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Die Wahlergebnisse aus der Niederschleischen Oberlausitz

Die Wahlergebnisse aus der Niederschleischen Oberlausitz

Im Ersten (ARD) wurde in mehreren Schalten am Wahlabend aus Görlitz berichtet, weil die Stadt traditionell als AfD-Hochburg besondere Aufmerksamkeit genießt. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Landkreis Görlitz. Die EU-Wahl im Landkreis Görlitz ergab, dass regional praktisch nur noch AfD, CDU und – die Linken quasi fast ersetzend – das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – politische Größen sind.

Die bundesweit abgestürzten Grünen wurden auf der Internetseite des Statistischen Landesamtes um 20.30 Uhr nicht einmal mehr unter den sechs führenden Parteien gelistet und damit zunächst unter „Sonstige“ geführt. Erst als nach ländlichen Stimmgebieten städtische hinzukamen, „verbesserten“ sich die Grünen letztlich im Landkreis auf 2,8 Prozent – noch hinter den gerupften Linken mit 3,3 Prozent und der nicht minder marginalisierten SPD mit 4,4 Prozent. 
Mit 40,1 Prozent ließ die AfD die CDU (23,7 Prozent) vor der Landtagswahl am 1. September bereits erzittern. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hängte mit 12,3 Prozent ihre Mutterpartei – die Linke – so weit ab, dass man zwischen Bad Muskau und Oybin im Grunde von ihrem Abgesang sprechen kann.

Der neue Stadtrat in Görlitz

Das stellte sich bei der Stadtratswahl am Kreissitz Görlitz nur deswegen anders dar, da das noch im Aufbau befindliche BSW den Linken hier (noch) gänzlich das Feld überließ.

Von den 76.564 Stimmen für den Stadtrat abgegebenen Stimmen (jeder durfte drei Kreuze für Kandidaten setzen) entfielen unglaubliche 22.980 auf Sebastian Wippel (AfD) als einen der 38 gewählten Stadträte. In Stimmenreihenfolge vervollständigen seine Fraktion: Jens Jäschke (928 Stimmen) Jakob Garten (866), Lutz Jankus (562), Peter Stahn (405), Detlef Lothar Renner (404), Dietrich Kuhn (351), Dennis Kentsch (308), Roland Götze (269), Roland Schwalm (248), Katharina Poplawski (211), Wolfgang Duschek (192), Miriam Socha (191) und Gerald Rosal (185).

Für die CDU holte Helmut Goltz mit 3.794 Stimmen das beste Ergebnis noch vor Spitzenkandidatin Christiane Schulz (3.076). Dabei sind ferner Prof. Willi Xylander (1.323), Johann Wagner (1.301), Cornelia Effenberger-Nitzsche (991), Andreas Zimmermann (974), Matthias Urban (902), Matthias Schöneich (874), Dieter Gleisberg (810) und Gabi Kretschmer (760).

Für die Bürger für Görlitz (BfG) wurden Dr. Hans-Christian Gottschalk (1.904), Dr. Rolf Weidle (1.598), Yvonne Reich (1.540), Karsten Günther-Töpert (1.051) und Rainer Stefan Bley (709) gewählt. Motor Görlitz wird durch Mike Altmann (2.330), Danilo Kuscher (862) und Andreas Kolley (819) vertreten. Die nicht vom BSW herausgeforderte Linke stellt mit Jana Lübeck (1.010) und Mirko Schultze (986) dennoch nur zwei Stadträte, ebenso wie die Grünen mit Dr. Jana Krauß (992) und Kristina Seifert (512). Für die SPD ist alleinig Silvio Minner (526) Ratsherr, die Einsamkeit schlägt auch bei dem Mann von der B6, Burkhard Hasenfelder ,(784 Stimmen) zu, denn Sebastian Wippel hat bereits angekündigt, dass der Neuling vom Bündnis Oberlausitz (Freie Sachsen) nicht in die AfD-Fraktionsgemeinschaft aufgenommen werde.

Niesky, Rothenburg und Reichenbach

Am alten Kreissitz Niesky sind vier Gruppierungen im Stadtrat vertreten: Die AfD mit sieben Vertretern, das Bündnis H.E.R.Z. mit vier sowie CDU und Bürgerbewegung Niesky jeweils mit drei. Die meisten Stimmen holte mit 1.729 deutlich Hagen Schulze (AfD). Hingegen hatte in Rothenburg die CDU vor der AfD die Nase vorn. CDU und AfD spricht man fern der Zentrale Görlitz allerdings auch unaufgeregte Koexistenz zu, so dass der Trotzeffekt sicher schwächer zu Buche schlug. Reichenbach konnte mit dem Erstplatzierten URBI e.V. (36,5 Prozent) noch einen Trend gegen den Druck des Parteienbekenntnisses setzen. AfD (29,4 Prozent) und CDU (18,7) bleiben hier kommunal deutlich im Hintertreffen, Unabhängige erhielten 15,4 Prozent.

Mehrheitsfindungen im Kreistag schwierig

Landrat Dr. Stephan Meyer zeigte sich gegenüber Radio Lausitz besorgt über das Ergebnis der Kreistagswahl und sagte wörtlich: „Es gibt keine klaren Mehrheitsverhältnisse. Da wird es bei bestimmten Entscheidungen eng werden.“ Zwölf verschiedene Gruppierungen werden künftig in diesem Gremium vertreten sein.

31 der 86 Sitze entfallen auf die AfD. Die CDU erhält 20 Sitze, die Freien Wähler zehn, und das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ neun. Die übrigen acht Parteien und Gruppierungen verfügen jeweils über maximal drei Mandate. Letzteres gilt für Linke und Grüne, zwei Vertreter wird die SPD stellen, die Wählergemeinschaft für Kinder, Jugend und Familie (KJiK), die Bürger für Görlitz und das Bündnis Oberlausitz/Freie Sachsen. Ein Mandat geht jeweils an die FDP und die Freien Wähler Zittau. „Sonstige“ machen mit 11.96 Prozent also einen erheblichen Umfang aus.

Die AfD erzielte bei der Görlitzer Kreistagswahl 36,1 Prozent der Stimmen, die CDU 23,6, die Freien Wähler 11,7, das BSW 10,4, Linke 3,3 und Grüne 3,1 Prozent. Das beste AfD-Ergebnis steuerte weit und breit wieder Neißeaue – dies aber bei der Europawahl – 56,0 Prozent. 

Zu diesem Text gab es im Niederschlesischen Kurier vom 15. Juni den Kommentar "Neue Trendsetter" vom gleichen Autoren

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer führte den Erfolg der AfD bei jungen Wählern auf Facebook auf die „irreguläre Migration“ zurück, denn „die allein eingereisten jungen Männer verändern vor allem das Lebensumfeld junger Menschen. Im Park, im Club, auf der Straße, im Bus, im Bahnhof, auf dem Schulhof.“ Ihre Angst werde aber „als Rassismus diskreditiert“. Es komme für sie einfach nicht in Frage, eine Partei zu wählen, die einem einzureden versuche, man selbst sei das Problem.
Wer hingegen als gereifter Erwachsener erlebt, dass im Zeichen des Finanzkollaps die Personalkosten des Freistaates Sachsen mit 96.000 Bediensteten (sic!) auf die Rekordsumme von 5,2 Milliarden Euro gestiegen sind, der Rechnungshof dies tadelt und dennoch ständig neue Stellenforderungen aus der Politik zu hören sind, der lässt sich ebenso nicht einreden, er zeige an der Wahlurne Verantwortungsdefizite.
Arbeiter wählen heute zu 12 Prozent die SPD und zu über 30 Prozent AfD. Dieser Logik folgend entziehen sich die Gewerkschaften mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen den Boden ihres eigenen Milieus, was gut versorgten Apparatschiks ebenso wenig etwas ausmacht wie über das auch ohne Kirchensteuer dank Konkordat abgesicherte System mahnende Amtskirche. Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt formulierte angesichts von so viel Selbstbetrug nach der Wahl: „Dieses Land ist nicht gespalten, dieses Land steht in überwältigender Einigkeit gegen die Bundesregierung.“ Die rührt sich nicht, weil die Aktivisten der Tagesschau das nicht vermelden.
Da ist Michael Kretschmer in Sachsen von einem anderen Schlag. Er erkennt solche Zusammenhänge, macht aber doch mit, weil die bitteren Wahrheiten für den September zu bedrohlich sind. Die CDU betont in Sachsen gerne, nicht mit Linken regieren zu werden. Aber das braucht sie ja vermutlich gar nicht mehr, wenn man mit ’ein bisschen Frieden’ viele Wähler zum BSW lockt, ohne jedoch Wagenknecht’sche Antifa-Unterstützungsdogmatik abzuwerfen. Weiterregieren geht also auch mit wenig Rückhalt.
Die Frage ist nur, wie lange dauert der Erkenntnisprozess, dass Menschen gar nicht so dumm sind, wie man ihnen unterstellt. In Kommunalparlamenten hat es manche verdiente Größen erwischt. Schaut man in die Gemeinderäte, finden sich häufig hohe Stimmzahlen bei denen, die durch „Enthüllungen“ zu offensichtlich rausgekegelt werden sollten, siehe Thomas Christgen in Niesky oder Jakob Garten in Görlitz. Das mobilisiert den Trendsetter „Selbstdenker“.

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