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Aus der vollen Kirche in das volle Pfarrhaus

Aus der vollen Kirche in das volle Pfarrhaus

Bei einer Pfarrerfamilie mit sechs Kindern und deren Anhang kann es über Weihnachtenim Pfarrhaus schon eng werden. Pfarrer Helmut-Andreas Spengler im Kreis seiner Lieben. Foto: privat

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Beim „Lebendigen Adventskalender“ besuchten sich 24 Jänkendorfer Familien mit Pfarrer Spengler gegenseitig und öffneten gegenseitig ihre privaten Türchen. Foto: privat

Niemand dürfte beruflich mehr mit der Advents- und Weihnachtszeit verbunden sein als ein Pfarrer, der neben den Gottesdiensten am Heiligen Abend auch an den Weihnachtstagen selbst in Stress gerät. Noch dazu, wenn über die Festtage die eigenen sechs Kinder mit familiären Anhang Festatmosphäre im elterlichen Haushalt suchen. Helmut-Andreas Spenlger aus dem Pfarrsprengel Waldhufen-Vierkirchen schafft den Spagat.

Jänkendorf. Helmut-Andreas Spengler ist Pfarrer in Jänkendorf, Ullersdorf, Melaune und Diehsa und zudem z.B. auch mit Religions- oder Konfirmandenunterricht in Arnsdorf, Nieder Seifersdorf, Buchholz und Tetta betraut. Die Arbeitsteilung mit dem Kollegen Andreas Fünfstück klappt sehr gut, trotz oder vielleicht gerade, weil beide Charaktere unterschiedlich sind. Spengler kann nichts in Unruhe bringen, denn selbst seine Freizeit nutzt er nicht gerne, um einmal die Beine lang zu machen und den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen, sondern um beim Basteln z.B. alte Fahrräder wieder in Gebrauchszustand zu versetzen.
Gelassen betont er in einem letztlich auch den Tag dieses Interviews komplett schließenden Zeitfenster zwischen der Arbeit mit Konfirmanden und einem abendlichen Konzert: „Es ist eines der größten christlichen Feste und da ich beobachte, dass einigen der Sinn dafür abhanden gekommen ist, ist es für mich umso mehr eine Aufgabe, Freude und Notwendigkeit die Weihnachtsgeschichte zu predigen. Ich sehe darin auch eine Freude für mich und die Familie die Weihnachtsgeschichte zu erleben. Dass es ein fröhliches Fest ist, kann man in unserer Familie ablesen. Es gehört für mich ebenso dazu, diese Geschichte auch in der eigenen Wohnstube zu erzählen. Das ist auch ein Stück Kindheitserinnerung.“

Und so ist vor dem Auspacken der Geschenke auch seine Frau oder eines der Kinder dran, die Weihnachtsgeschichte vorzutragen. Der Kreis potenzieller Leser wird dabei stets größer, denn neben den eigenen sechs Kindern ist durch deren Anhang mittlerweile ein jährlicher Weihnachtshaushalt von 22 Personen mit Kindern, Schwieger- und Enkelkindern entstanden. „Wenn Schwager dazukommen kommen wir aber an die 30 Leute“, bringt Spengler auch dies entspannt hervor.

Dabei beginnt die Advents- und Weihnachtszeit in einer Pfarrei sogar besonders früh. „Ich übe mit Kindern das Gitarrespielen und wir fangen schon Anfang November an Weihnachtslieder einzustudieren. Mit dem Ersten Advent geht es mit der Weihnachtsankündigung aber richtig los“, sagt er. Wobei da auch das Einstudieren des Krippenspiels längst auf dem Weg ist.
„In meinem Kopf geht folgendes vor“, lässt Spengler die Gedanken kreisen: „Ursprünglich war die Adventszeit eine reine Fastenzeit, in der auf vieles verzichtet wurde. Die Feierei und das festliche Essen ging erst Heiligabend los. Da viele das nicht nachvollziehen können, ist das Weihnachtsgeschehen in die Adventszeit vorverlegt worden. Nun könnte ich darüber frustriert sein – als Theologe müsste ich das – aber dann entferne ich mich von meiner Gemeinde. Ich habe für mich den Weg gefunden, dass ich zusammen mit der Gemeinde die vorgezogene Weihnachtszeit in der Adventszeit punktuell schon erlebe. Heute wird ja bereits von Möbelhäusern proklamiert, dass am 27. Dezember bereits der Baum abgeschmückt und das Weihnachtsbaumweitwerfen praktiziert werden müsse. Da bleibt mir eigentlich nur, die Fröhlichkeit der Weihnachtszeit in der Adventszeit schon aufleuchten lassen, auch wenn die Adventszeit von der Auffassung her ja eine Fastenzeit ist.“

Er wolle den Menschen die Freude eben nicht nehmen, auch wenn er es in der Familie ja noch „richtig“ praktizieren könnte.
„Ich kenne es aus meiner Kindheit, dass meine Mutter immer im Oktober oder November einen großen Topf mit Pfefferkuchenteig angesetzt hat. Er stand dann bis in die Adventszeit da und da wurden kurz vor Weihnachten die Pfefferkuchen gebacken. Heute passiert das so, dass eine meiner Schwägerinnen diesen Teig auch vorbereitet und dieser als ein Weihnachtsgeschenk verteilt wird. So backen wir erst in der Weihnachtszeit die eigenen Pfefferkuchen, die wir dann auch erst essen können. Wir verkneifen es uns, Dominosteine und Zimtsterne im September zu kaufen. Wenn die kurz vor Weihnachten ausverkauft sind, haben wir eben keine.“
Allerdings: Die Anzahl der Gottesdienste halte sich in Grenzen, vor allem weil nach dem großen Heiligabendgottesdienst „wo in allen Kirchen das volle Programm stattfindet“ die Zahl der Gottesdienstbesucher überschaubar werde. „Wir feiern gemeinsam Gottesdienst in einem Dorf und laden Nachbardöfer dazu ein. Die Arbeit muss bestens gemacht werden, dass erwarten die Menschen und das ist selbstverständlich. Am 27. kann ich dann in der Tat durchatmen und sagen, so jetzt ist mal ein Tag, an dem kein Dienst ist. Das ist dann der Tag für die ganze Familie – ganz für uns!“

Das haue natürlich nur dann hin, wenn dies selbst kein Sonntag sei. „Wenn zwischen Weihnachten und Neujahr ein Sonntag liegt, nennen wir den Saure-Gurken-Gottesdienst“, räumt Spengler Festtagsmüdigkeit in der Gemeinde ein. Aber auch hier hat er Ideen: „Wir praktizieren seit einiger Zeit schon, dass wir ein Filmgottesdienst anbieten, wo wir einen hochkarätigen Film leihen und die Gemeinde einladen. Das wird gut angenommen und wir haben Besucherzahlen, die weit über das Übliche hinausgehen.“

Daneben trifft Spengler eine Erfahrung, die wohl bei jedem im Laufe der Jahre kommt: „Ich schenke gerne und bekomme auch gerne etwas geschenkt. Aber immer öfter kommt der Satz auf: Wir haben doch alles. Umso mehr freue ich mich über Geschenke, die ich machen kann. Wir haben in der Familie festgelegt, dass gelost wird. Jeder zieht einen Namen und macht demjenigen ein besonders persönliches Geschenk. Das wir schon im September, Oktober bei einem Fest mit einem Lostopf vorbereitet.

Und auch für die Gemeinde wurde viele Jahre lang eine fantasievolle Tradition entwickelt. In dieser wurde ein Adventskranz mit 24 Kerzen gestaltet und an jedem Tag traf sich die Gemeinde, um Lieder zu singen und zu beten und damit wurde von Tür zu Tür gegangen. An jeder ’lebendigen Adventskalendertür’ wurde eine Weihnachtsgeschichte gelesen. Dafür wurde extra gebacken und Tee oder Glühwein geboten. Es war eine Freude im Ort zu erleben, wie sich jeder versucht hat, mit seinen Gaben einzubringen. Das ist nach über 10 Jahren nun jedoch ausgereizt. Ich habe daraus aber die Erkenntnis mitgenommen, dass eine Arbeit leichter zu machen ist, wenn es Bezug zu eigenem Leben hat.“

Aber auch im Spengler’schen Pfarrhaus gibt es natürlich eigene kulinarische Traditionen: „Meine Mutter hatte für die Adventszeit zwei riesengroße Jagdwürste; wir durften in dieser Zeit soviel davon essen, wie wir wollten. Durch die Schwiegereltern habe ich gelernt, dass es zu Weihnachten immer Kartoffelsalat und ungebrühte Bratwurst gibt – eine Schlesische Tradition. Ich komme aus Halle, aber mein Vater stammte aus Schlesien. Er hat leider wenig Traditionen mitgebracht, auch wenn ich mich an die Liegnitzer Bombe erinnere. Die haben wir jedoch nie gebacken, sondern immer gekauft. Am ersten Feiertag habe ich Freude daran, wenn es Gänsebraten mit Klößen gibt.“

Als gelernter Elektroniker für Fernseher und Kassettenrekorder wurde Pfarrer Spengler erst auf zweitem Bildungsweg zum Primus inter Pares einer Kirchengemeinde. Aber auch das kann eben ein klassischer DDR-Lebensweg sein. „Abitur durfte ich nicht, weil ich politisch nicht auf Linie, nicht bei den Pionieren und der FDJ war und keine Jugendweihe absolviert hatte. Mein Vater ist Diakon, meine Mutter Katechetin. Mit einem Beruf konnte man in der DDR jedoch ein Fachschulstudium ohne Abitur absolvieren. Ich konnte mich danach Diplomingenieur für Elektronik nennen. Als ich meinen Wehrdienst machen sollte, habe ich Gott das Versprechen abgegeben, dass wenn ich das nicht machen muss, ich Theologie auf dem Zweiten Bildungsweg studiere. Und das Gebet hat Gott erhört“, sagt Pfarrer Spengler, der in einer ruhigen Stunde gerne auch zu einem Buch greift. „Die 30 Jahre der friedlichen Revolution treiben mir heute noch Tränen in die Augen.“ Das Buch „Der Tag, an dem die Mauer fiel“ hätte ihn wieder darin ergriffen. Aber auch dicke Romane wie die Päpstin oder Marco Polo lägen auf seinem Nachttisch. Für kürzere Mußepausen darf es im Jänkendorfer Pfarrhaus gerne auch mal ein Sudoku- oder Kreuzworträtsel sein.

„Mit der Geburt unseres ersten Kindes hat meine Frau gesagt: Diese Kinder sind uns anvertraut, wir müssen sie wieder ziehen lassen. Das habe ich die ganzen Jahre gelernt und jetzt erleben wir gerade im Dezember auch die Freude, dass jede Woche ein oder zwei einfliegen und dass die Waschmaschine nicht stillsteht.“ Sind die Tage mit den Kindern im neuen Jahr vorüber, ist sicher auch wieder etwas Zeit für einen längeren Spaziergang oder eine Wanderung da.

Till Scholtz-Knobloch / 01.12.2019

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