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Innovationsschmiede in der Oberlausitz

Innovationsschmiede in der Oberlausitz

Menschen haben an der Laserblanking-Anlage eigentlich nicht viel zu tun. Hier kontrolliert Patrick Wowtscherk die Greifvorrichtung.

Ostdeutsche Standorte von westdeutschen Konzernen gelten zumeist als verlängerte Werksbänke ohne eigenes Innovations-potenzial. Die Trumpf-Gruppe beweist mit ihrem Werk in Neukirch/Lausitz, dass es auch anders geht.

Neukirch/Lausitz. Zutritt verboten. „Schließlich möchte niemand gern sein Augenlicht verlieren“, meint Patrick Wowtscherk. Er ist als Projektleiter bei Trumpf Neukirch für eine neuartige Laserschneidmaschine verantwortlich. 
In Aktion beobachten kann man sie nur auf einem viergeteilten Bildschirm oder aus sicherer Entfernung von einer Beobachtungsplattform aus. 

Von dort aus sieht man, wie der Greifarm des Roboters, an dem unten zahlreiche Saugnäpfe befestigt sind, die zuvor geschnittenen Blechteile – in diesem Falle handelt es sich um B-Säulen für einen deutschen Automobilhersteller – anhebt und auf einem parallel abgestellten Transportwagen ablegt. „Dieser Vorgang sieht sehr simpel aus. In Wirklichkeit ist er aber äußerst komplex“, weiß Patrick Wowtscherk. Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Teile, die die Maschine aus der „Coil“ – der zweieinhalb Kilometer langen Blechrolle – herausschneidet, ergeben sich immer wieder neue „Strategien“ für das Anheben mithilfe der Saugnäpfe.

Maschine lernt selbstständig

Das besondere daran: Die Maschine muss nicht jedes Mal neu programmiert werden, wenn ein neues Teil zu bewegen ist. „Aufgrund der in ihren Algorithmen verankerten künstlichen Intelligenz lernt sie selbst, welche Transportstrategie sich am Besten eignet“, erklärt Projektleiter Patrick Wowtscherk. 
Er selbst und seine Kollegen können sich entspannt zurücklehnen, wenn die „Laserblanking-Anlage“ – so der Fachbegriff – in Aktion tritt. 

Die Maschine optimiert nicht nur den Transport selbsttätig, sondern auch den Materialverbrauch. 
Schließlich soll möglichst wenig von dem wertvollen Metall auf der Coil im Abfall landen. Der Mensch muss nur eingreifen, wenn eine Wartung oder eine Überprüfung erforderlich ist. Oder im Falle einer Störung.

Apropos Störung. Die kann natürlich auch bei der modernsten Maschine auftreten, und dann tut schnelle Hilfe Not. Laserschneidanlagen von Trumpf sind weltweit im Einsatz, und natürlich kann nicht immer ein Monteur vor Ort sein. 

Genau dafür gibt es jetzt in Neukirch ein Telediagnose-Zentrum. „Die Überwachung und Fehlersuche über das Internet war auch bisher schon möglich. Jetzt, in der nächsten Stufe, sind wir in der Lage, von Neukirch aus aktiv in den Bearbeitungsprozess einzugreifen“, erklärt Arnim Brüchle. Theoretisch ist vor Ort kein Bediener mehr nötig; „das ermöglicht es unseren Kunden unter anderem, Nachtschichten ohne Personal vorzunehmen“, so der Geschäftsführer von Trumpf Neukirch. 

Kompetenzzentrum für Automatisierung

Er sieht in den beiden jetzt umgesetzten Projekten wichtige Schritte zur Stärkung des Oberlausitzer Standortes, dem innerhalb des Firmenverbundes eine ganz besondere Funktion zukommt: „Wir sind das Kompetenzzentrum für die Automatisierung der Trumpf-Systeme und -anlagen; ob Flachbett-, Biege- oder Stanztechnologie.“ Bei der neuen Laserblanking-Anlage tritt die Automatisierung gleich in zwei Ausprägungen zutage: einerseits in der bereits beschriebenen künstlichen Intelligenz, die selbstständiges Lernen ermöglicht. Andererseits in der Robotik: „Sie wurde in Zusammenarbeit mit Siemens entwickelt und wird in der Trumpf-Gruppe nachhaltig den Materialfluss sicherstellen.“ Die Zusammenarbeit mit Siemens – speziell dem Standort Chemnitz des Weltkonzerns – war für den Erfolg des Projektes entscheidend: „Sie zeigt, wie innovationsfähig die Region ist. Starke Partnerschaften sind bei der Entwicklung von digital vernetzten Lösungen der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Uwe Ruttkamp, Leiter Machine Tool Systems bei Siemens. 

Mithilfe eines von Siemens entwickelten „digitalen Zwillings“ konnte die Maschine bereits Blech schneiden, als es sie noch gar nicht gab. Dabei sind die jetzt vorgestellten Projekte erst der Anfang: „Für den Ausbau der Produktion von vollautomatischen Laserschneideanlagen in Neukirch plant Trumpf in den nächsten drei Jahren Investitionen von rund elf Millionen Euro“, so Arnim Brüchle. 

Und natürlich bleibt das auch für den Personalbedarf nicht ohne Folgen: „Wir beschäftigen derzeit 450 Mitarbeiter und wollen im digitalen Umfeld weiter wachsen“, betont der Geschäftsführer. 
Insbesondere für Softwareentwickler steht am Werkstor alles andere als „Zutritt verboten.“ 

Uwe Menschner / 26.09.2021

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