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Plötzlich waren die Schwellen fort

Plötzlich waren die Schwellen fort

Die Bremsschwellen auf den engen Straßen der Seidau sind nicht bei jedermann beliebt. Fast ein halbes Jahr nach deren Montage gibt es nur für einen Teil von ihnen eine Zukunft. Foto: RK

Bautzen. Sie sollten Bautzens ältestem Stadtviertel wieder zu mehr Ruhe verhelfen, ihre Lebensdauer betrug jedoch nur einige wenige Monate. So schnell wie sie auf dem Asphalt installiert worden waren, verschwanden sie auch. Bremsschwellen, für die sich in der Vergangenheit zahlreiche Bewohner in der Seidau stark gemacht hatten, um den Verkehr dort auf mehreren Straßen zu entschleunigen, entwickelten sich im Laufe der Zeit offenbar für manch einen zu einem Ärgernis hinsichtlich der Lärm- und Staubbelastungen beim Abbremsen und Wiederanfahren. Bereits im Sommer vergangenen Jahres machte ein Seidauer gegenüber dem Oberlausitzer Kurier seinem Ärger Luft. Er befürchtete, dass Fahrzeuge aufgrund der Bodenschwellen in Mitleidenschaft gezogen werden könnten: „Als Anwohner finde ich diese schwarz-gelben ‚Huckel’ sinnlos und eine Schädigung für mein Kfz... Natürlich sollte in Hinblick auf die Kinder Tempo 30 eingehalten werden.“ 

Es gibt allerdings Stimmen, die bezweifeln, dass sich Autofahrer in jedem Fall an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Gerade deshalb, weil auch immer wieder Kraftfahrzeugführer, denen die Durchfahrt als Nichtanlieger eigentlich untersagt ist, die mitunter sehr beengten Asphaltbänder nutzen, um schneller in die Innenstadt zu gelangen oder aus ihr herauszukommen. In dem Fall hilft auch die Einsicht des Leserbriefautors wenig weiter, wenn er schreibt: „Alle, die hier wohnen, wissen, wie man sich zu verhalten hat.“ Bereits vor dem Aufbringen der Bremsschwellen wurde hin und wieder beobachtet, wie manch einer schneller als erlaubt in dem verkehrsberuhigten Stadtteil unterwegs war. Künftig könnte das wieder der Fall sein, befürchtet nicht nur Stadträtin Karin Kluge. 

Als eine der Befürworter der Bodenschwellen, deren Fortbestand in der Seidauer und Teichnitzer Straße von der Stadtverwaltung garantiert wurde, hatte sie nicht im Traum damit gerechnet, dass die Kommune 119 Unterschriften zum Anlass nimmt, um möglichen Temposündern freie Bahn zu verschaffen. Natürlich ist das nicht die Ambition des Rathauses, das weiß auch die Bürgervertreterin. Sie kritisiert die Art und Weise, wie in dieser Angelegenheit verfahren wurde. Dabei nimmt sie Bezug auf einen Schriftwechsel mit Baubürgermeisterin Juliane Naumann. Nachdem kurz vor Weihnachten sowohl Privatpersonen als auch zehn Mitarbeiter von ortsansässigen Firmen für eine Demontage protestierten und sich wiederum die Mitglieder der Initiative „Unsere schöne Seidau“ verwundert über die Ankündigung zeigten, die Schwellen im Bereich der Salzenforster und Welkaer Straße tatsächlich entfernen zu lassen, teilte die Rathausangestellte mit: „Ich sehe es nicht als Aufgabe der Stadtverwaltung an, unterschiedliche Bürgerinitiativen und -gruppen untereinander zu koordinieren beziehungsweise ins Gespräch zu bringen.“ Das alles lässt Karin Kluge nach wie vor erstaunen. „Wir hören von dieser Unterschriftensammlung zum ersten Mal und sind doch sehr überrascht über die Anzahl der Unterzeichner“, heißt es in einer an Juliane Naumann adressierten E-Mail, die dem Oberlausitzer Kurier in Kopie vorliegt. Der Wunsch auf Einsicht der Petition stieß in den Amtsstuben allerdings auf wenig Gegenliebe. „Sollten Sie sich einen Eindruck von der Liste machen wollen, können wir Einsicht nur unter Schwärzung aller persönlichen Daten gewähren“, antwortete die Baubürgermeisterin. Zu den Beschwerden hieß es, dass es diese durch den Herbst hindurch vereinzelt gegeben habe. Sie seien jedoch zunächst abgewiesen worden. Bis zu dem Tag, als besagte Unterschriftensammlung die Verwaltung erreichte. Juliane Naumann: „Die Anzahl zeigt deutlich, dass es in besagtem Bereich nun nach einigen Testmonaten Ablehnung dazu gibt. Ich habe im Gespräch mit der Gruppe eine Verständigung unter den Bürgerinitiativen angeregt, was aber zwischen den Gruppen passieren müsste. Dies wurde von den Unterzeichnern abgelehnt.“ 
Daraufhin sei Ende Januar die Demontage der Schwellen in Auftrag gegeben worden. Bis zum 20. Februar verschwanden alle vier in der Salzenforster und eine von insgesamt vier in der Welkaer Straße. Dort mussten auf Druck der Anwohner die Bauleute ihre Arbeit vorerst einstellen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kommune im Zusammenhang mit der verkehrsberuhigenden Maßnahme bereits rund 5.000 Euro ausgegeben. Hinzu kommen nunmehr die Kosten für den Rückbau und die Ausbesserung der Fahrbahn. 
Juliane Naumann: „Sicher wäre mir eine Lösung, mit der alle glücklich sind, auch lieber. Hier wurde eben deutlich, dass ein wesentlicher Teil der Anwohner im westlichen Teil den alten Zustand wieder haben möchte.“ 
Noch Anfang September 2018 ergab sich laut dem Leiter der Abteilung Allgemeine Ordnung/Verkehr, Matthias Almert, ein ganz anderes Bild: „Bisher haben wir nur positive Resonanz von den Anwohnern zur Aufbringung der Schwellen. Das Verlangen danach kam ja von den Anwohnern.“ Jedoch war das damals schon scheinbar nur die halbe Wahrheit. Denn der anonyme Autor besagten Leserbriefes, dessen Inhalt der Stadt bekannt ist, beließ es nicht dabei, auf die Stoßdämpfer seines Wagens aufmerksam zu machen. Er stellte auch die Frage in den Raum, wer dafür die Reparaturkosten übernehme, wenn diese alle paar Jahre zusammen mit den Koppelstangen und den Silentelementen der Radaufhängung gewechselt werden müssen. Darauf wollte Matthias Almert nicht explizit eingehen. Jedoch kommt unweigerlich das Gefühl auf, dass die Stadt auch vor dem Hintergrund der Haftung nunmehr den Weg des geringeren Widerstandes gegangen ist. Dann aber darf ebenso die Frage erlaubt sein, wann die Goschwitzstraße mit ihren Stoßdämpferkillern geebnet wird. 

Karin Kluge, die gut zwei Jahre lang zusammen mit ihren Mitstreitern um eine Entschleunigung in der Seidau rang, kann vor dem Hintergrund, dass hier offenbar mit zweierlei Maß gemessen wird, nur den Kopf schütteln. „Seit dem Aufbau der gesamten Schwellen in der Seidau kommt es zu keinen aggressiven Verhaltensweisen zwischen den Verkehrsteilnehmern mehr. Auch hat sich das Rasen mit den Autos durch die beruhigten Straßen deutlich reduziert.“ 
Doch was kommt nach der Demontage? „Einen weiteren Versuch zur Verkehrsberuhigung in diesem Stadtteil wird es nicht mehr gegen“, gibt Karin Kluge eine Aussage der Baubürgermeisterin wieder, die in der letzten Sitzung des Beirats für Stadtentwicklung so gefallen sein soll. Dennoch wollte die Stadträtin die Hoffnung auf ein Einlenken im Rathaus nicht völlig aufgeben. Am Mittwoch sollte es ein klärendes Gespräch zwischen Vertretern der Initiative „Unsere schöne Seidau“ und der Rathausspitze geben. Für diesen Samstag wurde zudem eine Zusammenkunft mit den Initiatoren der Unterschriftensammlung anberaumt. Noch einmal Karin Kluge: „Da kann es für den Erhalt der noch vorhandenen Bremsschwellen vielleicht schon zu spät sein.“ Und offenbar könnte sie damit recht behalten. Für Donnerstag war ein weiterer Versuch angesetzt, zwei zunächst noch verbliebene Bremsschwellen in der Welkaer Straße zu entfernen.
Dass eine Verkehrsberuhigung in der Seidau durchaus Sinn macht, weiß Linken-Fraktionschef Steffen Grundmann nur zu gut aus eigener Erfahrung: „Bei den vorletzten Seidauer Gesprächen, an denen ich persönlich teilnahm, und die an einem Sonntag stattfanden, war das Verkehrsaufkommen unglaublich hoch und selbst mir als Ortsfremden war klar, dass es Maßnahmen braucht, um die Seidau für den Durchgangsverkehr unattraktiv zu machen. Solche Schwellen erschienen als eine praktikable Möglichkeit, genau dies zu erreichen. Nach deren Installation wurde ich allerdings von zwei Kollegen angesprochen, die Anlieger sind, und auf Nachteile hingewiesen, die aus deren Sicht nicht unerheblich wären: eine vergleichsweise höhere Lärm- und Abgasbelastung, da die Schwellen sehr sehr langsam überfahren werden müssen und anschließend wieder umso mehr Gas gegeben wird. Ich kann nur vermuten, dass bei den Initiatoren der Unterschriftensammlung diese Nachteile im Vergleich zu der verkehrsmindernden Wirkung so ausschlaggebend wurden, dass sie sich nicht anders zu helfen wussten.“ 
„Die Beschwerden sind für die Stadt glaubhaft und nachvollziehbar gewesen, weil sie den allgemeinen Erfahrungen mit derartigen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen entsprechen“, rechtfertigte Juliane Naumann nochmals die getroffene Entscheidung zur Demontage der schwarz-gelben Bremsschwellen. „Ob die Stadt Untersuchungen durchgeführt hat, bevor der Abbau durchgeführt wurde, ist mir nicht bekannt“, sagte wiederum Steffen Grundmann. Er forderte dazu auf, allem aus dem Weg zu gehen, was die Seidau für den Durchgangsverkehr wieder attraktiver macht – „bei gleichzeitiger Vermeidung unnötigen Lärms und unnötiger Verschmutzung“. 
Juliane Naumann entgegnete daraufhin: „Zur Verkehrsberuhigung hat bereits der erfolgte grundhafte Straßenausbau mit hohen Borden und Ausweichstellen beigetragen. Tempo-30-Schilder und Markierungen sind ergänzt beziehungsweise verstärkt worden.“

Roland Kaiser / 02.03.2019

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Kommentare zum Artikel "Plötzlich waren die Schwellen fort"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Die Seidau schrieb am

    Die Argumentation von Kluge ist falsch. Zwar wurde in Teilen der Seidau vor Jahren eine Unterschriftenliste zum Thema Verkehrsberuhigung herum gegeben,die natürlich auch von vielen unterschrieben wurde,aber in dieser war nie die Rede von Bremsschwellen. Im übrigen kann man die Schwellen in der Seidau absolut nicht mit den Erhöhungen auf der Goschwitzstraße vergleichen. Auf der Welkaer Straße gibt es eine baugleiche Erhöhung über die noch nie diskutiert wurde. Der Verein "unsere schöne Seidau" sollte vielleicht mal mit Bewohnern der Seidau sprechen und nicht nur ihre eigenen Interessen vertreten. Denn wenn nicht Sicht-und Hörweite von Schwellen wohnt kann man sich auch kein Bild davon machen.

    MfG die Seidau

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