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Der Supergau im Schweinestall

Der Supergau im Schweinestall

Ein Mitarbeiter der Firma Vetcon demonstriert zunächst die Betäubung an einem Modellschwein aus Plaste.

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Vor der Einfahrt muss jeder Lkw gründlich gereinigt und desinfiziert werden – dasselbe gilt auch für die Insassen.

Region. Wir erinnern uns: Am ersten Tag der Übung ging es darum, zu verhindern, dass sich die in der Wildnis ausgebrochene Seuche weiter ausbreitet. Dafür stellten Mitarbeiter des Veterinäramtes in einem Waldstück zwischen Schirgiswalde und Weifa Zäune auf. Doch dann stellte sich heraus, dass der Supergau doch eingetreten ist: Die Infizierung des Bestandes eines schweinehaltenden Betriebes. Was geschieht in einem solchen Fall?
Vorab: Sobald in einem Landwirtschaftsbetrieb ASP festgestellt wird, muss der gesamte Bestand getötet werden. Bei der Schweinezucht Pappendorf GmbH & Co. KG, die eine Anlage an der Grenze des Landkreises Bautzen zur Landeshauptstadt Dresden betreibt, wären es im Fall der Fälle 2500 Ferkel, die möglichst schnell und gleichzeitig ohne unnötige Qualen getötet werden müssten. „Denn das steht bei unserem Handeln absolut im Vordergrund: Dass die Tiere nicht unnötig leiden müssen“, betont ein leitender Mitarbeiter der mit den erforderlichen Maßnahmen beauftragten Vetcon GmbH, der nicht namentlich genannt werden möchte. 

Das im niedersächsischen Dinklage ansässige Unternehmen hat sich auf die Seuchenbekämpfung und -prävention spezialisiert und handelt gemäß dem Notfallplan des SMS, von dem „keinerlei Abweichung statthaft“ ist.
Bevor irgendjemand oder irgendetwas auf das Gelände der betroffenen Stallanlage gelangt, baut Vetcon eine Schleuse auf. In dieser müssen sich sowohl Fahrzeuge als auch Personen einer gründlichen Säuberung und Desinfektion unterziehen. Die an der Tötung der Schweine beteiligten Mitarbeiter entkleiden sich im Schleusencontainer „bis auf die Unterhose“ und ziehen Spezialkleidung an, die nach dem Einsatz verbrannt wird. „Denn natürlich müssen wir mit allen Mitteln sicherstellen, dass das Virus nicht aus dem betroffenen Stall gelangen kann.“ Die Tötung selbst kann auf verschiedene Arten erfolgen: Mit Gas oder – und dies ist die gängige Methode – mit elektrischem Strom. „Dazu führen wir die Schweine einzeln oder in Gruppen direkt aus den Ställen in eine spezielle Box, wo den Tieren die Elektroden angelegt werden“, erläutert der Vetcon-Mitarbeiter das weitere Verfahren. Zunächst wird der Strom auf den Kopf gegeben, um das Schwein zu betäuben. Erst danach erfolgt die Tötung durch Stromzufuhr zum Herzen: „Betäuben-Kontrollieren-Töten – nur mit diesem Vorgehen können wir den Anforderungen des Tierschutzes genügen.“ Die Stromstöße zum Kopf und zum Herzen dauern jeweils acht Sekunden, mehr als für die Tötung unbedingt erforderlich wäre: „Um absolut sicher zu gehen.“ 
Von der Tötung im Schlachthof unterscheidet sich das Verfahren fundamental, denn: „Hier soll das Fleisch ja nicht mehr zum Verzehr gelangen.“ Es gibt auch keinerlei Blutaustritt. Die Kadaver werden zur Tierkörperbeseitigungsanlage in Lenz (Landkreis Meißen) gebracht und dort sicher entsorgt.
Vor und nach der Tötungsaktion haben auch die zuständigen Ämter alle Hände voll zu tun. „Der Befall wurde festgestellt, nachdem der Eigentümer eine ungewöhnliche Häufung von Todesfällen unter den Ferkeln festgestellt hatte“, erläutert die Leiterin des Dresdener Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes, Kerstin Normann, das Szenario. Nachdem die erforderlichen Untersuchungen einen positiven Befund erbracht hatten, erging eine „Tötungsanordnung“, wie es im besten Amtsdeutsch heißt. Gleichzeitig beginnen im Ernstfall umfangreiche Ermittlungen im betroffenen Betrieb, die vor allem einem Ziel dienen: Herauszufinden, wie der Virus in den Bestand hinein gelangen konnte. „Denn natürlich zählt Hygiene auch im Normalbetrieb zu den wichtigsten Anforderungen“, wie die Amtsleiterin betont. Jede Ein- und Ausfahrt eines Lkws, ja überhaupt jeden Besucherverkehr der zurückliegenden Wochen nehmen die Amtstierärzte penibel unter die Lupe. Auch die Tötung der Schweine muss von ihnen überwacht werden. 

Wie dringend nötig eine solche Übung gerade zu dieser Zeit – amtsintern war von „Schwei(h)nachten“ die Rede – ist, zeigt die aktuelle Entwicklung in Polen: „Die Afrikanische Schweinepest ist bis auf circa 40 Kilometer an die deutsche Grenze herangerückt ist“, so Verbraucherschutzministerin Barbara Klepsch. Viele Experten sehen es nur als Frage der Zeit, bis das Virus die Neiße überwindet. Dabei kann jeder dazu beitragen, dass es nicht dazu kommt: „Die größte Gefahr für die Einschleppung der ASP geht vom Menschen aus, etwa durch weggeworfene Lebensmittel in der Natur oder an Autobahnraststätten“, betont die Ministerin. Mit der Nutzung von verschließbaren Mülltonnen wäre schon viel gewonnen. 

Uwe Menschner / 17.12.2019

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