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Mit dem FC Niesky 1908 fing vor 111 Jahren alles an

Mit dem FC Niesky 1908 fing vor 111 Jahren alles an

111 Jahre Vereinsgeschichte verpflichten einen Verein, sich seiner Historie bewusst zu werden und zur Vergangenheit zu forschen. Foto: FV Eintracht Niesky

„Wann genau es war, dass vor 111 Jahren der Verein gegründet wurde, das muss noch erforscht werden“, sagen Eintracht-Pressesprecher Andreas Löper und Vorsitzender Toni Heide. Dass es noch einige Quellen gibt steht fest, doch die Auswertung wird viel Mühen kosten, auch wenn mittlerweile schon ein ganz gutes Gerüst für die bislang unbekannten Vorkriegsjahre dank Recherchen des Niederschlesischen Kuriers vorliegt.

Niesky. Der unrunde Geburtstag mit seiner Schnapszahl 111 soll den Verein selbst bekannter machen – und seine vielen Angebote an die Nieskyer und die Einwohner der Nachbarorte. Von den 240 Mitgliedern sind etwa die Hälfte Jugendliche. In drei Männerteams und neun Nachwuchsteams wird hier Fußball gespielt. Damit sind alle Altersklassen besetzt. Aktuell hat der FV Eintracht 18 Nachwuchstrainer, darunter fünf Lizenztrainer, sieben Schiedsrichter und ist seit 2007 DFB-Stützpunkt.

Vom aktuellen Leistungsvermögen des Klubs ist viel zu sehen im Jahreskalender des FV Eintracht für 2019. „Erstmals hat der Verein einen solchen Kalender herausgebracht“, sagt Andreas Löper. Dieser ist im Januar ja auch noch frisch und im Vereinshaus am Nieskyer Jahnsportplatz, bei Sport Vetter und bei Opel Henke zu bekommen. Selbst mit dem Preis für den Kalender stimmt der Verein auf sein unrundes Jubiläumsjahr ein und verkauft ihn für 11,11 Euro.

Promi-Talk, Stadionfest, Kindergartenturnier und ein Fußballspiel gegen einen hochkarätigen Gegner: All das haben die Eintracht-Fußballer auf der Veranstaltungsliste für das Jubiläumsjahr. Ein Baustein dabei ist auch der Budenzauber vom 15. bis 17. Februar, der immerhin auch schon seit fünf Jahren stattfindet. Dann rollt der Ball unterm Hallendach der „Bahnhofshalle“. Über 400 Nachwuchssportler, regionale, wie namhafte Teams, auch aus Polen und Tschechien von der G- bis zur C-Jugend sind dann aktiv und jedes Mal fiebern etwa 1.000 Zuschauer mit. Hier leistet der komplette Nachwuchsbereich um das Organisationsteam von Nachwuchsleiter Sebastian Heyde tolle Arbeit.

Weit mehr als fünf Jahre Bundezauber hat die Vereinsgeschichte zu bieten. Bereits sicher ist, dass die Nieskyer Fußballer keinen Schindluder mit ihrem Gründungsjahr 1908 betreiben. Während sich z.B. 1860 München oder die TSG 1899 bei ihrem Gründungsjahr auf den Start durch ihre Turner beziehen, bei den Löwen jedoch erst seit 1900 und im Kraichgau gar erst seit 1920 gekickt wird, ist der Start mit dem runden Leder 1908 in Niesky sicher.

Und das ist für Sporthistoriker schon beachtlich, ging das Fußballspiel quasi auch als Folge seiner Verbreitung während der Schießpausen im Ersten Weltkrieg in Klein- und Mittelstädten fast überall erst 1919 oder 1920 los.
Im DFB-Jahrbuch von 1909 ist Niesky 08 noch nicht genannt, was Pressesprecher Andreas Löper zunächst mutmaßen ließ, dass auch in Niesky Fußball gar nicht am Anfang der Vereinsgeschichte gestanden haben muss. Doch in den Annalen ist vor dem ersten Weltkrieg statt des späteren Namens SC Niesky 08 noch vom FC Niesky 08 die Rede.

Und genau der gehörte am 16. November 1910 auf einer Versammlung in Görlitz zu den Gründungsmitgliedern des Bezirks Oberlausitz im Südostdeutschen Fußballverband (SOFV). Mit Oberlausitz ist hier nur die Niederschlesische Oberlausitz gemeint, denn dem SOFV gehörten neben der Niederlausitz mit seinen Hochburgen Cottbus und vor allem Forst ganz Schlesien und weite Teile der Provinz Posen an, während die sächsische Oberlausitz im mitteldeutschen Verband organisiert war. Verbrieft ist ferner dass der FC Niesky 1908 unter dem Vorsitz von Hans Bauerdorf aus der Bautzner Str. 18 31 Mitglieder zählte. Man darf annehmen, dass die Nähe zu Görlitz, wo 1906 Preußen 06 (später STC) den Startschuss gab, diesen auch in Niesky bedingte.

Neben Niesky 08 gehörten mit dem SC Germania 1910, dem FC Merkur 1907, Union Rasensport und dem SC Wanderlust 09 (später Gelb-Weiß) auch nur Görlitzer Klubs dem am 18. Januar 1911 durch SOFV-Verbandsbeschluss bestätigten „Bezirk VI – Oberlausitz“ an. 1912 ist nun vom Vorsitzenden Karl Ide und 49 Mitgliedern die Rede. 1913 wird mit der Aufteilung des Bezirks Oberlausitz auf die Gaue Görlitz, Halbau (Ilowa) und Warmbrunn (Cieplice Slaskie) Niesky dem Gau Görlitz zugeteilt. Die erste überlieferte Tabelle finden wir dann in der Saison 1923/24 im „Bezirk Oberlausitz – 1. Klasse – Gau Görlitz“. Sie hatte folgenden Endstand:

1. SC 1920 Bunzlau
2. STC Görlitz 06
3. SpVgg Gelb-Weiß Göritz II
4. VfB Lauban II
5. SC Niesky 08
6. Görlitzer SV 1912

Vermutlich nun um zusätzliche Sportarten erweitert, startete der „SC Niesky 08“ dabei als Neuling in der Klasse, die drei Jahre gehalten werden konnte und in der man später auch zu Auswärtsfahrten zu Gegnern wie dem VfR Kohlfurt (Wegliniec), SC Germania 1924 Lauban (Luban Slaskie) und VfB Bunzlau (Boleslawiec) zu reisen hatte. In der Saison 1932/33 finden wir die 08er nun auf einmal als „SC Schlesien 08 Niesky“ in der B-Klasse u.a. zusammen mit dem SC Merkur und dem SV Viktoria Görlitz sowie den 2. Mannschaften von Gelb-Weiß Görlitz sowie dem Oberlausitzer Fußballpionier STC Görlitz 06 (zuvor SC Preußen 06).

Mit dem Beginn der Nazizeit dürfte eine Fusion wahrscheinlich sein, denn die Nationalsozialisten zwangen vielerorts bürgerliche Sportvereine, Vereine der sich davon klar abgrenzenden Turnbewegung und Klubs des Arbeitersports zu Zusammenschlüssen. 1934/35 kickt in der „1. Kreisklasse Görlitz“ nun der „TuSV Niesky“. Gegner sind nun u.a. der TuSV (VfB) Weißwasser, Militär-SV Cherusker Görlitz, Reichsbahn TSV Schlesien Görlitz, ATV Penzig (Piensk), STC Neu-Tschöpeln (Trzebiel), Polizei SV Görlitz, Laubaner SV, SC Germania Görlitz II oder der Reichsbahn-TSV Schlesien Kohlfurt.

Spätestens 1937/38 finden sich die Nieskyer in der „Kreisklasse, Kreis 15 Muskau“ wieder, wobei Gegner wie TV Feste Eiche Schleife, TV Uhsmannsdorf, VfB Muskau, TV Friesen Halbendorf und VfB Priebus den Siegeszug des Fußballs in immer kleineren Orten belegen. Während des Krieges ist Niesky dann jedoch wieder der „Gruppe Görlitz“ zugeordnet, ehe die sowjetischen Besatzer 1945 jedem bürgerlich selbstorganisierten Sport den Garaus machten, womit sich in der DDR viele Traditionslinien verloren.
Nieskyer Sportfreunde erinnerten sich nach 1990 jedoch an die Wurzeln des Fußballs in der Stadt und erwiesen den Pionieren von 1908 die Ehre. „Aber ich kann heute nicht einmal sagen, wer sich nach der Wende für die Wiederaufnahme der alten 08er Tradition einsetzte und wie man dann genau auf FV Eintracht kam“, sagt Andreas Löper. Auch diese fast 30 Jahre sind selbst schon wieder Geschichte geworden.
 

Till Scholtz-Knobloch / 03.02.2019

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