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Bürger für Görlitz: „Görlitzer WählerInnen sind schuld“

Bürger für Görlitz: „Görlitzer WählerInnen sind schuld“

Der gebürtige Breslauer Wolfgang Thierse zieht sich aus dem Kuratorium der Stadthallenstiftung zurück. Foto: Matthias Wehnert

Görlitz. „Wir haben erfahren, dass zwei hochgeschätzte Persönlichkeiten das Kuratorium der Stadthallenstiftung Görlitz verlassen haben: Dr. Wolfgang Thierse, ehemaliger Präsident des Deutschen Bundestages und Prof. Tomasz Tomaszewski, Präsident der Internationalen Beethovengesellschaft, Professor an der Akademie der Künste in Berlin“, beklagt der Fraktionsvorstand der Bürger für Görlitz unter Hinweis auf Medienberichte, nach denen der Grund darin liege, dass der AfD-Fraktionsvorsitzende im Görlitzer Stadtrat, Lutz Jankus, Mitglied des Kuratoriums der Stadthallenstiftung ist.

„Dieser Umstand, der auf eine Wahl im November 2019 zurückzuführen ist, ist offenbar erst vor kurzem und ’durch einen Zufall’ bekannt geworden, so Dr. Thierse laut einem MDR-Bericht“, erläutert die Stadtratsraktion der Fraktion Bürger für Görlitz aus Yvonne Reich, Karsten Günther-Töpert und Prof. Joachim Schulze. 
Im Kern bestehe die Stiftung, um Mittel für die Sanierung und Zugänglichmachung der Stadthalle zu beschaffen. Mitglieder des Kuratoriums sind: Ein Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege, zwei Mitglieder des Görlitzer Stadtrates, zwei Vertreter der Görlitzer Stadtgesellschaft, weitere Kuratoren, die vom Stiftungsrat bestellt werden.“ Mit der Kommunalwahl 2019 sei es erforderlich gewesen, unter anderem auch die zwei Mitglieder des Stadtrats für das Kuratorium zu wählen, die als Kuratoriumsmitglieder dem Stiftungsrat zur Bestellung vorzuschlagen sind.

In der Stadtratssitzung vom 28. November 2019 standen zur Auswahl: Liste 1 AfD mit Lutz Jankus und Alexander Lehmann sowie Liste 2 Bündnisfraktion/CDU mit Dieter Gleisberg und Prof. Joachim Schulze. Der damals noch nicht gespaltenen Bündnisfraktion gehörten Stadträte der Bürger für Görlitz, von Bündnis 90/Die Grünen, Motor Görlitz und der SPD an. Auf die AfD-Liste entfielen 13 Stimmen, auf die Liste 2 hingegen 19 Stimmen. Nach d’Hondtschem Zählverfahren waren damit die jeweils Erstplatzierten Dieter Gleisberg (CDU) und Lutz Jankus (AfD) gewählt. Die Bürger für Görlitz merken dazu an, dass „unsere Fraktionsmitglieder alle für unsere Liste gestimmt haben. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass im November 2019, als ’die Reihen noch fest geschlossen’ waren, AfD-Stadträte unsere Liste gewählt haben.“ Der Vorschlag an den Stiftungsrat sei zwingend und ohne Spielräume aus dem Ergebnis erfolgt. Die Bürgerfraktion betont: „An unserer Haltung zur AfD kann kein Zweifel bestehen. Die Schande, dass diese von zunehmend mehr Verfassungsschutzbehörden als ’Verdachtsfall’ eingestufte Partei in den Bundestag, Landtage, Kreistage und Stadt- und Gemeinde nach dem Willen zu vieler WählerInnen einziehen konnte, ist groß. Und sie ist als solche durch uns als Mitglieder einer Stadtratsfraktion nicht zu beheben.“ Man setze auf ein Verbotsverfahren. Bis dahin sei jedwede Zusammenarbeit und „erst recht keine klammheimliche Kumpanei“ geboten. 

„Die Vertretung der AfD in Gremien unserer kommunalen Selbstverwaltung liegt in der Verantwortung der GörlitzerInnen, die sie gewählt haben, nicht in unserer“, so der Fraktionsvorstand. Und so akzeptiere man die Entscheidung Thierses und Tomaszewskis, die sich von OB Ursu nicht mehr umstimmen ließen.
Auch die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne fürchtet einen Schaden für den Ruf der Stadt“ und erklärt: „Jetzt wollen wir klären, ob die Stadtratsvertreter im Kuratorium der Stadthallenstiftung neu gewählt werden können.“ Sie begründet dies mit „besonderer Sorgfaltspflicht“ angesichts der Verdachtsfalldiskussion zur sächsischen AfD.
Wolfgang Thierse (SPD) ist u.a. Schirmherr der Amadeu-Antonio-Stiftung, die ihrerseits vielfach in die Kritik geraten ist, weil sie nach Auffassung ihrer Kritiker den Meinungskorridor vor allem im Internet verenge. So hatte der Bundesvorstand der Jungen Union 2016 die Streichung staatlicher Fördermittel an die sich den Themen Gender und Rechtsextremismus verschriebenen Stiftung verlangt und gefordert, sie wegen öffentlicher Aussagen ihrer Vertreter vom Verfassungsschutz prüfen zu lassen. Aktuell wird die Amadeu-Antonio-Stiftung u.a. durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. In diese Kerbe schlägt auch AfD-Stadtrat und Richter Torsten Koschinka, der aus der Mücke einen Elefanten gemacht sieht. Thierse vertrete eine Amadeu-Antonio-Stiftung, die einen „unschätzbaren Beitrag zur Spaltung des Landes“ leiste, während Holger Zastrow (FDP) Thierse einst als „Bundestagsvizepräsidenten untragbar“ erachtete. Eine verheerende Außenwirkung gebe es also nicht, eher einen „Imagegewinn“, zumal Thierse einen Zeitpunkt für den Rückzug gewählt habe, an dem die Arbeit für ihn drohte loszugehen, merkt er in seinem Facebook-Profil an, ehe Koschinka am Dienstag seinen AfD-Austritt erklärte. Der AfD-Landesparteitag hätte bestätigt, dass die Hardliner im Freistaat das Ruder nun in der Hand hätten. Für die Begründung des Austritts gab es bei Facebook auch ein Like... von Lutz Jankus. Sebastian Wippel (AfD) sieht Koschinka so auch weiter in der Fraktion.

Till Scholtz-Knobloch / 14.02.2021

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Kommentare zum Artikel "Bürger für Görlitz: „Görlitzer WählerInnen sind schuld“"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Fritz schrieb am

    Nick Name : volle Zustimmung

  2. Torsten schrieb am

    Sie sollten die Schuld nicht bei den Wähler-innen suchen, sondern in ihrem Verein "Bürger für Görlitz". Nicht ohne Grund kam es zu diesem Ergebnis. Die "Bürger für Görlitz" sind seit je her ein selbstsüchtiger Verein von Selbstdarstellern und mir fällt spontan nichts ein was jemals von diesen geleistet wurde, ausser grosse Töne zu spucken. Die eigentliche Gefahr sind dererlei Leute die keine Ahnung von Demokratie haben. Gut das solche "Undemokraten" verschwinden, kein Verlust. Wie kleine verzogene Kinder, die in ihrer Ehre gekränkt sind. Kann weg... schon lange!

  3. Nick Name schrieb am

    Als Demokrat sollte man demokratisch gewählte Vertreter akzeptieren können. Egal aus welchem Lager sie stammen. So stark sollte die Demokratie schon sein, ansonsten wäre sie es nicht Wert. Immer wieder hört man genau die Leute, die angeblich die größten Demokraten sind sich über die Ergebnisse beschweren. Egal ob es um einen Präsidenten in einem fernen Land geht oder innerdeutsche Wahlergebnisse, welche nicht dem eigenen Geschmack entsprechen. Da merkt man schnell das andere Meinungen nur dann toleriert werden, wenn diese zumindest im groben der eigenen entsprechen.

  4. Mami schrieb am

    So was sinnloses im Moment! Meine Sorgen sehen ganz anders aus. Haben wir nicht mit der Corona Diktatur mehr Probleme? Ich will wieder leben und nicht dahin dümmeln und zu Hause bleiben. Die Kultur und das Leben müssen wieder in Schwung kommen, sodaß man wieder Freude am Leben hat

  5. Joachim Schulze schrieb am

    Sehr geehrter Herr Scholtz-Knobloch, die Überschrift suggeriert ein Zitat, dass es nicht gibt. In unserer umfassenden Stellungnahme gaben wir von der " Verantwortung" der Görlitzer Wähler gesprochen, keineswegs von "Schuld". Das ist eine völlig andere Ebene. Mit freundlichen Grüßen Joachim Schulze

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