Das „gesamtgesellschaftliche Problem“ Worthülsen

„Kein Mensch ist illegal“ – eigentlich behauptet das auch niemand, wenngleich es Menschen gibt, die sich immerhin illegal in Deutschland aufhalten – Plakate bei der Black-Lifes-Matter-Demonstration auf dem Görlitzer Marienplatz. Foto: Matthias Wehnert
Stuttgart/Region. Nach den Ausschreitungen vom vergangenen Wochenende in Stuttgart fand man in der Kommentarleiste der ARD-Tagesschau im Grunde nur solche Zuschriften, die sich mehr als über die Geschehnisse an sich über die Berichterstattung darüber ärgerten.
Unter Anspielung auf die omnipräsenten Black-Lives-Matter-Berichte etwa schrieb einer: „aber das ’Feindbild Polizei’ hat man ja in allen Schattierungen und auf allen Kanälen offeriert bekommen!“, ein anderer betonte: „Das ist nur die Quittung für einen Staat, der sich gern zum Hampelmann macht.“ User „Schwarzseher“ sah zurecht schwarz und formulierte: „Bin gespannt, wann die ersten Vorwürfe gegen die Polizei ertönen, womöglich handelte es sich gar um eine rassistische Polizeikontrolle, nicht wahr?“, denn entsprechende Fragestellungen waren dann kurz darauf Realität. Mit der Lust die Ursachen überall zu suchen, nur nicht da, wo sie naheliegend sind, hat man weite Teile der Bevölkerung bereits aufgestachelt. „Aus der Tatsache, dass es Rassismus und Polizeigewalt gibt, folgt eben nicht, dass jede polizeiliche Maßnahme gegen Schwarze Polizeigewalt und Rassismus ist“, formulierte etwa der bei den Grünen weitgehend in Ungnade gefallene Boris Palmer aus dem Nicht-mehr-Musterländle Baden-Württemberg und erklärte weiter: „Ja, es gibt Probleme mit Rassismus auch bei der Polizei. Aber größer ist in unserem Land mittlerweile das umgekehrte Problem: Junge Männer mit Migrationsvordergrund, die sich von ’Bullen’ nichts mehr sagen lassen wollen, weil sie sich angewöhnt haben, jede Forderung nach Norm-Akzeptanz als rassistisch anzusehen und darin regelmäßig bestärkt werden.“ Und so erweist sie als eigentliche Waffe im Nichtkampf gegen die Alltagsgewalt die verharmlosende Sprache inhaltsarmesliger Worthülsen – etwa von Katrin Göring-Eckardt: „Gewalt kann niemals die Antwort sein“ oder wenn von der Wirklichkeit ertappte Politik-Kollegen einer Antwort mit der Formulierung entfliehen: „Dies ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“. Im Grunde sollte diese Formel der heißeste Anwärter auf das „Unwort des Jahres“ 2020 sein.
Kommentare zum Artikel "Das „gesamtgesellschaftliche Problem“ Worthülsen"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Guten Tag Herr Scholtz-Knobloch,
Kommentar der Redaktion:woher wissen Sie denn so genau, das die Randalierer in Stuttgart alle (!) einen Migrationsvordergrund haben? Weil es Nacht war als die Videos über die Randale gedreht wurden und man Gesichter gar nicht genau erkennen konnte? Genau - der einzige „Fakt“ dazu sind Ihre Vorurteile, die Sie in Ihrem Artikel vortragen. Ich kenne auch weitverbreitete Vorurteile gegenüber Menschen aus Ihrer Region, die man mit „Dunkeldeutsche“ oder „Alternative für Dumme (AFD)“ überschreiben kann. Na wie finden Sie das? Genau - einfach wiederwärtig! (Aber leider für zu viele in Ihrer Region dennoch zutreffend.)
Gewalt mit Polizeigewalt zu begegnen ist das Eine, die gesellschaftlichen Ursachen zu bekämpfen das Bessere. Und da ist das Naheliegenste - wie Sie behaupten - eben nicht das Wesentliche sondern Kommunikation, Aufklärung und Chancengleichheit für alle in DL Lebenden - ob eingeboren oder zugewandert Herr Scholtz-Knobloch.
VG
Im Kommentar ist keine Rede davon, dass „alle“ Randalierer einen Migrationshintergrund hatten, nicht einmal davon, dass die Mehrheit von ihnen einen Migrationshintergrund hatte. Der Kommentar beklagt, dass der Aspekt aus falsch verstandener Rücksichtnahme zu häufig ausgeblendet wird.