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Dreharbeiten zum Kultfilm „Schwester Agnes“ jähren sich

Dreharbeiten zum Kultfilm „Schwester Agnes“ jähren sich

Der DEFA-Film „Schwester Agnes“ wurde im Zittauer Gebirge gedreht und hat mittlerweile Kultstatus. Foto: Archiv

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Joachim Seibt schaut sich manchmal noch historisches Material von den Dreharbeiten an. Der Nussbaum war im Film zum Apfelbaum „umgestaltet“ worden. Foto: Steffen Linke

Wie doch die Zeit vergeht. In diesen Tagen jähren sich die Dreharbeiten der DEFA in Waltersdorf, Jonsdorf, Lückendorf und Bertsdorf zum Film „Schwester Agnes“ mit Agnes Kraus (16. Februar 1911 bis 2. Mai 1995) zum 45. Mal. Der frühere Dorfpolizist Joachim Seibt, seit 2014 wohnhaft in Olbersdorf, doubelte damals die Kult-Schauspielerin auf der legendären Schwalbe und schlüpfte in die Frauenkleider der Dorfkrankenschwester.

Waltersdorf/Jonsdorf. Jeder Fahrlehrer wäre wohl bei Agnes Kraus schier verzweifelt. Die Schauspielerin konnte – trotz Übungsstunden unter fachlicher Aufsicht seines Kollegen Horst Helle – nicht einmal ein paar Meter auf dem Gefährt geradeaus rollen. Der damals 25-jährige Joachim Seibt fuhr deshalb in die Bresche. Die „Schwester“ ist im Film während der Fahrt auf dem Moped zu einem verletzten Jungen nur von hinten zu sehen. Weil dies so gut funktionierte, wurde der Jonsdorfer ABV auch noch für andere Szenen „verpflichtet“. Manche Schauspieler wurden damals am Drehtag von Berlin abgeholt und nach dem Drehtag wieder nach Berlin geschafft. Andere waren im „Kurhaus Jonsdorf“ oder privat untergebracht. Agnes Kraus blieb in Jonsdorf am Drehort, An der Drehe 2. Für den Film hatten Handwerker der DEFA extra einen Anbau im Umgebindestiel an das Haus gebaut. Am Haus selbst wurde nicht viel verändert, berichtet er. Nur eine Pergola sei angebracht worden, die noch heute das Vorhäuschen schmückt. Die Blockstube und die Küche waren das „Film-Zuhause“ von Agnes Kraus und wurden eins zu eins übernommen. Im genannten provisorischen Anbau spielten sich alle Szenen im Schwesternzimmer ab. Der Film sei damals mit primitiven technischen Mitteln produziert worden, erinnert er sich. Es wäre heute wohl nicht auszudenken, dass Äpfel, die in einer Szene gepflückt werden sollten, vorher mit Draht an einem Baum befestigt wurden, berichtet er. Die Jahreszeit habe einfach nicht gestimmt und der Apfelbaum sei zudem noch ein Nussbaum gewesen. Zur Beleuchtung dienten ein fahrbares Stromaggregat, riesige Scheinwerfer und dann noch die wuchtigen Kameras selbst. Ohne Agnes Kraus standen die Kameras still.

Und das konnte durchaus passieren, wenn die eigenwillige Schauspielerin etwa eine Katze in der Nähe sah. Sie verließ spontan die Dreharbeiten und ging zu der Katze, um sie zu streicheln und alle mussten warten, bis Frau Kraus wieder bereit war, die Szene weiter zu drehen.

Und wenn dann einige Szenen im sogenannten „Kasten“ waren, konnte man sie nach weiteren Informationen von Joachim Seibt noch nicht anschauen, wie das heute der Fall ist. Der ehemalige Taxifahrer Richter aus Jonsdorf fuhr deshalb wöchentlich mit den Filmrollen nach Babelsberg zur DEFA. Diese wurden dort entwickelt und wieder zurück nach Jonsdorf gebracht. Erst jetzt konnten die Filmleute sehen, was sie produziert hatten. Das passierte im damaligen Kinosaal der „Dammschänke“ in Jonsdorf. Da auch Mitwirkende dazu eingeladen wurden, sah sich Joachim Seibt das erste Mal auf der Leinwand: „Nichts ahnend habe ich mich gefreut, als der Film ein halbes Jahr später im Februar 1975 in unserem Fernsehen angekündigt wurde. Reich mit Bildern bestückt, wurde auf drei Seiten in der Fernsehzeitung FF-Dabei über die Dreharbeiten berichtet.“ Das Drehteam selbst sei eine prima Truppe gewesen. „Zwischen den Filmemachern und uns als ABV und der Polizei insgesamt entwickelte sich ein gutes Verhältnis. Wenn irgendetwas fehlte, wie zum Beispiel Personen zu Filmszenen oder es anderweitige Probleme gab, haben wir alles unternommen, um zu helfen“, erzählt er.
Da die Filmcrew über die ganze Zeit der Dreharbeiten in Bogatynia untergebracht war, hatte der zum Team gehörende Zahlmeister vor der Ausreise nach Polen die volle Geldkassette im Volkspolizei-Kreisamt in Zittau deponiert und am nächsten Tag wieder abgeholt. Es ging nicht, 100.000de von DDR-Mark über die Grenze mitzunehmen.

Die DEFA machte jedenfalls die Schwalbe mit diesem Film zum heimlichen Star – und Joachim Seibt natürlich auch.

Steffen Linke / 06.10.2019

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Kommentare zum Artikel "Dreharbeiten zum Kultfilm „Schwester Agnes“ jähren sich"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Gela schrieb am

    Oh das ist ja interessant. Habe ich nicht gewusst. Mit der Katze bin ich erstaunt, als ich sie mal kennen lernen durfte wirkte sie sehr bescheiden. Ich liebe alle ihre Filme. Besonders Schwester Agnes und Florentiner 73.

    Gibt es über diesen Film auch Informationen zum Filmdreh? Würde mich sehr interessieren.

  2. Sachsenlümmel schrieb am

    Hallo

    Der Film ist eine herrliche Klamotte.

    Die Betreuung von kranken und alten Menschen muss ein Grundanliegen der Gesellschaft sein und bleiben. Die soziale Seite der Gesellschaft wird oft irgenwelchen höheren Zielen geopfert.

    MfG
    Sachsenlümmel

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