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Lokalpolitiker analysieren Wahlausgang

Lokalpolitiker analysieren Wahlausgang

Die Landtagswahl in Sachsen genoss bundesweit eine hohe Aufmerksamkeit. Foto: RK

Region. Der Freistaat Sachsen hat einen neuen Landtag. Dem vorläufigen Ergebnis zufolge kommt die CDU auf 32,1 Prozent. Es folgt die AfD, die 27,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Die weiteren Ergebnisse: Bündnis 90/Die Grünen 8,6 Prozent, Linke 10,4 Prozent, SPD 7,7 Prozent, FDP 4,5 Prozent (Quelle: infratest dimap). Demzufolge ist eine Regierung aus CDU, Grünen und Sozialdemokraten rechnerisch möglich. Für eine Große Koalition reicht es hingegen nicht mehr. Unabhängig davon werden AfD und Linke aller Voraussicht nach keine Regierungsverantwortung übernehmen können. Einer Zusammenarbeit mit beiden Parteien erteilte Ministerpräsident Michael Kretschmer, dessen CDU die stärkste Fraktion im künftigen Landtag stellt, noch am Wahlabend vor laufenden Fernsehkameras erneut eine Absage.

Felix Muster, der für die Linkspartei im Wahlkreis Bautzen 1 antrat, sagte indes dem Oberlausitzer Kurier: „Ich halte eine Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD am wahrscheinlichsten, da andere Konstellationen ausgeschlossen wurden.“ Parteigenosse Heiko Kosel, der im Nachbarwahlkreis Bautzen 5 als Direktkandidat auf Stimmenfang ging, meinte: „Die Wahlmathematik und die derzeitigen Äußerungen des Ministerpräsidenten legen das nahe. Aber das ist ein offener Prozess, wie schon die Koalitionsverhandlungen in Berlin nach der vergangenen Bundestagswahl gezeigt haben. Zunächst müssen die Menschen in der Region damit rechnen, dass es für sie schwieriger wird, ihren Forderungen und Anliegen in Dresden Gehör zu verschaffen, da es zu einer Reduzierung der Abgeordneten vor Ort gekommen ist.“ Damit spielt der Jurist auf die Zusammenstellung der einzelnen Landeslisten an. Er selbst war als einziger Sorbenvertreter seiner Partei auf Listenplatz 60 verbannt worden. Bei dem erzielten Wahlergebnis der Linken ein quasi unmögliches Unterfangen, nochmals den Einzug in den Landtag zu schaffen.

Mitbewerber Siegfried Kühn von den Bündnisgrünen vertritt hingegen die Ansicht, dass viele Leute taktisch gewählt haben. „Insofern hat die CDU ihr zufriedenstellendes Ergebnis nicht unwesentlich Leuten zu verdanken, die eigentlich Grün und SPD gewählt hätten. Ich hoffe, die Christdemokraten vergessen dies in den kommenden fünf Jahren nicht.“

Die wollen laut Marko Schiemann, der am Ende gegen den AfD-Spitzenkandidaten Jörg Urban sein Direktmandat verteidigen konnte, an diesem Samstag während einer Sondersitzung des Landesvorstandes darüber entscheiden, mit wem Sondierungsgespräche aufgenommen werden sollen. „Uns ist daran gelegen, so schnell wie möglich eine Regierung auf die Beine zu stellen – auch im Interesse des Freistaates“, meinte der Bautzener. Denn wie betonte Ministerpräsident Kretschmer bereits im Interview mit unserer Zeitung: „Die Lausitz hat in den kommenden zwei Jahrzehnten die größten Chancen, die sie jemals gehabt hat. Sie ist von allen Regionen diejenige, die am meisten darauf angewiesen ist, dass es eine handlungsfähige Regierung gibt.“ Dabei sei das A und O, in der künftigen Koalition über Kompromisse nachzudenken und diese am Ende auch in die Tat umzusetzen, fügte Marko Schiemann hinzu.

„Für uns Grüne ist es natürlich immer zu wenig, um die anstehenden großen Aufgaben angehenden zu können“, erklärte indes Siegfried Kühn vom möglichen Bündnispartner Grüne. „Denn weder CDU noch SPD und auch die FDP haben Politik-Konzepte, die den Anforderungen der Zukunft auch nur annähernd genügen würden.“ Trotz des Ergebnisses unterhalb der Erwartungen befände sich seine Partei bezüglich der anstehenden Koalitionsgespräche in keiner so schlechten Ausgangsposition. „Ich hoffe, dass sich am Ende ein für beide akzeptables Ergebnis erreichen lässt.“ Und darauf bauen am Ende auch die Menschen, die aufgrund des Strukturwandels in der Lausitz in den kommenden Jahren mit Einschnitten in ihren Lebensläufen rechnen müssen. „Wir haben 17 Milliarden Euro, einen Sonderverkehrswegeplan, das Planungsbeschleunigungsrecht, auf dessen Umsetzung wir bestehen, und Behörden, die in der östlichen Region angesiedelt werden“, zählte Michael Kretschmer einige wesentliche Punkte auf, die bisher für die sächsische Lausitz ausgehandelt wurden. Das komme einer Sonderwirtschaftszone gleich.

Marko Schiemann spricht hingegen davon, dass es durchaus mehr Geld bräuchte, um dem Landstrich zwischen Dresden und der deutsch-polnischen Staatsgrenze eine dauerhafte Perspektive zu geben. Gern hätte er es begrüßt, wenn in den kommenden Jahrzehnten bis zu 60 Milliarden Euro allein für dessen Entwicklung bereitgestellt würden. Denn es sei viel zu tun. Nicht nur für ihn steht fest, dass die Bahnlinien Görlitz – Dresden und Görlitz – Cottbus so schnell wie möglich unter Strom gesetzt werden müssen. „Ich hoffe, dass wir zu einem baldigen Ausschreibungsverfahren kommen“, sagte der 64-Jährige in dem Zusammenhang. Darüber hinaus habe in Hinblick eines zunehmenden Verkehrsaufkommens der Ausbau der A 4 zügig zu erfolgen. Auch solle dem Wunsch vieler Menschen nach der Errichtung weiterer Radwege Rechnung getragen werden. Im Raum Weißwasser seien Bund und Land gefordert, wenn es darum geht, die Infrastruktur zukunftstauglich zu machen. Damit spielte der Landtagsabgeordnete wohl auch auf die Erweiterung der B 178 an, die von Zittau aus kommend derzeit vor Weißenberg endet. Eigentlich sollte die Schnellstraße schon längst das Dreiländereck mit der ebenfalls auszubauenden Autobahn A 4 verbinden.

Inwieweit das mit den Grünen als möglicher Koalitionspartner gelingen kann, bleibt abzuwarten. „Unsere Ziele haben sich nach der Wahl nicht geändert“, stellte Siegfried Kühn klar. „Dringend ist es, die Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren und zu stoppen, denn die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich auch in unserer Region mit jedem Tag deutlicher. Dazu gehört es vor allem, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern, die Mobilität gänzlich neu zu organisieren und vor allem auch energiesparende Technologien umzusetzen.“

Die Liberalen, die den Wiedereinzug in den Landtag knapp verpassten, warnen unterdessen vor einem weiteren Linksruck im Freistaat. „Die CDU wird auf den Merkel-Kurs einschwenken und weiter nach Links rutschen“, zeigt sich Mike Hauschild überzeugt, der im Wahlkreis Bautzen 5 für die FDP antrat. Gleichzeitig warnte er: „Die AfD wird es noch mehr stärken und die Bürger werden es mit höheren Belastungen, mit mehr unsinnigen Vorschriften und teuren Auflagen bezahlen müssen. Die Grunderwerbsteuer und die Grundsteuer wird steigen, die Lausitz wird verlieren.“

Bis zum 1. Oktober muss sich der neue Landtag konstituiert haben. Als gewählte Direktkandidaten vertreten fortan Sachsens CDU-Chef und Ministerpräsident Michael Kretschmer (Görlitz 2), der Christdemokrat Stephan Meyer (Görlitz 4), sein Parteifreund Marko Schiemann (Bautzen 5), Aloysius Mikwauschk (Bautzen 2), ebenfalls CDU, sowie die AfD-Männer Frank Peschel (Bautzen 1), Mario Kumpf (Görlitz 3) und Roberto Kuhnert (Görlitz 1) die Belange der Menschen im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung.

Am vergangenen Sonntag waren insgesamt 3,3 Millionen Wahlberechtigte im Freistaat zum Urnengang aufgerufen. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl ließ sich eine höhere Wahlbeteiligung verzeichnen. Demnach lag sie bei 66,6 Prozent. 2014 betrug sie noch 49,1 Prozent. Die Legislaturzeit in Sachsen beträgt fünf Jahre.

Roland Kaiser / 08.09.2019

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Kommentare zum Artikel "Lokalpolitiker analysieren Wahlausgang"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Erhard Jakob schrieb am

    … und die Entscheidung, ob die Nichtzulassung von AfD-Kandidaten zur Landtagswahl rechtens war oder nicht, sollten souveräne und integere Richter entscheiden. Sie haben mehr Ahnung von der Materie als wir juristische Leien!

    Obwohl, gesunde Menschen haben in aller Regel auch ein gesundes Rechtsempfinden!

  2. Erhard Jakob schrieb am

    Das Analysieren des Wahlausgangs sollten die Politiker lieber den Wählern überlassen! Die verstehen mehr davon!

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