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Muslimbruderschaft streckt Fühler aus

Muslimbruderschaft streckt Fühler aus

Wollte sich offenbar in der Muskauer Straße einmieten: die Sächsische Begegnungsstätte SBS. Ihr werden Verbindungen zur radikalen Muslimbruderschaft nachgesagt. Foto: RK

In anderen Erdteilen wird sie als Terrororganisation gehandelt, hier zu Lande streckt sie immer weiter die Fühler aus. Die radikale Muslimbruderschaft hat scheinbar einen Weg gefunden, um auch im Freistaat neue Mitstreiter zu rekrutieren. In Bautzen allerdings musste sie den Kürzeren ziehen.

Bautzen. Er polarisierte und machte gleichzeitig nachdenklich: Ein kurz vor der Bundestagswahl in der Spreestadt kursierender Handzettel beschäftigt Monate später noch immer die Ermittler. In dem im September 2017 angeblich von Oberbürgermeister Alexander Ahrens verfassten Schreiben wurde der Bau einer Moschee angekündigt. Umgehend stellte das Stadtoberhaupt in einer Mitteilung klar, dass es sich bei dem Papier um eine Fälschung handele und er gegen den Urheber Strafanzeige erstatten werde. Was zu dieser Zeit offenbar nur die wenigsten wussten: Die vom Inlandsgeheimdienst beobachtete Muslimbruderschaft wollte tatsächlich in Bautzen Fuß fassen. Das räumte Alexander Ahrens jetzt in der letzten Stadtratssitzung ein. Demnach habe es Pläne gegeben, in der Stadt ein Kulturzentrum zu etablieren. „Nach Kontakten des Oberbürgermeisters mit dem Verfassungsschutz zu diesem Thema wurde der potenzielle Vermieter durch uns informiert“, teilte Rathaussprecher André Wucht auf Anfrage dem Oberlausitzer Kurier mit. Er habe daraufhin von einer Mietvereinbarung Abstand genommen. „Im Anschluss informierte der OB alle Bautzener Vermieter und Immobilienunternehmer schriftlich über den Tatbestand.“

Die Oberlausitz im Visier von radikalen Islamisten

Das Landratsamt war eigenen Angaben zufolge ebenfalls über dei Vorgänge in der Kommune in Kenntnis gesetzt worden. Dabei sind die Bestrebungen der islamistischen Vereinigung nicht neu, wie FDP-Mann Mike Hauschild weiß. Bereits seit 2016, so habe es die Verwaltung an die Stadträte herangetragen, versuchen die Muslimbrüder eine Immobilie in Bautzen zu erwerben. Der Liberale kann nur davor warnen, mit den Islamisten einen Kontrakt einzugehen: „Wenn private Verträge geschlossen werden, sind wir machtlos in unserer eigenen Stadt.“ Steffen Grundmann von der Linkspartei arbeitet mit muslimischen Flüchtlingen zusammen. Er sagt: „Ohne die Information der Migranten zu den Bemühungen eines gewissen Herrn Elgazar wäre es höchstwahrscheinlich still und leise zum Mietvertrag gekommen.“

Der Sächsische Verfassungsschutz beobachtet schon seit Längerem das Treiben des aus Karlsruhe stammenden Doktors der Physik und gebürtigen Syrers.

In Dresden gründete er im Zuge des Flüchtlingsstromes die Sächsische Begegnungsstätte SBS, die seitdem ihre Fühler ins Umland von Elbflorenz ausstreckt und deren Geschäftsführung nach Einschätzung der Schlapphüte im Internet Positionen der Muslimbruderschaft verbreitet. Im Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz, der im Sommer 2017 veröffentlicht wurde, nimmt die Behörde wie folgt Stellung zur SBS: „Mit der ‚Sächsischen Begegnungsstätte gUG’ ist eine Struktur in Sachsen entstanden, bei der tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie über Kontakte zur bereits 1928 in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft und der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V., der bedeutendsten und zentralen Organisation der Muslimbruderschaft in Deutschland, verfügt. Beide Organisationen – MB und IGD – werden durch das LfV Sachsen wie auch von den anderen Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundesamtes für Verfassungsschutz beobachtet, da sie sich als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten.“ Die Aussagen der SBS, einen unpolitischen Islam vertreten zu wollen und sich zu demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien zu bekennen, erscheinen der Behörde nicht glaubhaft. „Insbesondere unter Berücksichtigung der bekannten Doppelstrategie der Muslimbruderschaft, nach der in der Öffentlichkeit jegliche Verbindungen zur MB verschleiert und wenn nötig auch geleugnet werden, sind demokratiefreundliche Aussagen lediglich strategischer Natur und können als Schutzbehauptung gewertet werden“, wie sich dem Verfassungsschutzbericht weiter entnehmen lässt.

Gefahr vorerst abgewendet?

Die SBS hingegen beteuert über ihren Sprecher Muhammed Ronald Wellenreuther, der eigenen Angaben zufolge Ende der 90er Jahre zum Islam konvertierte und es vermeidet, auf Fragen zu einer Verbindung der Dresdener zur Muslimbruderschaft einzugehen: „Wir verfolgen im Augenblick keine Aktivitäten in Bautzen. Diesbezügliche Angaben auf unserer Homepage sind veraltet. Ein Standort in Bautzen wurde einmal Ende 2016 in Erwägung gezogen, ist aber inzwischen mangels geeigneter Immobilien und rückläufiger Flüchtlingszahlen endgültig vom Tisch. Aus dem letztgenannten Grund finden in der Oberlausitz generell keine Aktivitäten der SBS mehr statt.“

Ein Indiz dafür könnte sein, dass die Gesellschaft auch in Bezug auf Görlitz inzwischen einen Rückzieher machte. Ein gestellter Bauantrag für ein Begegnungszentrum an der Spremberger Straße in der Neißestadt sei schriftlich zurückgezogen worden. Dies teilte Rathaussprecher Wulf Stibenz auf Anfrage mit. „Das entsprechende Bauverfahren ist eingestellt. Damit ist zu konstatieren, dass es in Görlitz kein Begegnungszentrum der SBS gibt.“

Indes steht die aktuelle Entwicklung nicht im Einklang mit den Ausführungen im Verfassungsschutzbericht. Vor Kurzem ging der Inlandsgeheimdienst noch davon aus, dass der Expansionskurs fortgesetzt wird. „Die Sächsische Begegnungsstätte hat binnen eines Jahres eine fast zweistellige Anzahl an Immobilien, davon sieben in Sachsen, käuflich erworben, gemietet oder langfristig gepachtet und diese jeweils ausgestattet. Betrachtet man die Dynamik, mit der neue islamische Gebetsstätten der SBS entstanden sind, ist davon auszugehen, dass die SBS bestrebt sein wird, auch in sächsische Regionen vorzudringen, in denen sie bislang noch über kein Standbein verfügt.“ Auch in Zittau hat die Gesellschaft bereits nachweislich einen Fuß in der Tür.

Doch weshalb hat das Treiben der SBS eigentlich den Verfassungsschutz in Bautzen auf den Plan gerufen? SPD-Stadtrat Roland Fleischer mit einem Erklärungsversuch: „Scheinbar wollte diese einen Raum anmieten, um normalen Gläubigen das Gebet zu ermöglichen. Dies aber offensichtlich, um sie von dem radikalen Glauben der Muslimbruderschaft zu überzeugen beziehungsweise die Gläubigen anzuwerben. Die Stadtverwaltung handelte sofort, konsequent und schöpfte alle Möglichkeiten aus, diese Ansiedlung mit einem solchen Ansinnen zu verhindern.“ Das sei letztendlich auch geglückt. „Dank gilt in diesem Zusammenhang dem oder den Informanten.“

Muslime in Bautzen wollen eigenen Verein gründen

Die wiederum lassen sich im Umfeld von Flüchtlingssozialarbeiter Steffen Grundmann verorten. „Deren ausdrücklicher Wunsch ist es, dass sie selbst als hier lebende Muslime diesen Raum mieten und betreiben“, erklärte er. „Eine Einflussnahme von außerhalb lehnen sie ab. Viele Flüchtlinge haben sich gemeinsam in der Stadt organisiert. Sie wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben, aber auch ihre Traditionen pflegen.“ Eine Vereinsgründung von „Bautzener Flüchtlingen“ sei der nächste Schritt, der auch die Anmietung geeigneter Räumlichkeiten für Vereins- und Gebetszwecke vorsehe. „Diese Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kamen und nun hier ihren Lebensmittelpunkt haben, sind aus meiner Sicht genau die Richtigen für dieses Vorhaben.“

Das verbirgt sich hinter der Muslimbruderschaft

Die Muslimbruderschaft gilt als eine der einflussreichsten sunnitisch-islamistischen Bewegungen im Nahen Osten. Sie wurde Ende der 20er Jahre von Hasan al-Banna in Ägypten gegründet. Seitdem hat sich die Muslimbruderschaft in andere Länder ausgebreitet, insbesondere nach Syrien und Jordanien. Ihre Ableger Ennahda und Hamas sind Teil der Regierungen von Tunesien und Algerien und des dortigen politischen Prozesses. Im Gazastreifen hingegen errichtete die Hamas eine islamistische Diktatur, während ihr libyscher Arm – die Partei für Gerechtigkeit und Aufbau – im zweiten Bürgerkrieg, den Libyen nach dem arabischen Frühling 2011 erlebte, als eine der Hauptfraktionen gilt. Auch die im Sudan herrschende Nationale Kongresspartei beruft ihre Wurzeln auf die Muslimbruderschaft. Sie gilt als die erste revolutionäre islamische Bewegung. Die Muslimbruderschaft wird in westlichen Ländern als radikal-islamistische Organisation gehandelt. Nach dem Umsturz in Ägypten 2013 und der Absetzung Mohammed Mursis wurde diese dort verboten und gleichzeitig als Terrororganisation eingestuft.

Roland Kaiser / 18.03.2018

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