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Die drei Wunder 
von Königsbrück

Die drei Wunder 
von Königsbrück

Auf die Freundschaft: Werner Lindner vom Königsbrücker Heimatverein schenkt Valentin Bobukh und Torsten Möbius ein.

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Auch nach 50 Jahren haben die Ereignisse von damals für Torsten und Valentin nichts von ihrer Emotionalität eingebüßt.

Torsten Möbius wurde als Eineinhalbjähriger von einem Soldaten der Sowjetarmee gerettet. Nach 50 Jahren trafen sich beide wieder.

Königsbrück. „Da stehe ich nun hier, der kleine Junge von damals, und begreife erst jetzt richtig, was damals geschehen ist.“ Es sind bewegende Momente, die sich an diesem Vormittag im Königsbrücker Ratssaal abspielen. Der kleine Junge von damals – sein Name lautet Torsten Möbius – ist heute ein gestandener Mann von 51 Jahren mit ergrauten Haarspitzen.

Dass er heute hier stehen kann, verdankt er seinem ganz persönlichen Schutzengel. Dieser trägt – anders als es Schutzengel gewöhnlich tun – einen Namen, und der lautet Valentin. Und genau wie es seine legendären Kollegen zu allen Zeiten getan haben, war Valentin zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort, um seinem Schutzbefohlenen das Leben zu retten. Genau so schnell wie er gekommen war verschwand er wieder.
Nun gut, man kann die Geschichte auch ein wenig prosaischer erzählen. Dann geht sie etwa so: Eines Morgens war der knapp zweijährige Torsten für kurze Zeit allein zu Haus. Die wenigen Minuten, die seine Mutter benötigte, um dem Opa ein Schälchen Erdbeeren zu bringen, genügten dem Jungen, um aus dem Fenster zu klettern.
Draußen angelangt, geriet er prompt ins Rutschen und landete – Wunder Nummer 1 – auf einem Schneefanggitter. Dort hätte er mit etwas Glück eine Weile sitzen können, vielleicht aber auch nicht. Denn das Gitter war marode und hätte jeden Moment herabstürzen können. Und mit ihm das des Haltes beraubte Kind. Die Folgen kann man sich leicht ausmalen.

Doch da geschah Wunder Nummer 2, und Schutzengel Valentin Bobukh trat auf den Plan. Er war einer von zehntausenden zu DDR-Zeiten in Königsbrück stationierten sowjetischen Soldaten und kam zufällig des Weges. „Als ich den Jungen da oben sah, gab es für mich nur noch einen Gedanken: Ich muss ihn retten.“ Unter Einsatz seines eigenen Lebens kletterte der Soldat dem Jungen hinterher, bekam ihn zu fassen und zog ihn durchs Fenster zurück in die elterliche Wohnung. Ein Kamerad half ihm dabei.

„Die Deutsch-Sowjetische Freundschaft stand zwar in den Lehrbüchern der DDR ganz weit oben, doch sobald sie konkrete Züge annehmen sollte, wurde es schwierig.“

Werner Lindner vom Königsbrücker Heimatverein kennt die jüngere, hauptsächlich vom Militär geprägte Geschichte seines Städtchens wie kaum ein Zweiter. Und so weiß er auch, dass freundschaftliche Kontakte zwischen den hier stationierten sowjetischen Soldaten und der Stadtbevölkerung nicht erwünscht waren. Valentin kehrte in seine Heimat zurück, und Torsten lernte seinen Schutzengel nur vom Hörensagen kennen.
Bis zu der Zeit, in der sich die dramatischen Ereignisse, die sich im Jahre 1968 abgespielt hatten, zum 50. Male jähren sollten. Durch einen Zufall – Wunder Nummer 3 – gelang es Retter und Gerettetem, Kontakt miteinander aufzunehmen. Und so kam es, dass Valentin Bobukh den 50. „zweiten Geburtstag“ von Torsten in Königsbrück verbringen konnte. Eingeladen von Familie Möbius und mit einem Festakt geehrt durch die ganze Stadt. „Gerade in Zeiten wie diesen, wo man gern wieder das Trennende in den Vordergrund stellt, ist es gut an dieses Ereignis zu erinnern“, so Bürgermeister Heiko Driesnack (CDU).

„Letztendlich sind wir alle nur Menschen, und etwas anderes hat auch für Valentin in diesen Momenten nicht gezählt.“

Uwe Menschner / 27.06.2018

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