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Tierheim Horka kommt gut aus der Krisenzeit

Tierheim Horka kommt gut aus der Krisenzeit

Aimeé Zille möchte aktuell unter anderem das dreifarbige Katzenpaar Bernhard und Bianca sowie das Katzenpaar Max und Moritz in gute Hände vermitteln. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Das Tierheim Horka ist gut durch zwei Jahre Corona gekommen. Manche Aspekte seien auf dem flachen Land eben mit den Problemen in den Großstädten nicht zu vergleichen, führt Aimeé Zille aus, die ihre Rolle als Chefin quasi fließend von ihrer Mutter übernommen hat.

Horka. Der Krieg in der Ukraine hat viele Tiere herrenlos werden lassen. Erst am letzten Wochenende kam ein Chemnitzer Helfer mit einer neuen „Lieferung“ von Dnjepr und Dnjestr auch ins Tierheim Horka. Die langjährige Chefin des Tierheims Horka, Rosemarie Zille, zeigt Fotos aus der Ukraine auf ihrem Handy – menschenleere Dörfer, in denen Tiere sich selbst überlassen vegetieren. Nun gibt es Retter, die auch diese Opfer auf viele helfende Hände in deutschen Tierheimen verteilen. Dabei galt der Redaktionsbesuch zuvorderst der Frage, wie das Tierheim die letzten zwei Jahre überstanden habe.

Die Zeit sei schwierig gewesen, da alles nur mit Termin und im Freien ging, doch „die Bevölkerung stand hinter uns, es gab viel mehr Spenden“, bedankt sich Rosemarie Zille, die das weitere Gespräch ihrer Tochter Aimeé überlässt. Aber haben sich Menschen nicht – wie vielfach in Medien zu hören und zu lesen war – quasi als Kontaktersatz Haustiere zugelegt? Damit unerfahren und überfordert füllten sich auch Deutschlands Tierheime.

Aimeé Zille atmet durch und sagt „Nein. Die Leute in unserer Gegend scheinen sich schon gut zu überlegen, unter welchen Bedingungen sie sich ein Tier anschaffen.“ Tendenziell scheint diese Gefahr eher größere Städte zu betreffen, nicht jedoch einen ländlichen geprägten Raum, in dem der Umgang mit Tieren ohnehin alltäglich ist und Verantwortungsbewusstsein besteht. „Wenn jemand 15 Jahre einen Hund gehabt hat und dieser ist gestorben, dann holt er sich einen neuen – ob Corona oder nicht. Wir hatten jedoch kurzzeitig wieder einen Boom an Welpen, die an der Grenze aus dem illegalen Welpenhandel beschlagnahmt wurden. Die Welpenmafia ist bei uns immer wieder ein Thema, auch wenn die Bundespolizei meist nicht bekennt, ob Tiere am Übergang Ludwigsdorf oder an der tschechischen Grenze aufgegriffen wurden“, sagt sie. Eine Warteliste für Welpen könne es natürlich nicht geben. Kann man die Kundschaft aber beeinflussen, wo doch ständig etwa 40 Hunde und 100 Katzen auf eine Vermittlung warten?

„Wir machen es nur bedingt“, sagt sie und führt aus: „Wir weisen darauf hin: ‚Charakterlich ist dieser Hund das, was zu Ihnen passen könnte‘. Ich werde aber niemals jemanden ein Tier aufschwatzen. Das Risiko, dass es zurückkommt und dass das Tier dann daran leidet ist viel höher, als dass es klappt. Man muss alleine darauf kommen zu sagen: ‚Mensch, der ist toll! Was macht das eine Jahr Unterschied?‘. Deswegen sollten Menschen auch immer mehrmals ins Tierheim kommen und die Eindrücke sacken lassen, erst mit der Familie und dem Vermieter reden. Das Euphorische: ‚Der ist niedlich, den nehmen wir‘, ist eigentlich nicht gut und darauf wollen wir uns auch nicht einlassen. Der Prozentsatz von Menschen, die hierherkommen, gucken und sagen: ‚Ich würde den und den nehmen und sich nie wieder melden liegt bei ungefähr 10 Prozent.‘ Solange keine Kontaktdaten ausgetauscht sind, solange nichts schriftlich ist oder am besten eine Anzahlung geleistet wird, solange ist eigentlich nie etwas sicher.“

Tiere unter dem Christbaum?

Das wirft in der Vorweihnachtszeit bereits die Frage nach Tieren unter dem Christbaum auf: „Städtische Tierheime in den Großstädten machen es so, dass sie über Weihnachten einen Vermittlungsstopp einlegen, so dass die Leute bis Mitte Dezember Tiere ‚adoptieren‘ können. Ansonsten können sie sich natürlich für ein Tier interessieren und es auch reservieren. Aber sie gehen so der Gefahr aus dem Weg, dass ein Tier eventuell unter dem Weihnachtsbaum landet“, weiß Aimeé Zille zu berichten. Im ländlichen Umfeld unserer Region funktioniere das noch weitgehend anders. Allerdings: „Es kommt vielleicht alle fünf Jahre einmal vor, dass man heraushört, es sollte ein Geschenk werden. Aber dafür sind eben umfangreiche Vermittlungsgespräche da, um zu sagen, wir schließen genau das aus.“
Die Vermittlung aus Horka sei dennoch sachsenweit etabliert und auch nach Dresden seien sicher schon in den über 30 Jahren der Existenz 100 bis 150 Hunde vermittelt worden. Mit der Internetplattform Tiervermittlung ist auch Horka verlinkt, damit entstehe Überregionalität. Vor allem aber habe sich das Tierheim Horka einen guten Ruf erarbeitet. „Die Leute treffen sich beim Gassigehen. Da heißt es: ‚Das ist ja ein toller Hund, wo habt ihr den her?‘ ‚Aus Horka!‘“.

Unvorteilhaft für Nieskyer

Durch die eigene Tierpension sei dieser Stellenwert ebenso gestiegen, beim Personal gibt es nur gelernte Tierpfleger und nicht mehr wie einst eine ABM-Stelle mit Auftrag: „Füttere mal die Hunde“. Man habe in all den Jahren einen echten Qualitätssprung mit der Beschäftigung mit dem Tier über den Tag hinter sich. „Ohne Tierpension könnte das Tierheim nicht überleben. Dann müssten wir wieder zurück auf 20 Tiere gehen. Viele Tierheime in Westdeutschland sind städtisch und haben haben deswegen ganz andere Mittel als wir. Übrigens ist das Görlitzer Tierheim ein städtisches. Wir finanzieren uns durch die Tierpension, den Tierfriedhof, durch Spenden und Sponsoren, sowie Mitgliedsbeiträge“, so Aimeé Zille, die weiter berichtet: „Jedes Tierheim hat ein Fundtiergebiet, das geht bei uns vom Raum Zittau bis nach Weißwasser und Bad Muskau, Boxberg, Klitten, Rothenburg, Sagar. Wir waren einfach als Vertragspartner gewünscht, weil Kommunalpolitiker von unserer Arbeit überzeugt sind. Die Stadt Niesky hat allerdings ein Fundtiervertrag mit dem Tierheim in Görlitz, was für die Nieskyer sehr unlogisch erscheint.

Wenn die Oma ihren Dackel laufen lässt, muss sie ggf. ein Taxi nehmen, um das Tier in Görlitz wieder abzuholen, obwohl fünf Kilometer nebenan ein Tierheim ist. Aber das entscheiden die Kommunen ja selbstständig.“ Diese Problematik sei zuletzt übrigens von Schülern aus Niesky im Rahmen des Mitbestimmungsprojektes angesprochen worden. „Sie beklagten, wir hätten gern ein Tierheim, weil das Tierheim in Horka von uns keine Tiere aufnehmen kann. Wir lehnen das aber nur ab, weil wir das nicht dürfen“, stellt sie klar. Beim Bürger in Niesky bleibe aber der Eindruck hängen, Horka helfe nicht. „Früher hatte Niesky mal einen Vertrag mit dem Tierheim in Sagar. Wir haben ja sogar schon unseren Vereinsnamen geändert. Wir hießen früher Tierschutzverein St. Horkano Umkreis Niesky e.V. Aber wir sind ja gar nicht zuständig für den Umkreis von Niesky, sofern diese Orte zur Stadt gehören. Niesky liegt in unserem Zuständigkeitsbereich gewissermaßen wie eine Insel. Wir übernehmen rumänische Straßenhunde, in der Kriegssituation ukrainische Hunde, unsere Türen würden auch jederzeit für Hunde aus Niesky offenstehen. Wir wären sehr glücklich, wenn dies in der Zukunft möglich wäre.“

Patenschaften sichern Ausbildungsverhältnisse

Aktuell arbeitet das Tierheim mit drei ausgebildeten Tierpflegern und zwei Azubis im ersten Lehrjahr, „die wir wohlgemerkt über Ausbildungspatenschaften finanzieren“, sagt Aimeé Zille. „Das könnten wir uns sonst nicht leisten. Paten sind oft besser gestellte Leute. Die sagen: ‚Jawoll, wir möchten, dass junge Leute in der Region bleiben und hier einen Ausbildungsplatz finden‘ und fördern das mit einem Dauerauftrag. Das wird auf ein transparentes Konto eingezahlt. Zum Teil sind Paten alte Menschen. Und wenn es 10 Euro sind. 10 mal 10 sind ja auch schon 100.“

Im Gespräch rutscht Aimeé Zille immer wieder einmal raus, ihre Mutter als „Chefin“ zu bezeichnen. Doch eigentlich ist das bereits Vergangenheit: „Sie hat mir ja alles beigebracht und es wird nie so sein, dass ich ihre Chefin sein kann. Das gibt die Welt nicht her! In der letzten Tierschutzvereinsversammlung haben wir den Wechsel in der Führung offiziell jedoch so benannt. Es geht aber im Wesentlichen um die Situation, dass ich als leitender Tierpfleger auftrete und Aufgaben verteile und den Tag strukturiere. Wir wollten einfach vermeiden, dass es ein Zwischen-den-Stühlen-stehen gibt. Und wir wollten einfach die Frage vermeiden: Wer ist denn nun mein Ansprechpartner? ‚Die Chefin oder…?‘.“ Die neue Chefin lacht herzlich darüber, wieder in die sprachliche Falle getappt zu sein. „Und meine Mutter hat von sich aus gesagt, das funktioniert so nicht mehr. Damit ist klar, wer sich an mich wendet, übergeht nun meine Mutter nicht. Fragt bitte die ‚Seniorchefin‘ nicht, ob das Laub nun auf Haufen 1 oder Haufen 2 geschüttet werden soll.“

Für Mutter wie Tochter gibt es dennoch die gleichen Momente der Glückseligkeit. „Wenn sich Menschen melden, was wir bei der Vermittlung erbitten und wunderbare Fotos mit Danksagungen für das Vertrauen, ein Tier bekommen zu haben, senden. Wenn man ein komisches Gefühl hat, gibt es immer noch die Möglichkeit gucken zu fahren und zu sagen: ‚Warum kommt denn nichts? Klappt alles?‘ Die, bei denen es nicht klappt, die melden sich fast immer von allein.“

Till Scholtz-Knobloch / 19.11.2022

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