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Ein Stück Preußen in Sachsen – noch lange?

Ein Stück Preußen in Sachsen – noch lange?

Zwei, die sich verstehen: Dr. Johannes Ansorge weiß viel über Albrecht Graf von Roon und seine Zeit zu berichten.

In Schloss Krobnitz wird an ein ganz besonderes Kapitel Oberlausitzer Geschichte erinnert. Allerdings gibt es ein paar Fragezeichen für die Zukunft.

Alternativer Text Infobild

Bei genauerem Hinsehen erkennt man die Parallelen zwischen Schloss Krobnitz und seinem Vorbild, dem Berliner Kriegsministerium.

Krobnitz. Dem preußischen Kriegsministerium in Berlin soll es nachempfunden sein, das Schloss im idyllisch gelegenen Krobnitz. Immerhin war sein berühmtester Besitzer, Albrecht Graf von Roon (1803 bis 1879), fast 15 Jahre lang preußischer Kriegsminister gewesen, bevor er 1873 das Gut in der Nähe des damals preußischen Görlitz, nur wenige Kilometer von der sächsischen Grenze entfernt, erwarb.

Wer allerdings Zeichnungen oder auch Fotografien des vermeintlichen Vorbilds betrachtet, muss schon genauer hinsehen. Denn darauf sieht man erst einmal eine weitläufige, repräsentative Häuserfront, die sich entlang der Leipziger Straße erstreckt. Gar nichts scheint zunächst an das romantisch wirkende, von Bäumen umgebene klassizistische Landhaus mit seinem Türmchen zu erinnern, in dem Graf von Roon seine letzten Lebensjahre verbrachte. Oder doch? „Sehen Sie das Flachdach und die es umgebende Balustrade“, rät Museumsführer Dr. Johannes Ansorge dem Betrachter. „Und auch die Fassadengestaltung weist viele Bezüge auf.“ Tatsächlich: Mithilfe des Fachmanns erschließt sich, dass Roon seinen Ruhestand in einem Haus verleben wollte, das ihn – wenn auch ein paar Nummern kleiner – an seine letzte Arbeitsstätte erinnerte.

„Ein Stück Preußen in Sachsen“ – so wird Schloss Krobnitz heute von seinem Nutzer, dem Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund, beworben. „Wobei man sich immer darüber im Klaren sein muss, dass dies hier nicht immer Sachsen war“, wie Johannes Ansorge zu bedenken gibt. Nach dem Wiener Kongress 1815 musste Sachsen, das auf der Seite Napoleons gegen Preußen gekämpft und verloren hatte, erhebliche Teile seines Territoriums an den großen Nachbarn abgeben. So wurde beispielsweise Bautzen über Nacht für die nunmehr preußischen Görlitzer zum Ausland, und die Bewohner von Krobnitz mussten schon die Grenze überschreiten, wenn sie nur ins fünf Kilometer entfernte Weißenberg gelangen wollten.

Vor diesem geschichtlichen Hintergrund spielt sich ab, was heute das Besondere von Schloss Krobnitz als Museum ausmacht: Die Geschichte des zeitweise unter preußischer Herrschaft stehenden Teils der Oberlausitz unter besonderer Würdigung der Person des Albrecht Graf von Roon.

„Wir stehen in engem Kontakt mit einigen seiner Nachfahren, die uns in unserer Arbeit unterstützen und Leihgaben zur Verfügung stellen“, betont Anja Köhler vom Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund. In ihren Grundzügen besteht die Dauerausstellung seit 2006. Sie gibt einen umfassenden Überblick über die Person des Grafen von Roon und seinen zeitgeschichtlichen Hintergrund. Bis 2023 – dem 150. Jahrestag der Übernahme des Gutes Krobnitz durch den früheren preußischen Kriegsminister – soll die Ausstellung neu gestaltet werden. „Wir wollen sie zeitgemäßer präsentieren und vergrößern“, erklärt Anja Köhler.

Alternativkonzept ohne Mitwirkung des Nutzers

Inwieweit dabei die Vorschläge eines von dem Oberlausitzer Historiker Lars-Arne Dannenberg erstellten Konzeptes für eine Neuprofilierung der Ausstellung zum Tragen kommen, ist noch nicht abschließend geklärt. Dieser hatte eine „neue inhaltliche Ausrichtung, die nicht nur familienfreundlicher werden muss, sondern auch viel stärker die Lage im Dreiländereck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien berücksichtigt“, empfohlen. Konkret ist in diesem Zusammenhang von einem „Oberlausitzer Landesmuseum“ die Rede. Dannenberg hatte das Konzept im Auftrag der Stadt Reichenbach erstellt, die Eigentümerin des Schlosses ist. „Leider hat man uns dabei nicht einbezogen“, bedauert Anja Köhler vom Museumsverbund. Sonst hätte sie berichten können, dass es gerade die Fokussierung auf von Roon und die preußische Geschichte der Oberlausitz ist, die viele Besucher anzieht. „Diese Ideen sind nicht von der Hand zu weisen, sie weiten den Blick“, ergänzt Johannes Ansorge. Vielleicht lässt sich ja beides zu einer Einheit schmieden – doch das geht natürlich nur, wenn alle Beteiligten zusammen daran wirken.

Die Stadt Reichenbach als Eigentümerin ist auch für den baulichen Erhalt des Schlosses zuständig. Seit der letzten Sanierung, die vor 15 Jahren ihren Abschluss fand, hat sich schon wieder einiger Handlungsbedarf angestaut, vor allem an der Fassade. Größere Investitionen sind in nächster Zeit nicht zu erwarten, da die finanziellen Mittel sehr begrenzt sind. Dies zumindest war der Tenor einer Stadtratssitzung im Frühjahr 2020, in der es um die Zukunft von Schloss Krobnitz ging.

Der Kleine Lord kommt – und Napoleon

Die Nutzung von Schloss Krobnitz beschränkt sich nicht auf die Dauerausstellung. Stark tragen auch die Sonderausstellungen zum musealen Erfolg bei, zuletzt zum Beispiel die Ausstellung „Oberlausitz 2060“, die aufzeigt, wie sich die Oberlausitzer die Zukunft ihrer Region vorstellen. Die nächste (voraussichtlich ab dem 6. Juni 2021) dreht sich um die weltbekannte Geschichte vom Kleinen Lord, ebenfalls für 2021 ist im Park eine Napoleon-Ausstellung vorgesehen. In Schloss Krobnitz finden auch Trauungen statt, und die zum Gutsensemble gehörende Schmiede bietet (so Corona will) Platz für Veranstaltungen und Konzerte im etwas größeren Rahmen, wobei besonders die Kammermusikreihe überregional ausstrahlt. Einen weiteren wichtigen Bestandteil der Anlage bildet die von Roon’sche Gruft im Park, in der mehrere Mitglieder der Familie ihre letzte Ruhestätte fanden.
 

Uwe Menschner / 04.02.2021

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