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Widersprüchliche Signale zur Bahn

Widersprüchliche Signale zur Bahn

Es geht um „den Erhalt von besonders aussagekräftigen Teilabschnitten der unter Schutz stehenden Strecke“.

Der Kampf um den Erhalt der Bahnstrecke Löbau-Zittau über Herrnhut scheint neuen Auftrieb zu erhalten. Allerdings sind die diesbezüglichen Signale bislang schwer zu deuten.

Herrnhut. „Mit großer Freude haben die Mitglieder des Pro Herrnhuter Bahn e.V. das wiedererwachte Interesse der Deutschen Bahn an der stillgelegten Eisenbahnstrecke 6214 Oberoderwitz – Niedercunnersdorf aufgenommen“. So beginnt eine Mitteilung des Vereins, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurde. Hintergrund ist der Umstand, dass die Strecke auf einer deutschlandweiten Liste von Verbindungen auftaucht, über deren Reaktivierung die Deutsche Bahn AG zumindest „nachdenken“ will.

Wie ernst diese Bemühungen tatsächlich zu nehmen sind, lässt sich derzeit schwer beurteilen. Vom Freistaat Sachsen – der von der Deutschen Bahn in dem Papier explizit als „Gesprächspartner“ benannt wird – gibt es bislang wenig Rückenwind. Dieser sieht nämlich laut dem Petitionsausschuss des Landtages keine Veranlassung, zugunsten des Erhalts der Eisenbahnstrecke in das laufende Planfeststellungsverfahren einzugreifen. Der Freistaat hätte als Träger öffentlicher Belange die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu formulieren, die dann vom Eisenbahnbundesamt als Herrin des Verfahrens abgewogen werden müsste.

Dazu wird es jedoch nicht kommen, denn laut Petitionsausschuss steht der Freistaat hinter den vom Görlitzer Kreistag gefassten diesbezüglichen Beschlüssen. Diese sehen vor, auf dem still gelegten Abschnitt Oberoderwitz – Niedercunnersdorf der Bahnstrecke Löbau-Zittau einen Radweg anzulegen. Insbesondere mit Blick auf die Kosten, die nur ein Drittel derer für den Erhalt und die Wiederinbetriebnahme des Eisenbahnbetriebs (9,4 im Vergleich zu 27,6 Millionen Euro) betragen, sieht der Freistaat keinen Grund zu einer Änderung des Kurses. Zumal „das Potenzial für eine Wiederaufnahme des Schienenpersonennahverkehrs sehr gering und für den Güterverkehr nahezu nicht gegeben“ sei und „die Herrichtung dieses Radweges sich in das Konzept der touristischen Erschließung des Landkreises einordnen lässt“.

Weltkulturerbe ändert nichts

Auch die Bewerbung der Stadt Herrnhut für das Weltkulturerbe ändert nichts an dieser Einschätzung: „lm Verfahren konnte bisher nicht festgestellt werden, dass die Eisenbahn Bestandteil der Bewerbung ist.“ Die Herrichtung des Radweges stehe dazu nicht im Widerspruch. Im bisherigen Verlauf der Planfeststellung deutete sich ein Konflikt mit den Interessen des Denkmalschutzes an, der den Erhalt möglichst vieler Gleis- und Sicherungsanlagen forderte, was die Deutsche Bahn jedoch ablehnte (der Oberlausitzer Kurier berichtete). In der Stellungnahme des Petitionsausschusses ist davon die Rede, dass „die Denkmalschutzbehörde dem Vorhaben zustimmt, wenn die Bahnhofsgleise in Herrnhut und weitere ausgewählte technische Anlagen erhalten bleiben und künftig im Rahmen eines Freilichtmuseums präsentiert werden“. Das Landesamt für Denkmalschutz hält diese Formulierung für unglücklich, auch wenn sie im Kern zutreffe: „Es geht um die Erhaltung von besonders aussagekräftigen Teilabschnitten der insgesamt als Sachgesamtheit unter Schutz stehenden Strecke.“

Begriff „Freilichtmuseum“ ist unzutreffend

„Die erscheint trotz Radwegplanung grundsätzlich möglich, weil die Strecke zweigleisig geplant war, aber nur eingleisig ausgeführt wurde“, so Sprecherin Sabine Webersinke. Und weiter: „Die Anlage eines Radweges stellt eine geeignete und realistische Möglichkeit dar, der denkmalgeschützten Strecke nach Einstellung des Bahnverkehrs wieder eine Funktion zu geben und damit ihre Erhaltung langfristig zu sichern. Der Bahndamm mit seine Ingenieurbauwerken und der technischen Ausstattung soll auf ganzer Länge erhalten bleiben. Sie dürften einer Nutzung als Radweg nicht im Wege sein.“ Eine Aufforderung, sich als Träger öffentlicher Belange zu äußern, habe das Landesamt noch nicht erhalten.

Der Pro Herrnhuterbahn e.V. hält an der Wiederbelebung der Bahnstrecke fest und verweist dazu auf eine im Rahmen der Zukunftswerkstatt Lausitz erarbeitete Verkehrsstudie. Diese zeige, „dass die Pläne von Deutscher Bahn AG und dem Landkreis Görlitz zum Verkauf/Kauf der Herrnhuter Bahnstrecke und zu ihrer Umwandlung in einen Radweg auf völlig veralteten Annahmen beruhen. Sie werden der aktuellen verkehrspolitischen Diskussion überhaupt nicht gerecht und sollten so rasch wie möglich gestoppt werden, damit die Relevanz der Herrnhuter Bahn in einem überregionalen, grenzüberschreitenden Eisenbahnetz der Lausitz neu bewertet werden kann“.

Uwe Menschner / 20.07.2021

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Kommentare zum Artikel "Widersprüchliche Signale zur Bahn"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Radfahrender Eisenbahnfan schrieb am

    Der Bau von Radwegen auf Eisenbahnstrecken/-trassen ist eine Pest. Fast muss man sich schämen, wenn man ab und zu auf einem Bahntrassenradweg mit dem Rad fährt, weil daraus geschlussfolgert wird, dass die Umwandlung von Bahnstrecken/-trassen zu Radwegen eine "für eine Region lohnende Angelegenheit ist" (von wegen die paar Einnahmen von Cafés, ggf. Pensionen etc.). Mit Umweltschutz hat das zudem gar nichts zu tun, da die Radler oft mit dem Auto anreisen. Mir geht es jedes Mal so, dass ich statt des Radweges lieber eine Bahn hätte, mit dem Rad kann ich auch woanders lang fahren. Unsere Vorfahren haben doch vor über 100 Jahren nicht mit großer Mühe Tunnel, Einschnitte und Brücken geschaffen, damit diese wenig später von Radfahrern benutzt werden.

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