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Weniger Diebstähle, aber mehr Betrugsfälle

Weniger Diebstähle, aber mehr Betrugsfälle

Grund zur Freude: Soko-Leiter Martin Reiner (rechts) präsentiert seinen Vorgesetzten Daniel Mende (links) und Manfred Weißbach (Mitte) den jüngsten Fahndungserfolg. Foto: Uwe Menschner

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Der Leiter der Polizeidirektion, Manfred Weißbach, blickt auf ein von zwei Schwerpunkten geprägtes Jahr zurück. Foto: Uwe Menschner

Corona und die Arbeit der Soko Argus prägten das Jahr 2020 in der Polizeidirektion Görlitz. Beide verstärkten eine grundsätzlich erfreuliche Entwicklung.

Region. Das Schwarz-Weiß-Bild auf der Leinwand ist gestochen scharf. Es zeigt einen mit der Internetadresse einer bekannten regionalen Firma beklebten VW-Transporter. Das Nummernschild ist genauso klar zu erkennen wie das Gesicht des Fahrers, der ohne erkennbaren Argwohn in Richtung der Betrachter schaut. Er scheint nicht zu ahnen, dass er genau in diesem Moment von einer Videokamera aufgenommen wird und dass die so entstandenen Bilder schon bald zu seiner Festnahme führen werden. Dabei ist die Kamera keineswegs versteckt angebracht, und ihr Standort sollte sich – ebenso wie der von sechs weiteren Kameras – mittlerweile herumgesprochen haben. „Wir haben bislang durch die stationäre Videoüberwachung 80 Treffer im strafrechtlich relevanten Bereich erhalten“, erklärt Manfred Weißbach. Und im selben Atemzug betont der Leiter der Polizeidirektion Görlitz: „Dies und die Arbeit der Sonderkommission (Soko) Argus, die sich mit der Aufdeckung der grenzüberschreitenden Eigentumskriminalität beschäftigt, sind unsere größten Erfolge im zurückliegenden Jahr.“

Quantensprung in der Ermittlungsarbeit

Regelrecht ins Schwärmen kommt der Leiter der Soko, Martin Reiner, wenn er über die in den letzten eineinhalb Jahren neu hinzugekommenen Fahndungsmöglichkeiten spricht. „Einen vergleichbaren Quantensprung habe ich in 30 Jahren bei der Kriminalpolizei noch nicht erlebt“, berichtet der erfahrene Kriminalhauptkommissar. Und er fügt hinzu: „Jahrelang hatten wir kaum Ermittlungsansätze, jetzt bekommen wir sie durch die Kameras reihenweise geliefert.“ Denn die 80 strafrechtlich relevanten Treffer bilden ja nur die Spitze eines Eisbergs. „Jeder einzelne dieser Treffer liefert einen ganzen ’Rattenschwanz’ von weiter führenden Ermittlungsansätzen“, so Martin Reiner. Man könne sich das vorstellen wie einen Stammbaum mit umfangreichen Verästelungen. Im Zusammenwirken mit der polnischen Polizei gelingt es so zunehmend, nicht nur den „kleinen Fischen“, sondern auch Hintermännern und Strukturen auf die Schliche zu kommen. Befürchtungen, die Diebe würden im großen Stil versuchen, die Kameras „auszutricksen“, bewahrheiteten sich nicht. „Die Täter ändern ihre Routinen kaum“, so der Soko-Leiter. Für sie bedeutet der Diebeszug auf der anderen Seite der Neiße so etwas wie den täglichen Broterwerb. Deutsche und polnische Ermittler führen die Fahndungen in gemeinsamen Gruppen durch, stoßen dabei auch tief ins Hinterland vor: „Zuletzt haben wir eine Zerlegewerkstatt bei Liegnitz durchsucht, wo wir Teile von 25 Fahrzeugen konkreten Taten zuordnen konnten.“ Die polnische Polizei vollstrecke auf der Grundlage deutscher Ermittlungen europäische Haftbefehle – das habe eine große Symbolwirkung. Die Anzahl der „besonders schweren Diebstähle“ habe sich annähernd halbiert.
Trotz aller Erfolge gibt sich Martin Reiner jedoch nicht der Illusion hin, die Eigentumskriminalität an der Neiße komplett austrocknen zu können: „Was wir aber tun können: Die sich verfestigenden Szenen verunsichern, das Gefühl geben, dass die Polizei die Deutungshoheit über das Geschehen besitzt.“

Datenschutz wird strikt beachtet

Neben den sieben stationären Kameras im Stadtgebiet von Görlitz verfügt die Polizeidirektion auch über mehrere mobile Einheiten, die Fahrzeug gebunden vor allem im ländlichen Raum und auf der Autobahn zum Einsatz kommen können. Anders als in früheren Verlautbarungen gemeldet, setzt die Polizei auch bei Bad Muskau und Rothenburg zunächst auf die mobile Überwachung. „Der Aufbau stationärer Standorte ist sehr aufwändig“, erläutert der amtierende Leiter des Führungsstabs, Kriminaldirektor Daniel Mende. „Bei den Kameras handelt es sich um Prototypen, die einzeln für uns angefertigt werden. Und die Datenleitungen müssen umso stärker sein, je weiter der Standort vom Lagezentrum entfernt ist.“ Wenn wieder ein stationärer Standort aufgebaut wird, dann wohl zunächst im Bereich Zittau. Das Ziel, die stationäre Überwachung peu à peu auszuweiten, bleibt aber bestehen. Für den Einsatz der Gesichtserkennung wartet die Polizeidirektion noch auf „eine belastbare Entscheidung des Datenschutzbeauftragten“, wie Polizeidirektionsleiter Manfred Weißbach betont. „Die Beachtung der Gesetze und somit des Datenschutzes steht für uns immer an vorderster Stelle“, versichert er. Wisse man doch, dass es in der Politik auch Kritik an der Videoüberwachung gibt. Technisch wäre der Einsatz des entsprechenden Software-Moduls kein Problem, aber: „Wir verwenden es noch nicht.“

Enkeltrick mit Corona-Drohungen

Dass die Eigentumskriminalität im zurückliegenden Jahr deutlich zurückgegangen ist, liegt zu einem großen Teil, aber nicht ausschließlich an der Arbeit der Soko Argus: „Natürlich spielt dabei auch die Corona-Situation eine Rolle“, wie Manfred Weißbach erklärt. Der Rückgang über alle dazu zählenden Deliktfelder – vom Kfz-Diebstahl über den Wohnungseinbruch bis hin zum Ladendiebstahl – bewegt sich in der Größenordnung von 1.000 Fällen. 2019 gab es 11.813 entsprechende Fälle. Die genauen Zahlen für das Jahr 2020 werden erst im Frühjahr 2021 bekanntgegeben. Deutlich zugenommen haben jedoch die Betrugsfälle – auch dies steht oftmals im Zusammenhang mit Corona. „Es wird versucht, mit entsprechenden Schockszenarien Druck vor allem auf ältere Personen aufzubauen, um an deren Geld zu gelangen“, so der Leiter der Polizeidirektion Görlitz.
Eine Variante des altbekannten Enkeltricks also, wobei die diesbezügliche Aufklärungsarbeit in den letzten Jahren Früchte trägt: „Die Zahl der Opfer, also der tatsächlich Geschädigten, geht zurück.“
Mit Corona hat auch ein völlig neues, zuvor unbekanntes Deliktfeld Einzug in die Polizeiarbeit gehalten – nämlich die Verstöße gegen die entsprechenden Bestimmungen. „Wir haben von Anfang an auf Kommunikation gesetzt, aber jetzt sollte jeder begriffen haben, dass diese Regeln gelten und auch durchgesetzt werden“, macht Manfred Weißbach klar. Gegenwärtig fertigen die Beamten täglich etwa 80 entsprechende Anzeigen.

Die Zeiten des „Du-Du“ sind vorbei

Im Klartext: Wer beispielsweise zur Zeit der nächtlichen Ausgangssperre im Freien angetroffen wird und keinen wirklich triftigen Grund nennen kann, kommt künftig kaum noch mit einer Ermahnung davon. „Unsere Streifenbeamten sind gehalten, diese Personen anzusprechen, wenn sie sich nicht gerade auf dem Weg zu einem Einsatz befinden“, betont der Polizeichef. Generell stellt er eine geringere Akzeptanz für die Corona-Regeln fest als in der „ersten Welle“ im Frühjahr. Dies zeige sich insbesondere in Aufrufen zu Versammlungen in den sozialen Netzwerken. Die Szene werde zwar kleiner, aber aggressiver. Standen im Spätsommer noch etwa 700 Personen sonntags an der B 96, so seien es jetzt noch 250.

Die Polizeidirektion hat frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um die Einsatzbereitschaft aufrecht und den Krankenstand niedrig zu halten. Dieser lag mit Stand vom 11. Dezember bei 40 Beamten, davon elf positiv auf Covid 19 Getestete. „Wir haben unsere Fortbildungsaktivitäten zurückgefahren, das kompensiert diese Ausfälle“, erklärt Manfred Weißbach. Der Leiter sieht seine Direktion für die derzeitigen Aufgaben gut aufgestellt, nicht zuletzt, „weil die Maßnahmen der Staatsregierung zur Stärkung der sächsischen Polizei wirken und verstärkt neue Leute kommen.“ Unterstützung leistet auch die Bundespolizei, während aus anderen Bundesländern nur bei „Großlagen“ Beamte nach Sachsen kommandiert werden.

Till Scholtz-Knobloch / 03.01.2021

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