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Aus dem Schatten der Wirkungsgleichheit

Aus dem Schatten der Wirkungsgleichheit

Auf dem Görlitzer Untermarkt sprach Horst Seehofer deutschen und polnischen Beamten, die an der Grenze ihren Dienst versehen, seinen Dank für ihre Arbeit aus. Ganz links Sachsens Innenminister Roland Wöller. Foto: Matthias Wehnert

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Im Schlesischen Museum lag für Horst Seehofer das Goldene Buch aus. Links von Seehofer v.l.n.r. OB Siegfried Deinege, Sachsens Innenminister Roland Wöller und OB in spe Octavian Ursu. Rechts Ministerpräsident Michael Kretschmer. Foto: Matthias Wehnert

Bundesinnen-, Bau- und Heimatminister Horst Seehofer hat mit dem Sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in Görlitz das „Memorandum of Understanding“ zum „Strukturwandel am Beispiel Bauen 4.0“ unterzeichnet. Zudem traf er sich am Untermarkt mit deutschen und polnischen Polizeibeamten. Seehofer verkündete eine zusätzliche personelle Stärkung bei der Bundespolizei.

Görlitz. Horst Seehofer strahlte über das ganze Gesicht. Im Schlesischen Museum zu Görlitz hatte er am vergangenen Montag erläutert, dass bis Ende 2019 nicht wie versprochen 250 neue, sondern gleich 261 Bundespolizisten ihren Dienst in Sachsen vorwiegend in den Grenzregionen zum Schutz der Bevölkerung aufgenommen haben werden. Und damit nicht genug. Bis 2024 sollen weitere 250 Stellen der Bundespolizei noch hinzukommen. Für 11,6 Mio. Euro würde im kommenden Jahr zudem der Bundespolizeistandort Ludwigsdorf renoviert.

Was heute als großer Erfolg verkauft wurde, stellt sich im Vergleich zum letzten Jahr, als Seehofer noch einen ganz anderen Einfluss in Berlin hatte, dennoch eher als bescheiden heraus. Genau an diesen Umstand hatte einen Tag vor dem Besuch in Görlitz die Tageszeitung „Die Welt“ online am 30. Juni hingewiesen. An der Frage der Grenzsicherung war damals fast die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU geplatzt und mit ihr die Regierungskoalition. 

In bissigem Ton beschrieb die Welt, dass „Heißluft-Horst“ im Ringen um eine direkte Grenzsicherung, die Deutschland wohl „40.000 neue Sofort-Rentner aus aller Herren Länder pro Jahr erspart“ hätte, gegen Angela Merkel eingebrochen sei, die sich für bilaterale Verträge mit EU-Partnern aussprach. Zur Gesichtswahrung verkaufte Seehofer die Niederlage mit dem Hinweis, dass nun alles ok sei, da es ja ein „wirkungsgleiches“ Instrumentarium gäbe. Die Wirkungsgleichheit stellte sich freilich mit 20 Rückführungen nicht ein und blieb mit einem lächerlichen Zweitausendstel hinter Seehofers ursprünglicher Forderung zurück! „Stattdessen ließ er sich dann voll und ganz auf einen Unsinn ein, wie er nur von Merkel höchstpersönlich ersonnen werden kann“, so „Die Welt“. Duplizität der Ereignisse: Vor einem Jahr standen Landtagswahlen in Bayern an.

Bei diesen habe man dem bayerischen Wahlvolk vorgaukeln wollen, „dass die CSU jetzt wieder auf den Pfad der konservativen Tugend zurückgefunden habe.“ Nun steht also Sachen vor einer Landtagswahl und wieder müssen unter erneut dramatischen politischen Rahmenbedingungen schnell Erfolge her. Während man über die Posse von 2018 eigentlich nur die Haare raufen kann, wäre es gleichwohl sicher dumm, die politischen Bonbons am Wegesrand nicht aufzusammeln.
Neben den neuen Stellen gehört dazu auch ein neues Einsatzzentrum. Horst Seehofer referierte in Anwesenheit von Dieter Romann, dem Bundespolizeipräsidenten, dass Kleindelikte spürbar zurückgegangen seien und dass die Beamten häufiger mit schweren Verbrechen konfrontiert seien. Vor diesem Hintergrund solle im Landkreis Görlitz ein „Einsatzzentrum für lebensbedrohliche Einsatzlagen“ entstehen. „In der Stadt geht ein solches Zentrum aus naheliegenden Gründen natürlich nicht“, schloss Seehofer die Neißestadt als Standort aus.

Doch der Innenminister ist nicht nur für die Sicherheit verantwortlich, sondern zugleich auch Bauminister. Et voilà – der Bauminister Seehofer packte also einen weiteren Bonbon aus. Mit Ministerpräsident Michael Kretschmer unterzeichnete er das „Memorandum of Understanding“ zum „Strukturwandel am Beispiel Bauen 4.0“. Während das „Understanding“ (Verstehen/Übereinkunft) hier vielleicht nicht so ganz wählerverständlich daherkommt, fiel allein die Darstellung des Projekts ebenfalls noch etwas vage aus. Mit einem Technologiepark Bauen 4.0 sollen Forschungen der TU Dresden in Görlitz im „Reallabor“ fortentwickelt werden, bei denen u.a. Baumaschinen intelligent vernetzt werden sollen. Vor diesem Hintergrund war auch Sachsens Innenminister Roland Wöller zugegen, in dessen Verantwortung Vorarbeiten geleistet wurden. Immerhin fiel das überstrapazierte Wort „smart“ für das 15-Millionen-Euro-Projekt nicht. Aber würde der Wähler dennoch vielleicht eher eine Grenzsicherung 3.0 statt nur 2.0 einem Bauprojekt 4.0 vorziehen?

Neben dem Innen- und Bauressort nennt sich Horst Seehofer auch Heimatminister. Natürlich sei die Möglichkeit, in der Heimat sein Geld zu verdienen der Schlüssel, die Heimat überhaupt zu entwickeln, betonte Horst Seehofer. „Wir hatten in Bayern einmal strukturschwache Gebiete im Bayerischen Wald, wo es im Winter eine Arbeitslosenquote von 30 Prozent gab. Im bayerischen Durchschnitt haben wir heute Abweichungen von einem Prozent bei den Arbeitslosenzahlen“, betonte er. Man müsse also nicht schwarzmalen. Auf die Frage aus dem Auditorium, wie denn die 40 Milliarden Euro Strukturhilfe nach dem Ende der Kohle auf die Länder verteilt werden, erklärte der Minister aus Berlin: „Ein Gesetz kann das nicht bestimmen. Das muss vertraglich geregelt werden“. Er sei der „größte Verbündete“ des Freistaates Sachsen, wenn es darum gehe gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen.

Dass Seehofer als Freund der Schlesier – so wie er auch stets betont, in Bayern seinen die Sudetendeutschen der „vierte Stamm“ – mehrfach von „Ostsachsen“ sprach, passte dann jedoch nicht ganz zum Stempel Heimat und dem Tagungsort Schlesisches Museum. Eleganter hatte sich Michael Kretschmer beim Warten auf den Minister aus Berlin vor dem Museum bewegt. Er suchte in dieser toten Zeit Tuchfühlung mit Touristen. Die gerade vorbeiströmenden Gäste der Stadt entpuppten sich als Adelfamilie von Klitzing, die gemeinsam in Görlitz, dem Hirschberger Tal und Breslau schauen wollte, wie hervorragend hier Schlösser und andere Kulturgüter renoviert werden. Kretschmer bat Elisabeth von Küster auf Schloss Lomnitz herzliche Grüße zu übermitteln und blieb auch im Smalltalk in Sachen Heimat sattelfest.

Till Scholtz-Knobloch / 06.07.2019

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