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Corona hat den Zodlern in die Hände gespielt

Corona hat den Zodlern in die Hände gespielt

Matthias Thau (links) hat in die Privatschatulle gegriffen, das Vereinsheim gekauft und den Spielplatz angelegt; rechts von ihm Mannschaftsbetreuer Steffen Höhne Foto: Till Scholtz-Knobloch

Wieso Vereinsbeiträge zahlen, wenn im Angesicht von Corona sportlich eh nichts los ist? Bei Deutschlands östlichstem Fußballverein, dem SV Zodel 68, gilt diese Rechnung nicht. Hier hat die Pandemie dem Tatendrang und dem Zusammengehörigkeitsgefühl im Dorf eher Flügel verliehen.

Zodel. Ein Sportverein lebt eigentlich Woche für Woche aus seinen sportlichen Veranstaltungen. Über Monate zur Untätigkeit in Sachen der Leibesertüchtigung verdammt, kriselt es so in vielen Vereinen. Doch was insbesondere in den Städten, wo Sportklubs eine von vielen Bespaßungen bieten, gelten mag, kann auf dem Dorf auch ganz anders wirken. „Corona hat uns in die Karten gespielt“, sagt der Vizepräsident des SV Zodel 68, Matthias Thau, der mit Präsident Mike Kohnert und Schatzmeister Thomas Sowodniok seit zwei Jahren viel Elan im Ort verbreitet hat.

Sponsoren und Gönner gibt es wie anderenorts. So unterstützt der ehemaligen Spieler und Ur-Zodeler Matthias Jaeger (Jaeger Hoch- und Tiefbau) den Verein ebenso wie die Landskron-Brauerei und hiesige Baumärkte – zuvorderst Hornbach. Doch mit Matthias Thau hat der Verein da noch einen besonderen Trumpf im Ärmel.
Neben dem grünen Rasen steigen wir die Treppen zu den Umkleiden an einem Gebäude hinauf, das in seiner ganzen Masse doch kaum ein Vereinsheim bilden kann, oder? Doch, genau das ist die Zukunft. Matthias Thau hat das Gebäude gekauft, so dass der Verein nicht mehr allein 200 Quadratmeter für die Umkleiden und den Ausschank hinter der Balustrade nutzen kann, sondern satte 2.000! Und vom Verein will er statt der bisher bescheidenen Miete nun gerade monatlich 100 Euro mehr für das Zehnfache an Fläche. Dabei ist das ganze Areal sicher keine Augenweide. Der Ortsfremde wird bei der Fahrt zum Fußballplatz erschlagen von der Wuchtigkeit eines Gebäudes, dass in der Endphase der DDR für die LPG entstand, dann im Rohbau vor sich hindämmerte, bis der Koloss zunächst zum Möbelkaufhaus wurde. Im größten Saal verrät Matthias Thau: „Hier entsteht der Festsaal und Versammlungsraum mit Beamer – ich stelle mir sowieso vor, dass wir als Sportverein weit über Fußball hinaus etwas anbieten“, sagt der einstige Boxer des NSV Gelb-Weiß Görlitz, der sich selbst kein echtes Fußballtalent bescheidet. 

„Da Zodel im Kreis so zentral liegt, bieten sich hier z.B. auch Weiterbildungsveranstaltungen für Schiedsrichter an“, sagt Steffen Höhne, der im Verein die Öffentlichkeitsarbeit innehat und als Mannschaftsbetreuer die Befindlichkeiten der Spieler kennt, dem Trainer den Rücken freihält oder sich auch schon einmal nach einem Job für einen Kicker umschaut, um diesen im Verein zu halten.

Doch statt 100 Mitglieder, die Fußball spielen oder verfolgen, sollen es im 600-Seelen-Dorf bald 200 werden. „Wir heißen Sportverein und können nun Platz für vieles anderes anbieten“, bekundet Matthias Thau und führt in den nächsten riesigen Raum, den der Verein als Fitnesscenter einrichten möchte. „Wir sind für alle sportlichen Ideen offen, aber über Fitness kann man natürlich schon richtig in die Breite gehen und alle Generationen ansprechen“, ist sich Thau sicher, dass dieser Raum Zukunft verheißt.

Doch Machen heißt nicht nur, im Zusammenspiel vieler Ehrenamtlicher allein eine Immobilie herzurichten. Es geht vor allem um Ideen und das richtige Händchen. So sei es auch für die Dorfgemeinschaft gar nicht entscheidend, dass sich alle dem Körperkult hingeben, der Verein als solches sei vielmehr der Schlüssel zur Gemeinschaft. Das erlebe man, wenn sich bei den Fußballspielen Menschen, die sich eigentlich nicht für das runde Leder interessieren, bei Kaffee und Kuchen oder Fassbier in geselliger Runde zusammenfinden.
Da zum Gelände seines privaten Vereinsheims eine große Wiese gehört, hat Thau hier gleich mit Unterstützung aus dem Ort einen Spielplatz mit vielen Geräten angelegt, während zwischen dem Spielplatz und dem Vereinsheim Schafe ihre Heimat gefunden haben. Auch das hat seine Bewandtnis. Wo das Gemeinschaftsgefühl nicht aus eigenem Antrieb angesteuert und miterlebt wird, da hilft Matthias Thau auch schon einmal nach. Ihm sei es z.B. gelungen, einen Eigenbrödler einzubinden, indem dieser hier nun ein eigenes Schaf grasen lässt. Für die Kinder sind die Schafe das Größte, besser als über Tiere kommt man kaum ins Gespräch.
Matthias Thau und Steffen Höhne pflegen als Angehörige der gleichen Generation viele gemeinsame Erinnerungen. Etwa die, wieso der SV Zodel 68 überhaupt in der „Märchenwaldarena“ beheimatet ist. „Das kommt daher, dass wir als Kinder hinter dem Sportplatz gespielt haben. Zwischen den Bäumen entstanden unter uns Kindern immer mehr Geschichten märchenhaften Hintergrunds. Das haben wir einfach im Namen behalten“, berichtet Steffen Höhne. Auch erinnere man sich gerne an den einstigen Jugendclub, der kurz vor der Jahrtausendwende sogar Bad Boys Blue hierhergelotst hatte. Und da nicht alle über den Sport zu ködern sind, soll das riesige Vereinsheim nunmehr auch Heimstatt für einen quasi neuen Jugendclub im Schoße des SV Zodel werden.
Der Ur-Zodeler Matthias Thau, der in Kodersdorf lebt, möchte dem Ort auch etwas zurückschenken und die Generationen aufwachsen sehen, bekennt er dann ganz nebenbei. Vor wenigen Jahren habe er seinen 12-jährigen Sohn durch Leukämie verloren. „Ich bin schon die treibende Kraft“, findet er in diesem Moment zurück ins Jetzt und bittet, im Text nicht zu sehr die erste Geige zu spielen. Das A und O sei es, ein familiäres Flair für Mitglieder und die Dorfbewohner zu schaffen. Sportlicher Erfolg schaffe Zufriedenheit, stehe aber nicht im Mittelpunkt. Dabei hatte der SV Zodel die abgebrochene Kreisligasaison mit dem 6. Platz unter 14 Mannschaften nach acht Spielen durchaus erfolgreich gestaltet.

Als östlichster Fußballverein der Republik hatte man nach der Wende übrigens auch enge Kontakte über die Neiße zum MGKS Hutnik Penzig (Piensk) geknüpft. Doch man wolle heute nicht den Weg vieler Klubs gehen, die Spieler aus Polen finanziell ködern. „Die Gemeinschaft muss im Mittelpunkt“ stehen, sagt Matthias Thau über den Verein, der mit seinem Eifer alle Kriterien erfüllt, als echte Graswurzelbewegung durchzugehen.
Es gibt da aber noch eine ganz andere Idee, mit der man das Attribut vom östlichsten deutschen Fußballklub beleben könnte. Im „Zipfel“-Verbund schielt man darauf, einmal den nördlichsten Verein SC Norddörfer Sylt, den westlichsten, VfR 1912 Tüddern aus dem Selfkant im Rheinland und den FC Oberstdorf 21 aus dem Allgäu an die Neiße zum Zipfelturnier einzuladen. Aber zumindest das ist eine Aufgabe, die erst nach Corona richtig klappen kann.

Till Scholtz-Knobloch / 23.05.2021

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