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Welche Priorität hat der Güterbahnhof?

Welche Priorität hat der Güterbahnhof?

Mit dem Schicksal des Bautzener Güterbahnhofes befasst sich derzeit ein von der Bahn beauftragtes Planungsbüro. Foto: Archiv

In Bautzen hängt so einiges in der Schwebe. Der notwendige Ausbau des Schliebenparkplatzes, die viel diskutierte Errichtung einer Spreequerung im Bereich der Altstadt oder die Anschaffung von neuen Parkautomaten sind lediglich drei Beispiele. In dem Zusammenhang scheint es wenig verwunderlich, wenn auch in puncto Güterbahnhof Fortschritte auf sich warten lassen. Zumindest wagt sich nun offenbar die Bahn aus der Deckung.

Bautzen. Während das in der Sanierung befindliche Bahnhofsgebäude immer mehr Gestalt annimmt, stellt sich für viele Spreestädter nach wie vor die Frage, wie es auf dem restlichen Bahnhofsareal weitergeht. Eine eindeutige Antwort darauf gibt es zwar noch immer nicht, jedoch scheint zumindest etwas Bewegung in die Angelegenheit gekommen zu sein. Seit Längerem gibt es in Bautzen Bemühungen, einen Teil des Güterbahnhofes aus den Händen der Deutschen Bahn (DB) zu erwerben, um es städtebaulich entwickeln zu können. Bislang jedoch wollte sich das Verkehrsunternehmen von dem Gelände nicht trennen. Doch mittlerweile gibt es offenbar ein Umdenken im Konzern, vermutlich auch ausgelöst durch eine Initiative, über den Bundesverkehrsminister sowie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer entsprechend Druck auf die DB auszuüben.

„Die Deutsche Bahn AG steht dem Anliegen offen gegenüber und ist dazu auch bereits mit dem Planer im Gespräch“, versicherte Unternehmenssprecher Holger Auferkamp auf Anfrage. „Da zur Umsetzung der geplanten Stadtentwicklungsmaßnahmen eine Umverlegung der sich im betroffenen Areal befindlichen betriebsnotwendigen Anlagen der DB erforderlich ist, wurde mit dem Planer vereinbart, dafür zunächst eine Machbarkeitsuntersuchung durchzuführen.“ Wann die Studie vorliegt, das ließ der Bahnmitarbeiter zunächst offen. Am Rathaus scheint die jüngste Entwicklung bisher vorbeigegangen zu sein. „Es ist grundsätzlich richtig und wichtig, dass die Stadt gegenüber der Deutschen Bahn AG Interesse an einer Nutzung des ehemaligen Güterbahnhofsareals angemeldet hat. Stadt und Bahn sind dazu schon seit mehreren Jahren im Gespräch. Allerdings stehen die Bahnsignale gegenüber dem städtischen Anliegen leider nicht auf freie Fahrt“, erklärte Baubürgermeisterin Juliane Naumann. „Nach Aussagen des Konzerns besteht in den nächsten Jahren Eigenbedarf an den Flächen im Süden des Bahnhofs. Sollte sich dies ändern und Flächen verfügbar werden, wird man sich diese sehr genau ansehen. Im Übrigen ist uns die Machbarkeitsstudie der DB nicht bekannt.“ Grundsätzliche Nutzungsvorstellungen zum Areal gäbe es, so die Rathausangestellte, ohne dabei konkret zu werden. „Wir müssen sie aber im Kontext der umliegenden gewerblichen beziehungsweise verkehrlichen Funktionen konkret entwickeln.“

Ideen werden kommen, hatte auch schon SPD-Stadtrat Roland Fleischer im Frühjahr verkündet. Gleichzeitig nannte er einige mögliche Bauprojekte direkt beim Namen: „Man könnte das Gelände für öffentliche Einrichtungen, Sportanlagen, Parkhäuser oder Parkplätze wie auch eventuell mittelfristig für eine Stadthalle nutzen. Der Stadtentwicklung hilft so ein Gelände in kommunalen Besitz allemal.“ Claus Gruhl von den Bündnisgrünen schlug vor, das Areal für einen weiteren Pendlerparkplatz und eine Wohnbebauung mit grünem Umfeld zu nutzen. „Selbst für die Landesgartenschau war das Gelände schon im Gespräch“, erinnert er sich. Aus der Staatskanzlei in Dresden verlautete unterdessen, dass einer der zu klärenden Punkte die tatsächliche Entbehrlichkeit der Bahnflächen sei. „Die Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz, für die das Sächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) die komplette Vorplanung finanziert, ist eine zentrale Forderung des Freistaates Sachsen an den Bund, im Rahmen des Strukturwandels sogar ein sogenanntes Leuchtturmprojekt.“ Dessen Realisierung dürfe unter keinen Umständen durch die Umnutzung des Güterbahnhofareals gefährdet werden. Weiter sagte Regierungssprecher Ralph Schreiber: „Außerdem gehört zu den zentralen verkehrspolitischen Forderungen der Staatsregierung die Verlagerung von mehr Güterverkehrsanteilen von der Straße auf die Schiene. Es muss daher sichergestellt sein, dass die Flächen tatsächlich nicht mehr für den Eisenbahnverkehr benötigt werden, also nicht leichtfertig anderen Zwecken geopfert werden. Nach einer Elektrifizierung kommt die Strecke Dresden – Görlitz bei Havariefällen auf der Niederschlesischen Magistrale als Ausweichstrecke in Betracht. Auch dieser Zweck darf nicht konterkariert werden.“

Wann das sein wird, blieb zunächst genauso unklar. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ließ lediglich wissen: „Das Land Brandenburg und der Freistaat Sachsen haben die genannten Projekte (Elektrifizierung der Bahnlinien Cottbus – Görlitz und Görlitz – Dresden, Anm. d. Red.) als prioritäre Maßnahmen für das Strukturstärkungsgesetz Kohle angemeldet. Das Bundeskabinett hat am 28. August 2019 den Gesetzentwurf beschlossen und in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Für die Ausbaustrecke und Elektrifizierung Dresden – Görlitz wurde bisher die DB Netz AG durch den Freistaat Sachsen mit der Vorplanung beauftragt. Sollte nach Beschlussfassung des Strukturstärkungsgesetzes eine Realisierung der Vorhaben nach Zustimmung beider Länder auf Basis dieses Gesetzes erfolgen, sind zunächst die Planungen bis zur Baureife, also einen Planfeststellungsbeschluss, fortzuführen.“ Erst danach seien verlässliche Aussagen zu einem Baubeginn und weiteren Details wie Lärmschutz und den notwendigen finanziellen Mitteln möglich. Das SMWA spricht unterdessen von einem Gesamtwert in Höhe von voraussichtlich 550 Millionen Euro, die der Bund zu einhundert Prozent zu übernehmen habe.

Der Görlitzer AfD-Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel zeigt sich hingegen skeptisch: „Bereits in den letzten Jahren hieß es seitens der Deutschen Bahn und des Verkehrsministeriums immer wieder, man werde jetzt endlich Milliardenbeträge für die Schiene ausgeben. Geschehen ist jedoch so gut wie nichts. 2010 versprach die Bahn beispielsweise, 41 Milliarden Euro zu investieren, und 2012 war nochmals von 28 Milliarden Euro die Rede. Wo die verbaut wurden, ist mir schleierhaft. Daher werde ich ganz genau beobachten, ob nun wirklich etwas getan wird.“

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst hegt Zweifel an einer raschen Umsetzung des Vorhabens: „Es ist schleierhaft, warum im Entwurf für den neuen Bundeshaushalt 2020 deutschlandweit nur zehn Millionen Euro für ein Sonderelektrifizierungsprogramm bereitgestellt werden. Auch für eine mögliche Finanzierung aus dem Strukturhilfepaket für die Lausitz gibt bis heute keine belastbare finanzielle Zusage.“ Und weiter: „Notwendig wäre eine Aufnahme des Projekts in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Sachsen könnte die Elektrifizierung beschleunigen, wenn es das Projekt teilweise vorfinanziert beziehungsweise sich direkt an der Finanzierung beteiligt. Nach gegenwärtigem Planungs- und Genehmigungsrecht würde es über ein Jahrzehnt dauern, bis elektrische Züge rollen könnten. Deshalb muss das Planungsrecht auf Bundesebene dringend reformiert werden.“

Zurück zum Bautzener Bahnhof: Was bislang offenbar die Wenigsten im Blick haben ist, dass diesem, sollte er tatsächlich bis 2030 oder später zum Haltepunkt für S-Bahnen und Schnellzüge werden, von Norden her eine Überlastung droht – bezogen auf die dann sich abzeichnende Situation auf den Zufahrten und Parkplätzen. Schon deshalb würde es Unternehmer und Stadtrat Jörg Drews begrüßen, wenn die Stadt an dem Ziel festhält, einen Teil des Güterbahnhofareals zu erwerben. „Eine Straffung der Gleisanlagen und somit ein Raumgewinn ist möglich“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Seinen Vorstellungen zufolge könnte ein Bereich des auf diese Weise freiwerdenden Geländes zu einer ÖPNV-Schnittstelle ausgebaut werden, damit auch vom Süden her ein Umstieg vom Bus in die Bahn gelingt. Um all das zu verwirklichen, müsse jedoch der politische Druck aufrechterhalten bleiben, so Jörg Drews.

Roland Kaiser / 05.10.2019

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