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Bis Königsbrück mit einer Batterieladung

Bis Königsbrück mit einer Batterieladung

Mittwoch, Punkt 10.54 Uhr: Es fährt ein ein von Staatssekretärin Ines Fröhlich gelenkter batteriebetriebene Triebwagen, der perspektivisch gesehen einmal zwischen Dresden und Königsbrück rollen soll. Fotos: RK

Der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) untersucht für sein Einzugsgebiet den Einsatz von neuen Antrieben für Bahnstrecken. Momentan kommen dort noch Dieseltriebwagen zum Einsatz. Eine Alternative dazu könnten batteriegetriebene Züge sein. Auf der Bahnlinie Königsbrück – Dresden-Klotzsche gab es jetzt einen ersten praxisnahen Test.

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Blick ins Innere des batteriebetriebenen Siemens-Triebwagens, der am Mittwoch in Königsbrück zu Testzwecken Station machte.

Königsbrück. Ein leises Summen ist zu hören, dann zeigt sich in nicht allzuweiter Entfernung zum Bahnsteigende ein in den Farben Rot und Weiß gehaltener Triebwagen. Die Uhr rückt auf 10.54 Uhr. Pünktlich auf die Minute rollt das Gefährt in den Bahnhof von Königsbrück ein. Die Türen öffnen sich und eine Schar von Pressevertretern verlässt den Zug. Bernd Herzog aus der Nähe von Riesa beobachtet das Treiben auf Bahnsteig 1. Der langjährige Auslandsmonteur, der in seinem Leben bereits etliche Fahrten auf der Schiene bestritten hat, weiß nur zu gut, wie es sich in dem Triebwagen reist, der soeben die Kleinstadt im Dresdener Speckgürtel ansteuerte. „Ich kenne ihn von Österreich her, dort machte das Fahren mit dem Zug großen Spaß.“ Und der 70-Jährige fügte hinzu: „Es war alles sehr gepflegt im Inneren. Wenn er am Ende hier auch zuverlässig ist, kann man doch zufrieden sein.“

Damit wird deutlich, dass die Bahnregion Lausitz einmal mehr hinterherhinkt. Und so fühlt sich manch Zaungast bei der anschließenden Informationsrunde im Pavillonzelt eher an eine Werbeveranstaltung erinnert. Mit dem Schönheitsfehler, dass die Frage der Realisierung einer möglichen Anschaffung damit beantwortet wird, dass aller Voraussicht nach erst frühestens in elf Jahren derartige Schienenfahrzeuge in der Region verkehren werden. Alles scheint auch irgendwie vom Geld abhängig zu sein. Deutsche Technologie hat eben ihren Preis. Bis zu sechs Millionen Euro kostet ein Triebwagen dieser Art. Allerdings ist in der Summe die Batterie noch nicht enthalten, wie vor Ort zu erfahren war. Hinzu kommt die Errichtung der entsprechenden Ladeinfrastruktur. VVO-Geschäftsführer Burkhard Ehlen sieht das anders. „Wir bereiten mit Machbarkeitsstudien und Technologievergleichen eine Systementscheidung für unsere Regionalstrecken für die Zeit nach 2031 vor“, erklärte er in dem Zusammenhang. „Damit für den Aufbau der nötigen Infrastruktur, egal ob für Wasserstoff- oder Batteriezüge, ausreichend Zeit bleibt, wollen wir bis Ende 2021 eine Entscheidung treffen.“

Auf dem Weg dorthin würden die folgenden drei Themen eine herausragende Rolle spielen: „Wir untersuchen für den VVO sowohl die wichtigen Fragen rund um den Betrieb der Fahrzeuge als auch die Fragen rund um Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur“, fügte Benjamin Ebrecht von der TU Berlin hinzu. Er sprach davon, dass sich mit einer Batterieladung durchaus die Distanz zwischen Start- und Zielbahnhof in beiden Richtungen absolvieren lässt. Die Abschnitte, auf denen bereits Fahrdraht gespannt ist, würden dazu dienen, den Akku aufzuladen. Bei einem Wasserstoffzug hingegen werde die Energie aus einer Brennstoffzelle bezogen mit Unterstützung einer Pufferbatterie. So ließen sich bis zu 1.000 Fahrtkilometer am Stück bestreiten. Ein batteriegetriebener Zug wie der in Königsbrück vorgestellte schafft nach Angaben von Martin Berthold gerade einmal einen Bruchteil davon. Der Lokführer und zertifizierte Fachtrainer bei der Österreichischen Bundesbahn sprach gegenüber unserer Zeitung von etwa 80 Kilometern Reichweite. Auf jeden Fall fahre der Triebwagen trotz der geringeren Leistung ähnlich angenehm wie ein elektrischer Zug.

Bürgermeister Heiko Driesnack hingegen freute sich über die Perspektive, die seine Kleinstadt mit den Überlegungen beim VVO erhält. „Wir verfügen über eine große Nachfrage nach Wohnraum vor allem aus dem Raum Dresden. Damit verbindet sich der Wunsch nach einem zeitgemäßen öffentlichen Nahverkehr. Ich sehe die heutige Veranstaltung ein bisschen als Startschuss in eine neue Zeit – lautlos und mit einer angenehmen Geschwindigkeit, die allerdings noch verbessert werden soll.“ Burkhard Ehlen nahm den Ball gern auf und gab zu bedenken, dass die Anrainerkommunen dafür Sorge tragen müssten, die Bahnübergänge entsprechend ertüchtigen zu lassen.

Anschließend erhielt Professor Arnd Stephan von der TU Dresden die Gelegenheit, sich zu äußern: „Unser Fokus liegt auf dem gesamtwirtschaftlichen Vergleich – was ist also für den Steuerzahler die wirtschaftlichste Technologie.“

Auch in Anspielung an die in Paris getroffenen Vereinbarungen zum Klimaschutz legte Ines Fröhlich, Staatssekretärin im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, dar: „Die Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft und unser Ziel, Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer zu sichern, stellen auch konsequenterweise die Frage nach einem attraktiven, umweltschonenden und innovativen Mobilitätsangebot. Dazu gehören neben nutzerfreundlichen Angeboten ebenso die Infrastruktur als auch das sogenannte ‚rollende’ Material.“ Vor diesem Hintergrund unterstütze ihr Haus auch alle Überlegungen zur Vorbereitung des Einsatzes innovativer Schienenfahrzeuge. Diese Untersuchungen seien eingebettet in zahlreiche und vielfältige Maßnahmen des Freistaates zur Modernisierung der Infrastruktur und Gestaltung einer veränderten Wirtschaftsstruktur in der Lausitz.

Aus wessen Produktion die Züge einmal stammen werden, ließ VVO-Sprecher Christian Schlemper zunächst offen. „Wir führen im Rahmen der Untersuchungen Gespräche mit allen möglichen Herstellern und planen entsprechend.“ Und noch etwas ließ er nicht unerwähnt, wie es bis 2031 weitergeht: „Der jetzige Verkehrsvertrag endet im Dezember nächsten Jahres. Ab da an fährt bis 2031 die DB Regio das Netz mit Dieselfahrzeugen. Erst dann werden Züge mit Batterie- oder Wasserstofftechnik zum Einsatz kommen.“

Diese Aussicht unterstreicht nach Meinung des VVO dessen Ambitionen, der Kommunen sowie der Deutschen Bahn, die Strecke in den Jahren bis 2025 umfassend zu modernisieren und zu beschleunigen. Für die Streckenbeschleunigung sowie die Schaffung barrierefreier Stationen sind Investitionen in Höhe von über 30 Millionen Euro vorgesehen, die durch Mittel des Bundes inzwischen gesichert worden seien. Ziel sei es, die Regionalbahn zu einer S-Bahn aufzuwerten und die Fahrgastzahlen auf der Strecke von heute rund 1.600 um rund 1.700 Fahrgäste täglich zu steigern. Insbesondere durch die hohe Dichte an Arbeitsplätzen in Ottendorf-Okrilla bestehe hier ein großes Potenzial. Mit den jetzt untersuchten alternativen Antrieben könne die Umweltbilanz des Nahverkehrs entlang der zukünftigen S-Bahn S 7 weiter verbessert werden.

Und wer weiß: Vielleicht hält in Zukunft ein batteriegetriebener oder mit Wasserstoff angetriebener Zug auch in Zittau. VVO und der benachbarten Verkehrsverbund ZVON arbeiten daran.
 

Roland Kaiser / 19.09.2020

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