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Von Kinderbildern und Totenkronen

Von Kinderbildern und Totenkronen

Die hier von Matthias Hanke präsentierte Fabel-Illustration aus der Zeit des dritten Reiches gehörte zu den Exponaten, die unlängst vorgestellt wurden.

Einmal im Jahr präsentieren die Städtischen Sammlungen Kamenz unter dem Motto „Aus- und Vorgestellt“ ihre neu erworbenen Schätze – zumeist im Rahmen der Lessingtage oder der im jährlichen Wechsel stattfindenden Lessing-Akzente. Am Donnerstag war es wieder so weit.

Kamenz. Wer glaubt, zu Lessing ist schon alles gesagt und geschrieben, der liegt weit daneben. „Es tauchen immer wieder neue Zeugnisse zu Lessings Leben und Schaffen auf und verleihen der Forschung neue Impulse“, weiß die Leiterin des Kamenzer Lessing-Museums, Dr. Sylke Kaufmann. So wie beispielsweise ein Brief, den ein gewisser Christian Hirschfeld im Jahre 1796 schrieb und in dem er auch Bezug auf (den damals bereits seit 15 Jahren toten) Dichter und Aufklärer nimmt. Dass der Brief nicht in der Albrecht’schen Quellensammlung zu Lessing vermerkt ist, die diesbezüglich als Standardwerk gilt, macht ihn besonders interessant.
„Der Brief ist uns von einem Antiquariat aus München angeboten worden“, so Sylke Kaufmann. Ein Glücksfall, denn in der Regel stehen Einrichtungen wie das Lessing-Museum auf dem Antiquitätenmarkt im Wettbewerb mit gut betuchten Privatleuten, die ihre persönlichen Sammlungen komplettieren wollen.

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„Der junge Lessing“, Künstler unbekannt. Foto: Museum

Auktionspreise kaum kalkulierbar

„Uns steht ein Etat für Ankäufe zur Verfügung, der auch durch Fördermittel aufgestockt werden kann“, erläutert die Leiterin der Städtischen Sammlungen, zu denen neben dem Lessing-Museum auch das Sakralmuseum in der Klosterkirche St. Annen, die stadtgeschichtliche Ausstellung im Malzhaus sowie das Stadtarchiv gehören. Im Falle eines Angebots zum Direktkauf sind die Kosten kalkulierbar – anders als bei Auktionen. „Man glaubt gar nicht, wie viele kunsthistorisch wertvolle Objekte beispielsweise bei Ebay angeboten werden“, so Sylke Kaufmann. Bei einer solchen Versteigerung weiß man freilich nie, welche Preise am Ende herauskommen.

Im Falle des Bildes „Der junge Lessing“ ist es dem Lessingmuseum gelungen, es bei einem Hamburger Auktionshaus zu erwerben. Das Bild stammt laut Sylke Kaufmanns Einschätzung aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der Künstler ist unbekannt.

Auffallend ist, dass der dargestellte Junge tatsächlich wie ein Kind wirkt – anders als auf den meisten bekannten einschlägigen Darstellungen. „Wir können nicht beweisen, dass es sich wirklich um Gotthold Ephraim Lessing handelt“, betont die Museumsleiterin, die in dem Porträt ein „interessantes Rezeptionszeugnis“ sieht.

Lessing und das dritte Reich

Rezipiert wurde Lessing durchaus auch in der Zeit des dritten Reiches, wobei die Wahrnehmung höchst selektiv war. „Der Nathan beispielsweise passte gar nicht zu der damals herrschenden Ideologie“, so der stellvertretende Leiter des Lessing-Museums, Matthias Hanke. Mit den Fabeln des Dichters hingegen konnten auch die Nationalsozialisten etwas anfangen und ließen dem Zeitgeist entsprechende Illustrationen anfertigen. „’Einzig in seiner Art’ war beispielsweise der Vogel Phönix – in dieser Fabel spiegelt sich der Konflikt zwischen Individualität und Gesellschaft wider“, so Hanke. Und ein Band mit Totenmasken aus den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts stellt ein „morbides Walhalla, eine für diese Zeit typische Auseinandersetzung mit dem Tod“ dar. Das Lessing-Museum bereitet im Übrigen eine Sonderausstellung zum Thema „Lessing und das dritte Reich“ für 2020 vor.

Lessing ist nicht alles

Freilich beschränkt sich die Arbeit der Städtischen Sammlungen nicht auf den größten Sohn von Kamenz. So stellte das Sakralmuseum eine Sammlung von Totenkronen vor, die sonst nicht öffentlich zu sehen ist. „Totenkronen bekamen unverheiratet Verstorbene, sie sollten das Nachholen der Hochzeit symbolisieren“, erklärt Sylke Kaufmann. Das Stadtarchiv zeigte, wie es sich am Landesdigitalisierungsprogramm beteiligt: „Es hat etwa 100 Titel aus der Thorschmidt-Möller-Sammlung digital zugänglich gemacht“, so die Leiterin der Städtischen Sammlungen. Die Sammlung entstand in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Freiberg und kam über persönliche Beziehungen eines Kamenzer Bürgermeisters in die spätere Lessingstadt, wo sie den Grundstock für die Ratsbibliothek bildete.

„Hier wurden keine Einzelakten digitalisiert, sondern komplette Bände“, so Sylke Kaufmann. Ein Beleg dafür, dass auch die mit der Vergangenheit beschäftigte Forschung für die Zukunft gerüstet ist.

Uwe Menschner / 05.03.2019

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