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Wo man die Engel singen hören kann

Wo man die Engel singen hören kann

Vor den Besuchern der Kamenzer Justkirche entfaltet sich nach der Restaurierung der Wandmalereien eine unvergleichliche Bilderwelt.

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Sandra Risz (oben) und Sonja Kaethen haben die Restaurierungsarbeiten in der Justkirche maßgeblich vorangetrieben. Foto: Archiv

Die Restaurierung der Wandmalereien in der Kamenzer Justkirche ist abgeschlossen. Jetzt sollen sie zu einem über die Region hinaus ausstrahlenden Anziehungspunkt werden.

Kamenz.
„Über uns erstreckt sich ein Himmel, der nicht leer ist, sondern den viele Engel bevölkern. Engel, die singen und Gottes Wort verkünden.“ Man mag zu dieser Vorstellung des evangelischen Kamenzer Pfarrers Michael Gärtner stehen, wie man will; auf das zweitkleinste der vier Gotteshäuser, die zu seiner Kirchgemeinde gehören, trifft sie zweifellos zu. Denn dort tummelt sich am Kirchenhimmel – oder profaner ausgedrückt an der Decke des Chorraums – eine schier unüberschaubare Anzahl der geflügelten Himmelsbewohner. In schwarz oder in weiß, mit ausgebreiteten oder herabhängenden Flügeln, stehend oder fliegend – ihre Posen sind so vielfältig wie die Fantasie der Betrachter. 

Die Engel bevölkern die Kamenzer Justkirche schon seit vielen Jahrhunderten; doch nicht immer waren sie für die Besucher sichtbar. Die meiste Zeit seit ihrer Erschaffung im frühen 15. Jahrhundert verbargen sie sich hinter dicken Putzschichten oder Übermalungen, wohl einem Stadtbrand im Jahre 1542 geschuldet, der auch in der damals schon seit mehr als 150 Jahren bestehenden Justkirche zu umfangreichen Bauarbeiten zwang. „Fast 400 Jahre vergingen bis zur Wiederentdeckung und Freilegung durch den Kamenzer Architekten Werner Reif“, blickt der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz zurück. Die damals vorgenommene Restaurierung mit in großer Anzahl ausgeführten Retuschen erwies sich aus heutiger Sicht als nicht zielführend. „Darum haben wir uns entschlossen, Abstand von ihr zu nehmen und die damals angefügten Übermalungen wieder abzunehmen“, wie der leitende Restaurator Uwe Rähmer erklärt.

Bis es jedoch dazu kommen konnte, war ein weiter Weg zurückzulegen. Nach den Arbeiten von 1937 gerieten die Malereien in der Justkirche – mehr oder weniger – wieder in Vergessenheit. Als sich 2013 erstmals wieder Restauratoren mit ihnen beschäftigten, waren sie ob des schlechten Zustands und der trostlosen Anmutung schier entsetzt. „Ein Grauschleier aus Staub und Schmutz lag über den Bildern und nahm ihnen jede Lebendigkeit. Hinzu kamen Salzkristalle, die an den Wänden blühten“, erinnert sich Uwe Rähmer.

Der erste Schritt musste daher in einer ebenso behutsamen wie sorgfältigen Reinigung bestehen. Die Gerüste wurden im März 2017 aufgestellt – „zu einer Zeit, als es in der Kirche schweinekalt war“, wie der Restaurator anmerkt. 

Doch es durfte keine Zeit verloren gehen. Die Übermalungen von 1937 erwiesen sich zum Glück als wenig anhaftend – „mit Warmwasser und Schwämmen konnten wir sie lösen.“ Erst als dies erledigt war, konnte die eigentliche Restaurierung beginnen. Hohlstellen mussten verfüllt, Risse stabilisiert, lockerer Putz befestigt und – das sicher der schwierigste Part – Fehlstellen ergänzt werden. Über die Art und Weise waren die beteiligten Fachleute keineswegs immer einer Meinung.
Doch nun sind die Arbeiten abgeschlossen, und das Ergebnis nach übereinstimmender Meinung aller Beteiligten „überwältigend.“ „Die Wahrnehmbarkeit und Lesbarkeit der Bildzyklen hat sich deutlich verbessert. Das Ergebnis übertrifft unsere Erwartungen“, schätzt Pfarrer Michael Gärtner in recht nüchternem Ton ein. Elfie Jatzke vom Vorstand der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde bringt ihr Empfinden emotionaler zum Ausdruck: „Was hier geschaffen wurde, ist wunderschön!“ Und tatsächlich entfaltet sich vor dem Besucher ein Raumerlebnis, das man in dieser so kleinen, von außen völlig unscheinbaren Kirche niemals erwarten würde. Und auch, wer nicht an Engel glaubt, kann sie förmlich singen hören. Freilich trägt auch der prachtvolle Altar nicht unerheblich zu diesen Eindrücken bei.

Ein Erlebnis, das sich herumsprechen soll. Schließlich gelten die Malereien in der Justkirche als weit über die Region hinaus bedeutsam, in ihrer künstlerischen Qualität vergleichbar mit zur selben Zeit entstandenen Arbeiten in Böhmen. „Der Kirchgemeinde ist es ein großes Anliegen, die Kunstwerke der St.-Just-Kirche stärker in den Blick der Öffentlichkeit zu rücken“, wie Pfarrer Michael Gärtner betont. So soll der Innenraum künftig in die bereits bestehenden Führungsangebote der Stadtinformation einbezogen werden. Auch saisonale Öffnungszeiten sind im Gespräch. Und freilich bleibt die Justkirche – wie schon bisher – Begräbniskirche für den benachbarten Friedhof. Der Oberbürgermeister hat noch eine weitere gute Nachricht für die regelmäßigen Kirchenbesucher: „Die Begrenzung auf Tempo 30 vor der Kirche auf der Königsbrücker Straße ist auf dem Weg.“ Nicht nur die Engel wird es freuen. 

Uwe Menschner / 11.11.2018

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