildbürgerstreich besonderer Art“ aufs Korn und monierte, dass das „für bis zu 700.000 Euro errichtete Bauwerk allein in der Landschaft“ stehe. Jetzt, vier Jahre später, folgte mit der Aufnahme in das jährlich erscheinende „Schwarzbuch – Die öffentliche Verschwendung“ quasi der „Ritterschlag.“ Darin schreibt der Präsident des Bund der Steuerzahler Sachsen e.V., Thomas Meyer hinsichtlich des noch fehlenden Radwegs: „Bis heute ist das Bauprojekt in diesem Abschnitt nicht über das Planungsstadium hinausgekommen, obwohl der Bau des Radwegs in der Radverkehrskonzeption Sachsens hohe Priorität genießt. Einzig die automatische Schrankenanlage verrichtet seit Jahren unverdrossen ihren Dienst – und verursacht jährlich vierstellige Betriebs- und Wartungskosten.“

Der Bahnübergang ist gar nicht das Problem

Beim genaueren Lesen wird deutlich: Es ist gar nicht in erster Linie die Schrankenanlage, die den Unmut der Steuerwächter hervorruft. „Wir wollen nicht die Investition schlecht reden“, erklärt Thomas Meyer dann auch auf Nachfrage. „Viel mehr fordern wir dazu auf, dass nun endlich der Radweg gebaut wird, damit der Übergang nicht mehr sinnlos in der Landschaft steht.“ Denn immerhin habe es 2016 die Aussage gegeben, dass es 2017 „losgehen“ soll. „Umso erstaunter sind wir, dass auch 2020 noch nichts von dem Radweg zu sehen ist. Dabei haben wir extra noch einmal drei Jahre gewartet“, so Thomas Meyer.

Es bestehe die Gefahr, dass die Schrankenanlage zur Investruine verkomme.
Und das Warten wird wohl noch einmal vier Jahre dauern, wenn nicht noch länger. Von einem nunmehr zügigen Baubeginn kann nämlich keine Rede sein, wie eine Nachfrage beim Landesamt für Straßen und Verkehr (Lasuv) ergab. Dessen Sprecherin Rosalie Stephan erklärt: „Die Genehmigungsunterlagen für den Planfeststellungsantrag werden vorbereitet. Da allerdings Mitte dieses Jahres für den Planungsbereich ein neues Trinkwasserschutzgebiet (Kamenz-Lückersdorf) per Verordnung ausgewiesen wurde, prüfen wir nun die Auswirkungen auf das bisherige Entwässerungskonzept. Wir gehen davon aus, dass wir unsere Pläne noch einmal daran anpassen müssen.“ Damit ist ein neues Problem aufgetaucht, das vor vier Jahren überhaupt noch nicht abzusehen war. 

Wohl weitere vier Jahre warten 

Die Lasuv-Sprecherin führt weiter aus: „Sollte sich das bestätigen, könnte eine Antragstellung auf Baurecht bei der Landesdirektion Sachsen frühestens Ende 2021 erfolgen. Anschließend muss das Planfeststellungsverfahren (fachliche Prüfungen, Auslegung, Anhörung, Baurechtserteilung) absolviert werden. Sobald wir vollziehbares Baurecht erzielt haben, kann die Einordnung in das Bauprogramm (inklusive Finanzierung) erfolgen.“ Im Klartext: Das Verfahren kann zeitigstens Ende 2021, Anfang 2022 beginnen, und wer sich ein wenig mit Baurecht beschäftigt hat, weiß, dass sich so eine Planfeststellung hinziehen kann. Der genannte Zeithorizont von vier Jahren dürfte also eher noch im unteren Bereich des Möglichen liegen. In dieser Zeit hebt und senkt sich das rot-weiß lackierte Gespenst weiter unverdrossen. Welche Kosten es dabei verursacht, muss an dieser Stelle ungeklärt bleiben: „Die Betriebs- und Wartungskosten für die Anlage werden aus Eigenmitteln der DB Netz beglichen, belasten also den Steuerzahler nicht“, erklärt Pressesprecher Jörg Bönisch. Dass sich die Deutsche Bahn AG als Muttergesellschaft der DB Netz im hundertprozentigen Besitz des Bundes befindet, soll in diesem Zusammenhang zumindest erwähnt werden.

Doch warum wurde der Übergang bereits 2010 ausgebaut, als der Bau des Radwegs weit und breit noch nicht in Sicht war? Auch darauf gibt Rosalie Stephan vom Lasuv eine Auskunft: „Die Zusammenarbeit mit der Deutsche Bahn AG musste in einer Kreuzungsvereinbarung als separater Vorgang bearbeitet werden. Das Vorhaben aber hinauszuzögern, obwohl es baureif ist, dafür gab es schlichtweg keinen Grund. Dass größere Bauvorhaben Schritt für Schritt in mehreren Bauabschnitten realisiert werden, ist eine sinnvolle und praktikable Vorgehensweise.“ Der erste Bauabschnitt zwischen Pulsnitz und Steina wurde bereits 2015, der Zweite bis Gersdorf 2017 fertiggestellt. Der dritte Abschnitt, zu dem der Bahnübergang gehört, beinhaltet laut Lasuv auch den Ausbau der Staatsstraße und stellt aufgrund des komplizierten Bauuntergrundes besonders hohe Anforderungen an die Planung.

ADFC mit klarer Forderung

Auch der Allgemeine DEutsche Fahrradclub (ADFC) Sachsen hat sich zwischenzeitlich zu Wort gemeldet. Dessen Geschäftsführer Konrad Krause erklärt: „Die Radweg-Posse in Gelenau steht stellvertretend für das Tempo, mit dem der Ausbau des Radwegenetzes in Sachsen vorangeht.“ Schon seit einigen Jahren verfolge der ADFC den Planungsprozess an der Staatsstraße 95. Die Stelle am Bahnübergang in Gelenau sei bei Anwohnern bekannt für schwere Unfälle. Erst im März dieses Jahres war hier ein Auto bei Tempo 200 schwer verunglückt. „Besonders ärgerlich ist der fehlende Radweg vor allem für die Leute vor Ort. Pendler, Schulkinder und Rentner müssen sich die gefährliche Staatsstraße mit dem motorisierten Verkehr teilen. Sie riskieren ihr Leben wegen des schleppenden Planungsprozesses. Dass die Planungsprozesse sich so in die Länge ziehen ist schlicht unverantwortlich“, so Krause empört. „Der Bahnübergang in Gelenau ist außerdem auch ein Mahnmal für die fehlenden Planungskapazitäten beim Radwegebau in Sachsen. Minister Dulig muss bei der Radwegeplanung in Sachsen endlich einen Zahn zulegen“, so der ADFC-Geschäftsführer.

Uwe Menschner / 16.11.2020

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