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Touristenmagnet in Sicht – oder nicht?

Touristenmagnet in Sicht – oder nicht?

Augenweide sicherlich auch mit Hängeseilbrücke: Künftig könnte das berühmte Bautzen-Panorama um eine Attraktion reicher sein. Fußgänger gelangen auf schnellem Weg über die Spreeaue. Foto: RK

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Einst Verteidigungsanlage und bald schon vielleicht das neue Tor zu Bautzens Altstadt: der weiße Turm zu Füßen der Ortenburg.

400.000 Besucher auf einen Schlag – das wäre zweifelsohne eine echte Hausnummer für eine Stadt wie Bautzen. Die rheinland-pfälzische Gemeinde Möhrsdorf hat genau das geschafft – und zwar mit ihrer Hängeseilbrücke. Ähnliche Pläne gibt es inzwischen für die Spreeaue zwischen Protschenberg und Ortenburg.

Bautzen. Karl-Heinz Lehmanns Herz schlägt höher. Das passiert momentan doch recht oft. Und zwar stets dann, wenn er seinem Gegenüber vor Augen hält, auf welchem Weg sich alternativ zur Friedensbrücke Touristen künftig in die historische Altstadt begeben könnten. Inzwischen beschäftigt sich sogar ein Team aus Studenten und Stadtplanern an der TU Dresden mit der Idee. Zwischen Ortenburg und Protschenberg soll einmal eine Hängeseilbrücke die Spreeaue überspannen. Zu überwinden ist dabei eine Distanz von rund 150 Metern.

Dass sich so manch alteingesessener Bautzener mit diesem Vorstoß nicht anfreunden kann, ist ihm durchaus bewusst. Der Chef des hiesigen Tourismusvereins Dietmar Stange beispielsweise plädiert vehement dafür, dass der Panoramablick auf Wasserkunst und Co. so bleibt, wie er ist.

Doch die Stadt braucht ein Instrument, um von sich reden zu machen, hält Stadtrat Lehmann dagegen. Gerade vor dem Hintergrund der fremdenfeindlichen Ausschreitungen im vergangenen Herbst und der Zündelei im einst als Asylunterkunft angedachten Husarenhof. Beide Vorfälle hatten die Spreestadt international in ein Licht gerückt, das den Tatsachen so nicht gerecht wird. Die Folge: Besucher machten teilweise einen Bogen um Bautzen. Doch gerade die sorgen dafür, dass es bei den Händlern und Gastronomen in der Kasse klingelt.

Um den Negativtrend zu stoppen, gab die Verwaltung bereits im Februar eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Inzwischen liegen dem Rathaus erste Ergebnisse vor, wie der Oberlausitzer Kurier indirekt von Stadtsprecher André Wucht erfuhr. „Wir befinden uns mit der TU gerade in der Abstimmung über die nächsten Schritte der Öffentlichkeitsarbeit“, ließ er auf Anfrage wissen. Die Stadträte indes durften sich unbestätigten Informationen zufolge in dieser Woche bereits ein Bild von den inzwischen sechs unterbreiteten Variantenvorschlägen machen. Am Ende kommt einer davon in die engere Auswahl. Jener soll im Anschluss von den Dresdener Wissenschaftlern bezüglich der Baukosten und der Wirtschaftlichkeit näher untersucht werden.

Voraussichtlich im August liegen dann mit Zahlenmaterial untermauerte Angaben vor.
Experten gehen inzwischen davon aus, dass die Errichtung einer Hängeseilbrücke wie in Bautzen gut eine halbe Million Euro kosten würde. Sie orientieren sich an anderen Projekten wie dem im Rappbodetal im Harz oder aber dem im Hunsrück. Die Überquerungen dort haben eine weitaus größere Dimension als das mögliche Vorhaben in der Spreestadt und waren weitaus teurer. In beiden Fällen hatte sich die Europäische Union (EU) mit Geldern beteiligt. „Ich bin überzeugt davon, dass wir ebenfalls mit einer Finanzspritze rechnen können. Auch hier zu Lande gibt es noch Aufholbedarf in punkto Tourismus. Ein Zugang zur Altstadt von der Schliebenstraße aus wird uns den erhofften und lang diskutierten Besucheransturm bescheren“, sagt Karl-Heinz Lehmann. Indes teilen fraktionsübergreifend Stadtratskollegen diese Ansicht. Die Chancen stehen demnach nicht allzu schlecht, dass Fußgänger schon in naher Zukunft hoch über der Spreeaue auf den Hof der Ortenburg gelangen. „Natürlich müssen wir in diesem Zusammenhang eine entsprechende Infrastruktur an der Schliebenstraße schaffen“, fügt der Pensionär hinzu. „Das fängt bei weiteren Parkmöglichkeiten an und hört bei einer öffentlichen Toilettenanlage auf.“

Geht es nach Karl-Heinz Lehmanns Vorstellungen, könnten Besucher und Einheimische künftig ihren Wagen auf einem sandgeschotterten Parkplatz vor den Toren von Bautzen, der sich im Übrigen auch als Festplatz nutzen ließe, abstellen, um dann völlig entspannt auf kurzem Wege über die Hängeseilbrücke ins historische Zentrum zu gelangen. Stadtführer, mit denen er ins Gespräch kam, zeigten sich von den Vorstellungen durchaus angetan, berichtet er. Schnell wird klar, warum das so ist. Sie könnten ihr Klientel in Zukunft genau dort in Empfang nehmen, wo Bautzens Seele tickt. Und wo Besucher sein möchten, wenn sie von der Spreestadt sprechen. Wer will da nicht mitziehen? Zumindest am Geld sollte das Projekt nicht scheitern. Bautzen hat in der jüngeren Vergangenheit schon einmal kräftig investiert, um den Tourismus an anderer Stelle anzukurbeln. Ende 2014 stimmten die Bautzener Stadträte einer Sanierung der Czorneboh-Baude zu. Für rund 1,2 Millionen Euro wurden unter anderem das Dach neu gedeckt, Dämmungen angebracht, die Fußböden ertüchtigt und die Entwässerung neu angelegt. Elektrik, Heizanlage und Lüftung befinden sich auf modernsten Stand. Zudem veränderten die Bauleute teilweise den Zuschnitt der Räume. Eine einfache Kleinkläranlage war durch eine Pflanzenkläranlage ersetzt, das sanierungsbedürftige Wohnhaus neben der Baude abgerissen, die Trinkwasserleitung und letztlich auch die Zufahrt vom Parkplatz Cunewalde zum Czorneboh komplett erneuert worden. Einem Blick vom 23 Meter hohen und 160 Jahre alten Aussichtsturm hoch droben auf dem 556 Meter hohen Berg auf das Umland steht seitdem nichts mehr im Wege.

Karl-Heinz Lehmann: „Ich hoffe, dass sich die Stadt auch im Fall der Hängeseilbrücke so stark engagiert.“

 

Roland Kaiser / 23.06.2017

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