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Tagebau mit Folgen: Bürger haben Nase voll

Tagebau mit Folgen: Bürger haben Nase voll

Gerd Nather, Jürgen Wengler und Christian Kuschke (v.l.) von der Bürgerinitiative „Steinbruch Pließkowitz“ sehen das jahrtausendalte Naturdenkmal „Teufelsstein“ aufgrund der Sprengungen in Gefahr

Alternativer Text Infobild

Auf dieser eingestaubten Streuobstwiese in unmittelbarer Nachbarschaft des Steinbruchs wächst nichts mehr.

In der Gemeinde Malschwitz ist ein heftiger Streit um den Steinbruch Pließkowitz entbrannt. Auch ein erstes Zusammentreffen aller Beteiligten brachte keine Lösung für Dutzende Betroffene. Jetzt will der Landkreis vermitteln.

Malschwitz. Kahle Äste, weiß übertünchtes Blattwerk – eine graue Staubwolke schwebt in der Luft. Von nebenan hallt der Lärm der Steinbrechanlage herüber. Ein Laster nach dem anderen donnert über die mitunter recht schmalen Straßen. Hin und wieder wird der Krach überlagert von einem lauten Knall. Auch noch im hunderte Meter entfernten Umkreis vibriert für einen kurzen Moment die Erde, schildern Dorfbewohner. In ihren Schränken klirrt das Geschirr. 

Zwischen den Ortsteilen Pließkowitz und Kleinbautzen wird Granodiorit ans Tageslicht befördert – ein eng mit dem Granit verwandtes magmatisches Gestein, das unter anderem im Tief- und Straßenbau Anwendung findet. In immer tiefer gelegene Erdschichten dringt der Tagebau dabei vor. Seit 2006 erfolgt zudem an Ort und Stelle eine Verarbeitung des Gesteins mit Hilfe einer stationären Aufbereitungsanlage. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Auswirkungen des Steinbruchs immer heftiger, erinnert sich die pensionierte Deutschlehrerin Luise Dutschmann. Deshalb rief sie vor Kurzem gemeinsam mit zahlreichen anderen Menschen aus der Gemeinde Malschwitz eine Bürgerinitiative ins Leben, um auf die ihrer Ansicht nach nicht länger tragbaren Folgen des Tagebaus aufmerksam zu machen. 

Petition eingereicht

Das war nicht immer so. Bis 1998 gab es keine Probleme, sagt sie. Dies allerdings lag wohl auch daran, weil sich bis dahin vor Ort schlichtweg nichts tat. Bürgermeister Matthias Seidel: „Der Steinbruch wurde vor 1990 geschlossen. Nach der Wende gab es allerdings einen erneuten Antrag, diesen wieder zu betreiben.“ Gut 20 Jahre Jahre nach dessen Reaktivierung reicht es den Bewohnern der umliegenden Ortschaften. Sie haben sich mit einer Petition an den Sächsischen Landtag gewandt. In dem Papier werden all die Missstände offengelegt, für die ihrer Ansicht nach der Tagebau als Verursacher in Frage kommt. 

Stein des Anstoßes sind beispielsweise die riesigen Abraumhalden, die sich durch die Landschaft schlängeln. Erst jüngst habe der Betreiber damit begonnen, eine neue aufzuschütten. Diese könnte einmal bis zu 35 Meter hoch gen Himmel ragen, erklären Christian Kuschke, Gemeinderat Jürgen Wengler und Gerd Nather.

Die drei Männer beklagen, dass in dem Fall die Sichtachsen für den Teufelsstein nachhaltig zerstört würden. Dabei handele es sich um ein auch als solches ausgewiesenes Flächennaturdenkmal, das bereits vor tausenden von Jahren den Menschen in der Region ähnlich wie die Himmelsscheibe von Nebra oder das Bauwerk von Stonehenge als astronomisches Observatorium diente. „Bei einem bestimmten Stand der Sonne wurden durch den Teufelsstein deren Strahlen gebündelt. Schon die Sorben und andere Siedler vor ihnen wussten auf diese Weise, wann beispielsweise die Sommersonnenwende und damit die Erntezeit anstand“, erläutert Christian Kuschke. Sobald jedoch die Halde erst einmal in der geplanten Höhe existiert, ist damit endgültig Schluss, fügt er hinzu. Doch nicht nur das Zustellen von Sichtachsen sei ein Problem. „Vorgeschrieben wird, dass der Staubentwicklung in Trockenperioden durch Befeuchten der Schüttgüter entgegenzuwirken ist“, lässt sich in der Petition nachlesen. „Durch Nachfragen beim Geschäftsführer erfuhren wir, dass es immer wieder zu Staubaufwirbelungen durch Starkwinde kommt, wenn zum Beispiel die Fahrbahnen nicht ausreichend befeuchtet wurden, ein Bedüsungstrang ausgefallen ist oder auch ‚durch andere Gelegenheiten aus dem Arbeitsgeschehen.’ Die Staubaufwirbelungen, die von der bereits vorhandenen Halde abgehen, seien hier noch erwähnt. Diese ist nur befeuchtet, wenn es geregnet hat. Deshalb treten seit geraumer Zeit in alle Richtungen riesige Staubwolken auf, die sich dann über die Felder in die Orte wälzen. Es gibt keinerlei Schutz, diese Wolken aufzuhalten. Wir haben eine Analyse dieser Staubwolken gefordert, doch bis heute hat sich dazu noch niemand geäußert.“

Untersuchung der 
Staubbelastung veranlasst

Inzwischen schaltete sich die Beigeordnete des Bautzener Landrates, Birgit Weber, in die Diskussion ein. In einem Schreiben an das Sächsische Oberbergamt, das dem Oberlausitzer Kurier in Kopie vorliegt, heißt es: „Seitens des Landratsamtes Bautzen wurde der Bürgerinitiative die Zusage gemacht, eine Untersuchung zur Staubbelastung zu prüfen. Leider ist durch unser Gesundheitsamt eine solche Untersuchung nicht möglich. Daher möchte ich das Sächsische Oberbergamt als Aufsichtsbehörde bitten, eine Untersuchung des Staubniederschlages hinsichtlich einer Gesundheitsgefährdung schnellstmöglich durchzuführen.“ 

Die in Freiberg ansässige Bergbaubehörde teilte indes auf Anfrage mit, dass ab Oktober über die Dauer von einem Jahr an mehreren Messpunkten rings um den Steinbruch durch ein „international renommiertes“ Labor- und Analyseunternehmen entsprechende Staubniederschlagsmessungen durchgeführt werden sollen – und zwar im Auftrag des Bergbauunternehmers. „Sofern dabei an allen Immissionsorten der Immissionswert gemäß der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz eingehalten wird, so ist laut Technischer Anleitung zur Reinhaltung der Luft davon auszugehen, dass ‚der Schutz vor erheblichen Belästigungen oder erheblichen Nachteilen durch Staubniederschlag sichergestellt’ ist“, betonte Oberberghauptmann Professor Dr. Bernhard Cramer. Das Ganze geschehe im Rahmen geltender Rechtsvorschriften.

Doch nicht nur Staub und Lärm empfinden die Mitglieder der Bürgerinitiative inzwischen als reine Zumutung. In ihrer Petition protestieren sie dagegen, dass der Betreiber eine intakte Umwelt auf „brutalste Weise zerstört“ – und das scheinbar vor den Augen von Sächsischem Oberbergamt und Umweltamt. Beide hätten, so heißt es in dem Schreiben, „Ausnah-meregelungen zur Vernichtung der Umwelt genehmigt“. Für die Abraumhalden, auf denen nach Informationen der Petition-Schreiber bis zum Jahr 2037 auch tonnenweise Sondermüll landet, musste ein nicht unerheblicher Teil der vorhandenen Flora und Fauna weichen. 

Landkreisbehörde ermittelt gegen Tagebaubetreiber

Wie sich jetzt jedoch herausstellte, geschah das nicht in jedem Fall auf legale Weise. „Bei der – in diesem Fall nicht zugelassenen – Erweiterung der Halde, bei der das Haldenmaterial auch einige Gehölze mit erfasst hat, handelt es sich neben der Abweichung von zugelassenen bergrechtlichen Betriebsplänen auch um einen Verstoß gegen das Forstrecht“, reagierte die Aufsichtsbehörde unter dem Druck der Anwohner nun mit einer klaren Ansage. „Gemäß Paragraf 19 des Ordnungswidrigkeitengesetzes haben sich Oberbergamt und das Landratsamt Bautzen abgestimmt, dass dieser Fall vom Amt für Wald, Natur und Abfallwirtschaft des Landkreises Bautzen abschließend bearbeitet wird. Das Oberbergamt hat seine bisherigen Ermittlungsergebnisse an dieses Amt abgegeben.“ Eine schriftliche Anfrage dazu an den in Elstra ansässigen Tagebaubetreiber blieb zunächst unbeantwortet. Die Landkreisverwaltung bestätigte in der Zwischenzeit, dass ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wurde. Allerdings, so stellte Landratsamtssprecher Gernot Schweitzer auch fest, habe die untere Forstbehörde bisher keine Bußgeldbescheide verschickt.

Für Bürgermeister Matthias Seidel kommt die Entwicklung keinesfalls überraschend. Seit seinem Amtsantritt im Jahre 2008 machte er schon mehrmals nicht immer nur gute Erfahrungen mit dem Tagebau in Pließkowitz. „Nach wie vor laufen zwei Anzeigen der Gemeinde gegen den Steinbruch“, schilderte er dem Oberlausitzer Kurier. „Zudem haben wir immer wieder Beschwerden über die Sprengarbeiten beim Oberbergamt angezeigt. Bislang ohne Erfolg.“ 

Umkehr der Beweispflicht 
gefordert

Problem an der Sache: Nach derzeitigem Stand müssen Hauseigentümer per Gutachten nachweisen, dass Schäden an ihren Gebäuden durch Erschütterungen entstanden sind. Und das kostet Geld. Die Bürgerinitiative sieht hier eine Umkehr der Beweispflicht geboten, die Erbringung liege demnach beim Tagebaubetreiber. 

„Eigentlich sollte dieser nachweisen, dass er nichts mit den Schäden zu tun hat“, meint Luise Dutschmann. Doch um das zu ändern, bedarf es eines langen Atems, viel Kraft und zahlreichen Unterstützern in der Landespolitik, weiß sie. Demzufolge setzt die Kleinbautzenerin große Hoffnungen in die Petition. „Einige Landtagsabgeordnete haben uns auch schon versichert, sich mit unserem Anliegen auseinanderzusetzen.“

Eine für alle tragbare Lösung zu finden, wird dabei nicht leicht. Das ist Luise Dutschmann, Christian Kuschke, Jürgen Wengler, Gerd Nather und den vielen anderen Mitstreitern der Bürgerinitiative bewusst. Mit dem Tagebaubetreiber steht, zieht man biblische Überlieferungen heran, so jemand wie Goliath vor David – ein Firmengeflecht, das in ganz Deutschland aktiv ist. Selbst mehrere bekannte Bauunternehmen in der Lausitz und einige andere Tagebaue zählen dazu. Die Kleinbautzener machten sich indes die Mühe und legten das Netzwerk offen. Auch um sich selbst Klarheit darüber zu verschaffen, gegen wen sich ihr Protest richtet.

Steinbruchbetreiber beteiligt sich am Gemeindeleben

Unterdessen findet sich die Kommune zwischen den Stühlen wieder. Die Verwaltung möchte gern vermitteln. Allerdings profitiert Malschwitz in gewisser Hinsicht von den Aktivitäten im Steinbruch Pließkowitz. Matthias Seidel: „Die Gemeinde ist anteilig an der Lohnsteuer beteiligt. Das Unternehmen zahlt zudem Gewerbesteuer.“ Was die jährlichen Einnahmen anbelangt, hüllt sich das Gemeindeamt allerdings in Schweigen. „Zu der Höhe der Gewerbesteuer darf ich Ihnen keine Informationen erteilen“, gab der Bürgermeister vor. Darüber hinaus wisse er davon, dass das Unternehmen Vereine materiell unterstützt. 

Forderungen klar formuliert

Ein Entgegenkommen in naher Zukunft erwartet ebenso die Bürgerinitiative. Sie hat ihre Forderungen klar und unmissverständlich am Ende der Petition aufgelistet. Keine Haldenerhöhung, weniger Sprengungen, Entschädigung von betroffenen Hauseigentümern, Renaturierung von nicht in Anspruch genommenen Flächen, Einstellung des stationären Betriebes der Aufbereitungsanlage und Schluss mit der Staubbelastung – verlangen Luise Dutschmann sowie die Bürger von Kleinbautzen, Pließkowitz, Doberschütz, Niedergurig und Malschwitz. 

Sollte sich an der Situation nichts ändern, befürchten sie ernste Gesundheitsgefährdungen und einen Wertverlust ihrer Immobilien. Gerd Nather: „Allein auf unserer Straße sind inzwischen neun Menschen an Krebs erkrankt. Wir haben ein Recht darauf, endlich Klarheit darüber zu erlangen, inwieweit der Tagebau seinen Beitrag leistet beziehungsweise geleistet hat.“ Das Oberbergamt schloss indes aus, dass radioaktives Radon in der Causa Pließkowitz eine Rolle spielt. Noch einmal Oberberghauptmann Bernhard Cramer: „Radon ist ein natürliches, in der Luft und Bodenluft aber in unterschiedlichen Konzentrationen vorkommendes Edelgas, das durch den Zerfall von Uran und Thorium entsteht. Da die Tätigkeit eines Tagebaus an der freien Luft erfolgt, gibt es immer ausreichende Verdünnung der im Boden enthaltenen Gase durch die Luft und den Abtransport mit dem Wind, sodass durch die Tagebautätigkeit keine unnatürliche Radonbelastung entsteht, auch nicht in der Umgebung des Tagebaus.“ 

Doch selbst in dem Punkt sieht die Bürgerinitiative das letzte Wort noch nicht gesprochen.

 

Roland Kaiser / 07.10.2017

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Kommentare zum Artikel "Tagebau mit Folgen: Bürger haben Nase voll"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Steffen Wiedenfeld schrieb am

    Unternehmer brauchen Rechtssicherheit
    Der Tagebaubetreiber ist ein alteingesessenes Bergbauunternehmen mit einer langen sächsichen Tradition. Seine Gesellschafter sind aus Sachsen und den südlichen Bundesländern. Sie engagieren sich für die Gemeinden und Landkreise in denen sie tätig sind. Sie investieren in Anlagen und in betriebliche Weiterbildung und geben vielen Sachsen Arbeit und Einkommen. Dazu beötigt jeder eine Sicherheit. Im Berggesetz sind Regeln zur Betriebsführung und zum zeitweiligen Umgang mit der Natur geregelt. Jede bergbauliche Genehmigung basiert auf Recht und Gesetz. Eine einseitige Polemik über Technologien sind nicht hilfreich. Wenn Bürger Sorgen haben, sollten Sie den Kontakt zum Unternehmer suchen. Der hat stets ein offenes Ohr dafür und wird, im Rahmen seiner Möglichkeiten, Sinnvolles und Wirtschaftliches auch umsetzen. Politik hilft hier nicht. Realisätssinn und Pragmatismus sind gefragt.

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