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Die „Madonna“ von Königsbrück

Die „Madonna“ von Königsbrück

Das Schellendorffsche Epitaph erstrahlt nach umfassender Restaurierung in neuem Glanz. Die Enthüllung erfolgte durch die Königsbrücker Kameliendamen Franziska (links) und Marie.

In der Hauptkirche der Heidestadt ist ein bedeutendes Kunstwerk zu neuem Leben erwacht. Es erzählt viel Interessantes über die Zeit des Barock in Sachsen.

Königsbrück.
„Was für Dresden die Sixtinische Madonna, das ist für Königsbrück das Schellendorffsche Epitaph.“ Diese zunächst als Behauptung formulierte Aussage des Küsters der evangelischen Kirchgemeinde Königsbrück, Werner Lindner, stand am Anfang der Zeremonie, mit der unlängst das so bezeichnete Kunstwerk in der Hauptkirche enthüllt wurde. Denn: „Jeder Besucher soll für sich selbst entscheiden, ob diese These gerechtfertigt ist.“

Nun weiß sicher jeder Sachse um die Bedeutung des von Raffael geschaffenen Madonnenbildes in der Gemäldegalerie Alte Meister. Die Bekanntheit des Schellendorffschen Epitaphs dürfte sich auch nach der Wiedereinweihung des restaurierten Kunstwerks auf den Umkreis von Königsbrück beschränken, zuzüglich einiger besonders Kunstinteressierter in der weiteren Umgebung. Doch natürlich muss man auch Größe und Bedeutung der beiden Städte ins Verhältnis setzen, um die eingangs zitierte Aussage bewerten zu können. Und da kommt man unweigerlich zu dem Ergebnis: Sie ist berechtigt.

Denn ebenso wie der Ruf der Sixtinischen Madonna weit über Dresden hinaushallt, reicht die Bedeutung des Schellendorffschen Epitaphs weit über Königsbrück hinaus. Das hat der Leipziger Kunsthistoriker Mario Titze, der sich eingehend mit dem Grabdenkmal des Königsbrücker Standesherren Maximilian Freiherr von Schellendorff (1645-1703) beschäftigte, nachdrücklich bewiesen: „Es handelt sich um ein Meisterwerk der sächsischen Bildhauerkunst. Insbesondere die einzigartige Bewegtheit der allegorischen Figuren, die eindrucksvolle Monumentalität und die lebensnahe, lebendig wirkende Durcharbeitung der Details stechen hervor“, erklärt er.
Entgegen früherer Vermutungen, dass es sich um ein Werk von Balthasar Permoser handele, hätten stilistische Analysen ergeben, dass Paul Heermann (1673 bis 1732) der Urheber des Kunstwerkes ist. „Allerdings gibt es dafür nach wie vor keine archivarischen Belege“, schränkt Mario Titze ein.

Ob Permoser oder Heermann: Beide gehörten zur ersten Reihe der sächsischen Barockkünstler und zählten den sächsischen Hof zu ihren wichtigsten Auftraggebern. „Wir haben selbst die Bedeutung des Kunstwerks in unserer Kirche lange nicht abschätzen können“, blickt Peter Sonntag zurück. Als Vorsitzender des Königsbrücker Heimatvereins war er maßgeblich daran beteiligt, das zerschundene und in einer Abstellkammer ruhende Meisterwerk zurück ans Tageslicht zu holen. Nachdem frühere Restaurierungsversuche den Zustand eher verschlimmert als verbessert hatten, machte ein Unwetter bei abgedecktem Dach 1974 dem Schellendorffschen Epitaph scheinbar endgültig den Garaus. Zumindest erschien es in den darauf folgenden Jahrzehnten undenkbar, die massiven Schäden zu beseitigen. Erst das 200-jährige Jubiläum der Sparkasse Königsbrück – der ersten in ganz Sachsen! – im Jahre 2019 bot die Gelegenheit, Nägel mit Köpfen zu machen. „Die Finanzierung in Höhe von circa 80.000 Euro gelang dank der Förderung durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung/ Ostsächsische Sparkasse Dresden, den Freistaat Sachsen, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Landratsamt Bautzen sowie private Spender“, so Peter Sonntag. Mit Uwe Rähmer aus Großröhrsdorf wurde für die Ausführung der Arbeiten ein bekannter Restaurator gewonnen. Und so kann das Schellendorffsche Epitaph nach etwa einem Jahr wieder im vollständigen Glanz erstrahlen, zu dem auch die Vergoldung, das untergespannte gemalte Tuch und der Fransenbesatz des Helms zählen.

Die Bedeutung des Königsbrücker Kunstwerks reicht allerdings über den rein künstlerischen Wert hinaus. Das Schellendorffsche Epitaph weiß eine Menge über die Gepflogenheiten des sächsischen Landadels zur Zeit des Barock zu berichten. So bezieht sich ein Großteil der Bildsprache auf den so genannten „Vorritt“, den Maximilian Freiherr von Schellendorff 1671 auf der Bautzener Ortenburg absolvierte. Dabei musste er sich in voller Rüstung aus dem Stand auf sein Pferd schwingen. „Dadurch wandelte er sein Lehen in ein Allod – also in vererbbares Eigentum – um. Sonst wäre es nach seinem Tod an den sächsischen Hof zurückgefallen“, so der Königsbrücker Kunsthistoriker Lars-Arne Dannenberg. Dies ist nur eine der Geschichten, die das Schellendorffsche Epitaph erzählt. Die anderen erfährt man bei einem Besuch in der Hauptkirche Königsbrück, wo eine Ausstellung auf 20 Tafeln noch viel mehr über die „Sixtinische Madonna von Königsbrück“ zu berichten weiß.

 

Uwe Menschner / 20.01.2020

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