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Polizeiseelsorger: Nie die perfekte Lösung!

Polizeiseelsorger: Nie die perfekte Lösung!

Frank Hirschmann ist evangelischer Polizeiseelsorger in der Polizeidirektion Görlitz. Allerdings setzt er seine Arbeitskraft auch als Notfallseelsorger beim Kriseninterventionsteam des nördlichen Kreises Görlitz ein. Zudem betreut er als Pfarrer die Gemei

Görlitz. Als Polizei- und Notfallseelsorger hat Frank Hirschmann schon die unterschiedlichsten Härtefälle erlebt. Trotzdem macht ihm die Arbeit nach wie vor Spaß. Denn Routine gibt es hier nicht, immer wieder neue Situationen verlangen die ganze Aufmerksamkeit.

Frank Hirschmanns Arbeitskraft ist dreigeteilt: Die Hälfte seiner Zeit widmet er seinem Job als Gemeindepfarrer in Görlitz-Königshufen. Je ein Viertel geht für die Aufgaben als Polizei- und Notfallseelsorger im Kriseninterventionsteam des nördlichen Landkreises Görlitz drauf. „Die drei Dinge zusammen weiten ungemein den Blick. Erfahrungen fließen in die jeweils andere Aufgabe mit ein. Mich selbst hat all das barmherziger gemacht“, erzählt der 56-Jährige. Schon während des Theologiestudiums arbeitete er ehrenamtlich beim DRK. „Ich machte mir bewusst, dass die medizinische Rettungskette funktioniert, die seelsorgerische aber Lücken hatte.“ In seiner damaligen Dienststelle in Brandenburg baute er deshalb eine Notfallseelsorge auf. Und als der Polizeiseelsorger in den Ruhestand ging, übernahm Hirschmann auch diese Funktion. „Das war nahe liegend und entsprach auch meinen Interessen“, erinnert er sich.

Seit sieben Jahren ist der Pfarrer nun in Görlitz, kümmert sich seit zehn Jahren um seelsorgerische Belange in der Polizeidirektion und ist inzwischen schon seit 20 Jahren als Notfallseelsorger tätig. „Die Aufgabe ist natürlich eine ganz spezielle. Denn ich habe es bei der Polizei mit Menschen zu tun, die nicht ortsgebunden sind. Die oftmals auch keine kirchliche Bindung haben. Die aufgrund ihres Berufes einen ganz eigenen Zungenschlag und bestimmte Eigenheiten besitzen, mit denen man zurecht kommen muss.“

Die bei der PD Görlitz stattfindenden Gottesdienste sind eher überschaubarer Zahl. So gibt es jährlich einen, wenn die Vereidigung neuer Beamter ansteht. Und einen zum Gedächtnis an verstorbene Bedienstete. Den Großteil seiner Zeit wendet Frank Hirschmann für die Seelsorge auf, ohne dass er dabei missionarisch wirken will. „Zu mir kann jeder kommen, egal ob mit oder ohne Konfession. Mein Vorteil: Durch Beichtgeheimnis, Zeugnisverweigerungsrecht und Schweigepflicht bleibt all das, was ich erfahren habe, direkt bei mir. Keiner muss Angst haben, dass sein Problem durch die Dienststelle geistert.“
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Bei ihm stehe der Polizist als Mensch im Vordergrund. „Die Polizeiseelsorge ist ein hohes Gut. Hier gibt es jemanden, der nicht in die Struktur gehört und der sich nicht an die vorgegebenen Hierarchien halten muss. Denn mein Arbeitgeber ist die Kirche“, erläutert Hirschmann.

Im Laufe seiner Tätigkeit hat er von den unterschiedlichsten Problemen Kenntnis bekommen. Was genau, verrät er natürlich nicht. Nur soviel: „Der Polizeidienst ist sehr anspruchsvoll. Die Leute sind Waffenträger und oft besonderen Belastungen ausgesetzt. Die Einsatzsituation kann ganz schnell kippen. Und sie wissen nie, wie sich so etwas entwickelt. Zumal der Respekt gegenüber den Beamten in den letzten Jahren stark gelitten hat. Von diesem Phänomen höre ich immer wieder.“

Um den Problemen zu begegnen hat der Geistliche verschiedene Möglichkeiten. „Zuerst führen wir natürlich ein intensives Gespräch. Schon das ist für den Betroffenen wichtig – er hat jemanden, der ihm zuhört. Was ich ausgesprochen habe, kann ich greifen. Die Schwierigkeiten werden in Worte gepackt, mit denen man sich beschäftigen kann. Jeder bringt so seine eigenen Ressourcen mit. Gemeinsam suchen wir dann neue Perspektiven“, erklärt der Pfarrer.

Zwischen den Aufgaben als Polizei- und Notfallseelsorger gibt es erhebliche Schnittmengen. Allerdings auch Dinge, die Frank Hirschmann sonst nicht abverlangt werden. Dazu gehören das Überbringen einer Todesnachricht, die Begleitung von Angehörigen nach einem Suizid, die Betreuung der Betroffenen bzw. Hinterbliebenen  bei Bahnunfällen, plötzlichem Kindstod oder Verkehrsunfällen. „Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste müssen den Bedarf erkennen, dann wird das Kriseninterventionsteam angefordert und mit den genannten, aber auch anderen Aufgaben betraut.“ Um nicht selbst zu stark unter den Geschehnissen zu leiden, brauchen Frank Hirschmann und seine Mitstreiter eine enorme psychische Stabilität.

Zudem sollten sie nicht selbst seelische Probleme zu bewältigen haben, sich stattdessen auf ein eigenes stabiles Umfeld verlassen können. „Für mich selbst ist der Glaube eine ganz wichtige Komponente. Ich brauche einen Ort, an dem ich Dinge abladen kann. Das tue ich im Gebet, wende mich an Gott und vertraue ihm meine Sorgen an.“ Nach einem Einsatz versuche er zudem entspannt nach Hause zu fahren und das Geschehene hinter sich zu lassen. Hobbys wie Musik hören, Fahrrad fahren und wandern helfen ihm zusätzlich beim Sammeln neuer Kräfte.

Trotz aller Kümmernisse, die die Jobs als Polizei- und Notfallseelsorger mit sich bringen, verzweifelt Frank Hirschmann keineswegs an der Welt. Hierbei hilft ihm besonders der evangelische Glaube: „Der Mensch ist ein gefallenes Wesen, das sündigt und Schuld auf sich lädt. Trotzdem hoffe ich natürlich auf Besserung. Der Glaube ist das Fundament, auf dem ich aufbauen kann.“

Frank-Uwe Michel / 15.08.2016

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