Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

„Wir müssen endlich miteinander reden“

„Wir müssen endlich miteinander reden“

IHK-Geschäftsstellenleiterin Jeanette Schneider fordert vom Rathaus eine bessere Kommunikation ein, um gemeinsam Lösungen für die kränkelnde Innenstadt zu finden. Foto: RK

Woran kränkelt Bautzens Innenstadt? Vor dem Hintergrund leerstehender Läden und einer ausbaufähigen Bettenauslastung fragt sich das auch die in der Spreestadt ansässige Industrie- und Handelskammer – und zwar nicht erst seit einem Beitrag im Oberlausitzer Kurier. IHK-Geschäftsstellenleiterin Jeanette Schneider hat zwar kein Patentrezept, wohl aber Gesprächsbedarf. Redakteur Roland Kaiser hörte ihr zu.

Wie beurteilen Sie die Situation des Handels, der Gastronomie und der Hotellerie in der Innenstadt?

Jeanette Schneider: Aus meiner Sicht fehlt in Bautzen ein Stück weit die Branchenvielfalt, Stichwort Spielzeugladen. Wenn wir Besucher und Kunden in die Stadt locken wollen, dann geht das nicht nur mit dem Kornmarktzentrum. Es bedarf eines breiteren Angebots. Möglichkeiten dafür haben wir durchaus beispielsweise in der Reichen- oder auch in der Goschwitzstraße. Zudem müssen wir uns der Frage stellen, wer wird einmal das Geschäft oder das Lokal übernehmen, wenn dessen Inhaber aus Altersgründen das Handtuch wirft. Sprich, es gibt Unternehmen, die jetzt keinen Nachfolger finden. Wenn ich einen etablierten Laden habe und mir die Immobilie vielleicht sogar gehört, in der der Laden betrieben wird, ist das eine andere Situation, als wenn ich das Ganze erst kaufe. Dann müsste ich ein völlig anderes Ergebnis erzielen. Ob das so rentabel ist, sehen wir in vielen Bereichen.

Was kann die IHK zusammen mit Stadt, Vereinen und Verbänden leisten, damit sich die Lage in der Altstadt nicht weiter verschärft?

Jeanette Schneider: Einen Beitrag in Form von Lösungskonzepten können wir nicht liefern. Aber miteinander das Gespräch führen, um darüber zu einem Ergebnis zu kommen – das erachte ich als angebracht und sehr wichtig. Wir haben über den einen oder anderen Kanal die Möglichkeit, Dinge zu publizieren oder Erfahrungen aus anderen Kommunen beziehungsweise Gewerberunden einfließen zu lassen. Fakt ist: Eine Art Brainstorming täte Bautzen gut, wenn sich alle an einem Tisch zusammenfinden und in eine Richtung steuern. Persönliche Befindlichkeiten sollten dabei zurückgesteckt werden. Wir haben eine Menge Händler, Gastronomen und Hoteliers – wenn man die auf dem Weg mitnimmt, dann denke ich, werden wir Ideen für eine Belebung der Innenstadt zusammentragen können.

Inwieweit sich diese umsetzen lassen, ist eine andere Frage. Der Erfahrungsaustausch und das Gespräch miteinander bringen uns eventuell weiter in dieser schwierigen Situation. Derzeit kämpft jeder irgendwo für sich allein. Das darf nicht länger der Fall sein.

Sie kreiden der Rathausmannschaft an, dass sich diese bislang gegen solch einen Vorschlag sträubt?

Jeanette Schneider: Den Austausch mit den Unternehmern, mit den zuständigen Vereinen und Verbänden gibt es quasi nicht. In der Ära Schramm war die Kommunikation eine andere. Da fanden solche Zusammenkünfte statt, in deren Rahmen sich der Oberbürgermeister mit seinen Bürgermeistern, den Vereinen und Verbänden zusammengesetzt hat, um Informationen auszutauschen. Dies ist seit dem Amtsantritt von Alexander Ahrens nicht mehr so. Und dass die Kommunikation abgerissen ist, haben auch schon andere festgestellt. Das bedauere ich, da wir als IHK Kontakte zu vielen Unternehmen unterhalten. Man kann vor diesem Hintergrund sicherlich in beide Richtungen Informationen transportieren. Aber wenn es keinen Austausch gibt, ist dieser Kommunikationsweg nicht vorhanden.

Welchen Beitrag könnte das Rathaus leisten?

Jeanette Schneider: Die Kommunikation in Gang setzen und sich mit allen Akteuren austauschen. In diesem Zusammenhang wäre es ratsam, an einem weiteren Höhepunkt zu feilen, damit Gäste nicht nur über Ostern längere Zeit in der Stadt bleiben. Ideen aus dem Tourismusverband könnten aufgegriffen werden. Die Einkaufsnacht „Romantica“ und der Wenzelsmarkt sind meines Erachtens Veranstaltungen, die Tagestouristen nach Bautzen lotsen. Allen, die länger in der Stadt bleiben möchten, müssen wir zusätzliche Angebote auch in Kooperation mit den Umlandgemeinden unterbreiten. Vielleicht wäre es angemessen, eine Frühlingsmesse in Verbindung mit Ostern zu veranstalten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir damit eine bessere Bettenauslastung im Jahr hinbekommen. Zudem haben wir die Möglichkeit, deutschlandweit auf Erfahrungen anderer Kommunen zurückzugreifen, wie sich verschiedene Veranstaltungen ausbauen lassen. Dann müssen wir nicht bereits am Ostersonntag sagen, liebe Besucher, das war’s schon.

Sie haben es bereits mehrmals anklingen lassen, dass in punkto Kommunikation ein klares Defizit in der Spreestadt besteht.

Jeanette Schneider: Die Kommunikation ist absolut wichtig und eine der Voraussetzungen für ein gutes Miteinander. Oder sagen wir es anders: Die Stadtverwaltung braucht die Wirtschaft und die Wirtschaft benötigt die Stadt. Ich glaube, in dem Bereich haben wir Defizite. Das bekomme ich des Öfteren von Unternehmern widergespiegelt, die es im Übrigen sehr schade finden, dass zu wenig Austausch zwischen Stadt und regionaler Wirtschaft existiert. Die neuesten Bestrebungen, einen Wirtschaftsbeirat zu gründen, begrüße ich natürlich. Allerdings sollte der sich aus aktiven Leuten rekrutieren und nicht allein aus Wirtschaftssenioren, die ihr Unternehmen schon gar nicht mehr führen. Heutige Unternehmer sind mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. Und davon gibt es reichlich in der Stadt.

Wo sehen Sie Bautzen in den nächsten Jahren?

Jeanette Schneider: Auf dem Level, auf dem wir uns derzeit bewegen, im besten Fall stagnierend. Es geht nicht darum, auf den großen Investor zu setzen und zu hoffen, dass er irgendwann an die Rathaustüren klopft. Vielmehr sollte die Arbeit der familiengeführten Unternehmen, die sich hier in der Stadt engagieren, wertgeschätzt werden. Nur ein Beispiel: In Bischofswerda besucht Oberbürgermeister Große einen Betrieb nach dem anderen, um sich mit den Firmen auszutauschen. Diese Stippvisiten des Stadtoberhaupts verschaffen den Firmen unter anderem mediale Aufmerksamkeit, was dazu führt, dass Nachwuchskräfte für die regionale Wirtschaft sensibilisiert werden. In Bautzen sollte diese Art der Kommunikation ebenfalls Schule machen.

Warum fällt es den Bautzenern so schwer, die Idee einer Osterhauptstadt in die Tat umzusetzen?

Jeanette Schneider: In erster Linie fehlt jemand, der sich den Hut aufsetzt, andere mobilisiert und für sie die Richtung vorgibt. Darüber hinaus kostet deutschlandweites Marketing viel Geld. Das müsste schon mit Fördermitteln untersetzt werden. Und derjenige, der vorangeht, wird seine Arbeit auch nicht nur ehrenamtlich ausüben. Ich glaube aber, die Bereitschaft mitzumachen ist da. Eine andere Herausforderung besteht in der Imagepflege. Wir müssen auch in diesem Bereich Akzente setzen.

Nicht nur Handel und Gastronomie würden davon profitieren, sondern auch die Hotelbranche. Und genau da stellt sich wiederum die Frage, wie sich eine bessere Bettenauslastung erreichen lässt.

Grundsätzlich ist die Frage des Images bedeutend dafür, in welchem Ort ich meine freie Zeit verbringen möchte. Wir haben eine wunderbare Altstadt, und wir verfügen sowohl über zahlreiche Sehenswürdigkeiten als auch Ausflugsziele im Umland. Es gibt also keinen Grund, hier nicht Urlaub zu machen. Wenn natürlich, wie in den vergangenen Monaten passiert, von Bautzen ein schlechtes Bild ausgesendet wird, hält das sicherlich den einen oder anderen Touristen davon ab, zu uns zu kommen. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Stadt positiv verkaufen. In diesem Zusammenhang benötigen wir ein Gesamtkonzept, um zu klären, in welche Richtung will sich Bautzen entwickeln und an welcher Stelle setzen wir den Schwerpunkt.

Einige sehen diesen mitunter in der fehlenden Brötchentaste. Welche Bedeutung messen Sie ihr bei?

Jeanette Schneider: Bautzen ist die Knöllchenhauptstadt schlechthin. Das ergab in der Vergangenheit eine Befragung der IHK unter Firmeninhabern in Städten mit mehr als 40.000 Einwohnern. Ich glaube nicht, dass die Brötchentaste alles gut macht. Sie hilft dabei, kurzfristige Erledigungen zu bewerkstelligen. Wir aber wollen Besucher längere Zeit in der Stadt behalten. Demzufolge sehe ich in diesem Punkt keine Ansätze für eine Verbesserung der Lage. Um mit den Worten von Ex-Oberbürgermeister Christian Schramm zu sprechen, verfügt die Stadt über eine gute Ausstattung an Parkplätzen. Ich glaube auch nicht, dass Menschen sich davon abhalten lassen Bautzen zu besuchen, nur weil sie hier abkassiert werden könnten. Ich schlage hingegen vor, manchmal etwas sensibler mit Autofahrern umzugehen und ihnen nicht gleich im erst besten Moment ein Knöllchen an die Windschutzscheibe zu heften. Letztendlich sehe ich in der Parkplatzproblematik nicht das Hauptproblem, weswegen Bautzens Innenstadt kränkelt.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Roland Kaiser / 21.03.2017

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Weitere aktuelle Artikel