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Droht jetzt auch noch die braune Neiße?

Droht jetzt auch noch die braune Neiße?

Im Kraftwerk Turow unmittelbar an der deutschen Grenze wird die Kohle aus dem gleichnamigen Tagebau verstromt. Foto: Archiv

Der Braunkohleabbau im polnischen Turow könnte sich stärker auf die Neiße auswirken als bislang angenommen. Eine Studie kommt zu beunruhigenden Ergebnissen.

Zittau/Hirschfelde.
Der polnische Braunkohletagebau Turow in der Nähe von Zittau könnte weitaus gravierende Auswirkungen auf die Gewässerqualität der Neiße haben als bislang angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt der Geologe Dr. Ralf Krupp in einem Gutachten, das er im Auftrag der tschechischen Frank Bold Society sowie von Greenpeace Deutschland erstellt hat.

Demnach ist der Pyritanteil in den kohleführenden Schichten ähnlich hoch wie im Lausitzer Kohlerevier. Pyrit, eine Verbindung aus Eisen und Schwefel, oxydiert bei Luftkontakt zu Eisenoxid, das zu den so genannten Verockerungen führt. Diese Oxydation erfolgt laut Krupp, sobald das Vorkommen im Zuge des Kohleabbaus aufgeschlossen wird. Nach dessen Abschluss, wenn das zuvor abgepumpte Grundwasser wieder ansteigt, wird das Eisenoxid ausgeschwemmt und belastet das Oberflächenwasser – ein Effekt, der beispielsweise im Spreewald schon seit längerem bekannt ist und zu großen Problemen führt. Ebenso wie im Lausitzer Braunkohlerevier die Spree könnten die Verockerungen im Bereich des Tagebaus Turow auch die Neiße belasten. Dieser soll nach den Plänen seines Betreibers, der staatlichen polnischen Gesellschaft PGE, bis 2044 betrieben werden.

Laut Ralf Krupp steigt die zu erwartende Ockerbelastung mit der Zeit des Tagebaubetriebs immer weiter an. Je früher also der Ausstieg erfolgt, desto geringer wäre die Belastung. Doch dies ist nicht das einzige Problem: „Im Zuge der Oxydation entsteht aus dem Pyrit auch Schwefelsäure“, so der Gutachter. Diese wasche Spurenelemente aus dem Gestein, die ansonsten sicher in ihm „verwahrt“ sind: „Kadmium, Nickel und Uran reichern sich auf diese Weise in den Grubenwässern an und werden in das Oberflächenwasser eingeleitet“, prognostiziert Ralf Krupp. Damit würde sich eine Befürchtung bewahrheiten, die die brandenburgische Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits vor mehreren Jahren äußerte. Ein „guter Gewässerzustand“ im Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie könne so nicht erreicht werden, schlussfolgert Carsten Smid von Greenpeace Deutschland, einem Mitauftraggeber der Studie.

Bei dem anderen Auftraggeber, der Frank Bold Society, handelt es sich um eine tschechische Nicht-Regierungs-Organisation, die unter anderem den Bezirk Liberec im Umgang mit der Turow-Problematik berät und rechtlich vertritt. Das tschechische Grenzgebiet zu Polen ist bereits jetzt stark von Umweltauswirkungen des Tagebaus Turow betroffen. „Es gibt große Probleme mit der Verfügbarkeit von Trinkwasser“, so Frank Bold-Sprecherin, Petra Urbanova. Dies werde sich mit der geplanten Erweiterung des Tagebaus noch verschärfen. Dieser soll laut den Planungen der PGE von derzeit 36 auf 40 Hektar anwachsen, wobei er bis auf 70 Meter an die tschechische Grenze heranrückt. „Nachdem die tschechische Regierung offiziell Widerspruch gegen die Verlängerung der Betriebsgenehmigung bis 2044 einlegte, hat die polnische Seite mit unklarer rechtlicher Grundlage zunächst eine sechsjährige Verlängerung – also bis 2026 – genehmigt“, so Petra Urbanova. Anderenfalls wäre die Genehmigung 2020 ausgelaufen.

Der Zittauer Oberbürgermeister Thomas Zenker befürchtet für seine Stadt und deren Umgebung ähnliche Auswirkungen wie in Tschechien, falls die Erweiterung des Tagebaus Turow wie vorgesehen erfolgt. Darin sieht er sich durch die Krupp-Studie bestärkt: „Neben einer zu erwartenden langwierigen Belastung mit sauren Grubenwässern stehen vor allem Grundwasserabsenkungen, Bodensenkungen im Zittauer Stadtgebiet von mehreren Zentimetern und im schlimmsten Fall ein Durchbruch der Neiße in das Tagebaugebiet in dem Papier.“

Schon jetzt hat sich der Boden im Zittauer Becken um bis zu einem Meter abgesenkt – ein schleichender Prozess, der sich vor allem in Schäden an Bauwerken manifestiert. Zenker fordert die deutschen Behörden auf, die Risiken erneut zu prüfen und gegebenenfalls nach dem Vorbild der tschechischen Seite auch rechtliche Schritte gegen das Vorhaben einzuleiten. Andererseits betont er aber auch: „Wir haben nicht das Recht, unseren Nachbarn von heute auf morgen wichtige Erwerbsgrundlagen zu entziehen.“ Zenker schlägt vor, Polen zur Teilnahme am Strukturwandel in der Lausitzer Bergbauregion einzuladen und das Revier Turow dort mit zu betrachten: „Sonst hat diese Region keine Perspektive.“

Uwe Menschner / 26.10.2020

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Kommentare zum Artikel "Droht jetzt auch noch die braune Neiße?"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Thomas schrieb am

    Zittauer Becken schon ein Meter abgesenkt...........??? wenn wirklich eine Absenkung, sind das vielleicht die Auswirkungen des Tagebaus in Olbersdorf. Die Erweiterung von Turow geht nicht in die tiefe, sondern weiter in Richtung Tschechien. Vielleicht ist Deutschland noch mal froh das es Torow gibt, wenn es mit dem Strukturwandel nicht so klappt.

  2. Lars.1967 schrieb am

    NACHHALTIG LEBEN!?

    Irgendwann ist Schluß mit der Kohle...
    Woher kommt die Kohle?...
    Wielange dauert es bis zur Kohle?...

    Wielange fördern wir die Kohle?...
    Wie schnell verbrennen wir die Kohle?...
    IST KOHLE EIN NACHHALTIGES PRODUKT?

    All diese Fragen sollten wir uns stellen, wenn es um KOHLE geht!...

    Können wir wirklich nachhaltig planen und leben?
    Was mit den Arbeitnehmern, die in den BKW´s (BraunKohleWerken) derzeit beschäftigt sind?

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