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Bernstädter schmieren nicht nur ihre Erdachse

Bernstädter schmieren nicht nur ihre Erdachse

Die großen und kleinen Kameraden der örtlichen Feuerwehr zelebrieren das Erdachsenschmieren auf dem Marktplatz in Bernstadt. Foto: Helmar Schulze

Dieser Brauch ist in Bernstadt auf dem Eigen nach wie vor ein großer Höhepunkt im städtischen Leben. Der Bürgermeister, die Ortsfeuerwehr Bernstadt und die Evangelische Kirchgemeinde Bernstadt laden am Sonntag, 2. September, um 14.00 Uhr, zum Erdachsenschmieren auf den Marktplatz Bernstadt ein. Die Schmierung erfolgt im Rahmen der Neueröffnung des Heimatmuseums Bernstadt.

Bernstadt a.d.Eigen. Zum Erdachsenschmieren herrscht alljährlich ein reges Treiben auf dem Marktplatz. Den Einwohnern ist es wohlbekannt und wird wie ein jährlich wiederkehrender Ritus erwartet. Für Gäste oder Passanten, die hier nur zufällig dabei sind, scheint es etwas unwirklich zu wirken – die Erdachse in Bernstadt und dann wird diese noch geschmiert? Aber genau dies ist ein Alleinstellungsmerkmal der Stadt, sagt Markus Weise.

Der Bürgermeister beschreibt die Atmosphäre bei dieser Veranstaltung als leicht, locker und fröhlich. Die „Zeremonie“ geht eigentlich immer auf dem Marktplatz beim Erdachsenbrunnen über die Bühne.
„Es gab aber kleine Ausnahmen, wie zum Beispiel im Festzelt bei einem Feuerwehrfest, und im vergangenen Jahr im Waldbad, als die Erdachse nicht auf dem Markt geschmiert worden ist. Es soll aber auf dem Marktplatz bleiben, denn dort steht der Erdachsenbrunnen, dort hat alles begonnen“, berichtet er.

Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr/Ortsfeuerwehr Bernstadt schmieren in historischer Feuerwehrkleidung mit dem geschichtsträchtigen Feuerwehrhanddruckwagen sowie einem extra dafür gebauten „Schmierstab“ und eigens dafür zusammengerührter Erdachsenschmiere in Form von verschiedenen Kräuterlikören aus einer großen Glaskerraffe das Innere der Erdachse. In drei „Durchgängen“ und jeweils einem Spruch. Danach wird sie gedreht, ob sie noch quietscht. Geschmiert wird ein Nachbau der Erdachse, nicht der Erdachsenbrunnen direkt, erklärt der Bürgermeister. Und „liefert“ gleich die drei Sprüche mit. „Wir schmieren erstens unsere Achse, damit das Städt`le weiter wachse. Wir schmieren zweitens hier zum Fest, auf unser Wohl und das der Gäste. Drittens schmieren wir, wie Ihr seht, damit die Welt sich weiter dreht.“
Ein paar lustige Begebenheiten beim Erdachsenschmieren sind bis heute überliefert.

1997 kam zum Beispiel die Bernstädter Brandmaus zur Schmiererei dazu und konnte dingfest gemacht werden. Die Bernstädter Brandmaus ist eine hellbraun-graue Maus, die einen schwarzen Strich auf dem Rücken hat (so eine Maus gibt es wirklich). Sie soll den schwarzen Strich beim großen Bernstädter Stadtbrand erhalten haben. Da hat einer ein brennendes Holzscheit auf die Maus geworfen und so ist auf dem Rücken der schwarze Strich entstanden – und diese hat sich dann fortgepflanzt.
2004 führte der Faschingsclub ein spezielles Stück auf. Die Räuberbande um den Räuberhauptmann Karaseck, der in Bernstadt sein Unwesen trieb, hatte die Stadtkasse geklaut. Diese Bande konnte dann an der Erdachse dingfest gemacht werden. Die Stadtkasse war wieder an Ort und Stelle und der Räuberhauptmann kam ins städtische Verlies.

Die Tradition des Erdachsenschmierens reicht bis 1994 zurück. Damals hatten sich die vier Wehren zusammengesetzt und überlegt, „was wir in Bernstadt als Feuerwehr für Höhepunkte schaffen können.“ Der damalige Dittersbacher Wehrleiter Werner Fechner hatte die Idee, die Erdachse zu schmieren, um diese als Wahrzeichen von Bernstadt dadurch besser hervorzuheben und bekannt zu machen –  und seit dem schmieren die Kameraden.

Touristisch ist die Erdachse nach weiteren Informationen von Markus Weise weit bekannt. Oft fahren Reiseunternehmen oder andere Reiselustige einmal um den Erdachsenbrunnen oder trinken an dessen Rand einen kleinen „Wegverzehrer.“ Die Aufschrift auf dem Brunnen lautet: „Viele Orte stritten sich in Sachsen, wo wirklich sei der Erde Achsen. Nun ist sie uns hierher befohlen, nun soll sie auch kein Teufel holen.“

Anschließend gibt es anlässlich der Neueröffnung des Heimatmuseums Bernstadt von 14.30 bis 19.00 Uhr ein Programm mit der Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr Berthelsdorf und Kinderunterhaltung auf dem Festplatz vor der Einrichtung. Die Räume werden zu circa 80 Prozent geöffnet sein, da noch nicht alles komplett bis ins Detail fertiggestellt ist. Die Besucher bekommen dabei einen ersten Einblick in das zukünftige Museumskonzept vermittelt. Neben vielen bekannten Ausstellungsstücken gibt es vier neu gegliederte Themenräume: „Fauna/Flora und Bergbau aus unserer Umgebung“, „Die gute Stube“, „Aus dem Leben von Klaus Riedel und Werner Günzel“ sowie „Verlagswesen in Bernstadt – Wohnen Anno-dazu-mal“.

Die Räumlichkeiten im Erd- und im ersten Obergeschoss sind in drei Bauabschnitten saniert worden. Bei dieser Verjüngungskur wurden auch alte Elemente des Gebäudes behalten und herausgearbeitet wie zum Wand-, Decken- und Fußbodenelemente.
Das Heimatmuseum war die gesamte Bauzeit über geschlossen. Die Mitarbeiter hatten natürlich alle Hände voll zu tun. Und das immer noch, weil das Um- und Einräumen noch nicht abgeschlossen ist, wie Markus Weise betont. Unterstützt wurde die Rekonstruktion durch das Förderprogramm des Städtebaulichen Denkmalschutzes. Die bisherigen Gesamtausgaben belaufen sich auf 389.000 Euro. Der Eigenanteil der Stadt beträgt 132.000 Euro.

„Die Sanierung und nun damit verbundene Neueröffnung zeigt, dass die Bibliothek und das Heimatmuseum einen wichtigen kulturellen (Bildungs-)Auftrag und Stellenwert in der Stadt Bernstadt und für mich persönlich besitzen. Es ist natürlich wünschenswert, dass die Zahl der Bibliotheksnutzer und auch Museumsbesucher nicht nur gleich bleibt, sondern gern auch etwas zunimmt“, hofft der Bürgermeister. Die Räumlichkeiten sind hell und freundlich gestaltet, ein verstaubtes Museumsimage liegt hier fern, betont er. Beide Einrichtungen bieten Familien, Schulklassen und allen anderen Besuchern Platz für einen Ausflug. „Unsere Mitarbeiter sind in ihrem Tun und Wirken sehr engagiert und versuchen, Bücherwünsche zu erfüllen und die Heimatgeschichte zu vermitteln“, sagt Markus Weise.
Der Bürgermeister möchte sich bei allen Beteiligten des Umbaus herzlich bedanken: „Es gab einige Probleme und Schwierigkeiten, die wir aber alle gemeinsam beheben konnten.“ Sein Dank geht auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Heimatmuseum und der Bibliothek: „Sie haben großartige Arbeit geleistet, die Bauarbeiten unterstützt, auch Unannehmlichkeiten und Hindernisse mit uns gemeinsam gut gemeistert. Solch ein ehrenamtlicher Einsatz sucht seinesgleichen.“ Und nicht zuletzt soll der Dank an die Bürgerinnen und Bürger für ihr Verständnis gehen, dass über einen solch langen Zeitraum das Museum geschlossen blieb und auch die Bibliothek nur zeitweise und oft provisorisch für die Öffentlichkeit da sein konnte.

„Nach den gemeinsamen Kraftanstrengungen können nun die im neuen Glanz erstrahlenden Räume mit Leben gefüllt werden“, freut er sich.

Steffen Linke / 01.09.2018

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