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Droht Naturerbe 
ein Artensterben?

Droht Naturerbe 
ein Artensterben?

Die Gröditzer Skala bestach bisher durch einen Mix aus intakter Natur und verschiedenen Denkmälern, die über das geschichtsträchtige Waldgebiet verteilt sind. Foto: privat

In der Gröditzer Skala herrscht dicke Luft. Grund sind Ambitionen des Freistaates, auf den ihm gehörenden Flächen verstärkt der Natur freien Lauf zu lassen, ohne dass der Mensch eingreift. Dagegen regt sich immer mehr Protest.

Weißenberg. Wer von Görlitz aus zu Fuß zum spanischen Santiago de Compostela aufbricht, schließt unweigerlich Bekanntschaft mit der Gröditzer Skala. Seit Jahren führt der Jakobsweg durch das Felsental und gleichnamige Naturschutzgebiet. Doch die Zweifel mehren sich, ob das in Zukunft weiterhin der Fall sein wird. Neben ihm drohen zahlreichen anderen Wegen in dem 39 Hektar großen Waldareal nach und nach die Schließung. Ein Grund dafür ist, dass der Freistaat die Ziele des Nationalen Naturerbes (NNE) vom Staatsbetrieb Sachsenforst konsequent umgesetzt sehen möchte, weiß Weißenbergs Bürgermeister Jürgen Arlt. Die Skala befindet sich im Einzugsbereich der Kommune. Und die pocht auf sanften Tourismus und die Möglichkeit der Naherholung vor den Toren der Kleinstadt. Dabei spielt das Felsental mit seinen 46 Einzeldenkmälern eine gewichtige Rolle. Schätzungen zufolge, die der Stadtverwaltung vorliegen, steuern pro Jahr rund 25.000 Besucher das Schloss in Gröditz und die sich daran anschließende Skala an.

„Wenn der Freistaat nun die Wege sperrt und alles der Natur selbst überlässt, wird das Auswirkungen auf die touristische Entwicklung haben“, befürchtet das Stadtoberhaupt. Und damit steht Jürgen Arlt nicht alleine da. Auch Schlossherr Beat von Zenker zu Pommritz hat so seine Bedenken. Genauso wie dem Land Sachsen gehören ihm Teile des Waldgebietes, das er eigenen Angaben zufolge Mitte der 2000er Jahre vor einem Ausverkauf durch die Treuhand bewahren konnte. Dritter im Bunde ist die Evangelische Landeskirche. Wie von Zenker fühlt sie sich nicht an die strikten Vorgaben gebunden. „Wir gehen weiterhin von einer extensiven Forstnutzung des Kirchenwaldes aus sowie von der Möglichkeit der Begehung des Areals durch Besucher“, erklärt Landeskirchensprecher Matthias Oelke auf Anfrage. 

Anders verhält sich das Ganze bezogen auf den Freistaat. Auch das Land hatte einen Teil der Flächen aus dem Eigentum der Bundesrepublik erworben. Diese weisen laut dem Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) einen „hohen Naturschutzwert“ auf, da sie zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Dabei bilden die vorhandenen Nord- und Südhänge sowie das Löbauer Wasser in der Skala auf begrenztem Raum ein vergleichsweise enges Netz unterschiedlicher Lebensräume. So kommen Traubeneichen, Hainbuchen und Gemeine Esche genauso vor wie diverse Ahornsorten und Linden. Zu weiteren Pflanzenarten zählen die Bergulme, der Adlerfarn, die Süße Wolfsmilch, das Waldbingelkraut und der Großblütige Fingerhut. Zu finden in dem parkähnlich angelegten Waldgebiet ist aber auch, um nur ein Beispiel anzuführen, ein zehnbogiges, 170 Meter langes Viadukt der Bahnstrecke Löbau – Weißenberg – Radibor, das nach deren Stilllegung zu einem Teil des Wanderwegenetzes wurde. „Und dieses möchten wir für die Besucher gern erhalten“, betont Jürgen Arlt. Er plädiert dafür, die bestehenden Gesetze großzügiger auszulegen. „Sie fordern bestimmte Sachen, lassen aber auch Freiräume zu“, meint er in dem Zusammenhang. „Allen Seiten wäre geholfen, wenn sich eine Kompromisslösung für die Skala finden ließe, die sowohl dem Naturschutz als auch dem Tourismus gerecht wird. Ich bin guter Hoffnung, dass wir das schaffen.“

Vor diesem Hintergrund schweben dem Stadtoberhaupt unter anderem öffentliche Führungen durch das Waldgebiet vor. „Auf keinen Fall sollten wir dazu übergehen, die Menschen dafür zu bestrafen, sobald sie die Wanderwege beschreiten.“ Fest steht: Mit dem neuen Besitzer Sachsenforst endet zunächst die bereits eingeleitete Wiederherstellung der Natur- und Baudenkmäler. Das sieht auch Beat von Zenker so. „Zuvor wurden beispielsweise im Rahmen von jährlichen Parkseminaren die Wege gepflegt. Daran beteiligten sich mit Unterstützung der Stadt nicht nur Private, sondern auch Vereine.“ Indes erinnert sich der Weißenberger Bürgermeister gern an die Zeit zurück, in der an moderne Forsttechnik und das heutige Fachwissen noch nicht zu denken war. „Die nach der Wende eingetretene Entwicklung führte dazu, dass wir einen gewissen Sicherheitsbedarf entwickelt haben. Diesen umzusetzen, macht das Leben allerdings unsagbar teuer.“ 

Soll genau deshalb die Gröditzer Skala fortan sich selbst überlassen werden? Für Jürgen Arlt ist klar: „Die Politik muss nach Gesetzen handeln. Sie kann diese jedoch auch ändern. Zumindest müssen Kompromisse wieder etwas wert sein. Und da sehe ich in erster Linie die Sachbearbeiter in den Behörden gefordert.“ Und weiter: „Wenn in der Skala die Zeit weiter verstreicht und nichts passiert, treten bestimmte Zustände ein, die eine Erreichbarkeit der Denkmäler nicht länger ermöglichen.“

Beat von Zenker will es gar nicht erst soweit kommen lassen. „Seit etwa drei Jahren wird im Rahmen eines Runden Tisches darüber debattiert, wie wir am besten mit der Skala umgehen“, moniert er im Gespräch mit dem Oberlausitzer Kurier. „Die Kosten, die auf diese Weise entstanden sind, bewegen sich nach meinen Berechnungen bereits im sechsstelligen Bereich. Dieses Geld hätten wir in einen Förderantrag in Form eines Konzeptes zur Erhaltung der Biodiversität für kleinflächige Biotope auf Basis des Nationalen Naturerbes und der Vorlage des DBU-Konzeptes besser investiert. Denn am Ende ist die Pflege der Skala eine Frage der Finanzierung, wobei ich im Moment nicht erkennen kann, dass das Land Sachsen diese übernehmen möchte. Allerdings ist es ein Trugschluss zu glauben, dass eine gewisse Artenvielfalt erhalten bleibt, sollte die Natur weiter sich selbst überlassen werden. Denn die Skala schuldet ihre Variationsbreite dem Menschen und der jahrhundertealten Hutungswirtschaft. Ohne dessen Eingriffe verarmt dieses so wertvolle Tal. Entsprechende Forschungsarbeiten der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und des Bautzener Landratsamtes zeigen dies auf. Sie wurden von privaten Dozenten bezahlt, denen die Kreisverwaltung Versprechungen gemacht hat, dass diese Ergebnisse am Ende auch umgesetzt werden.“ Dadurch, dass nunmehr der Staatsbetrieb Sachsenforst die Vorgaben des NNE umsetzen soll, seien die behördlichen Zusicherungen, wie Beat von Zenker es nennt, und die denkmalpflegerische Zielstellung für Natur- und Baudenkmäler gestoppt worden. „Eine derartige Haltung gegenüber Spendern bei einem solch großen finanziellen Engagement gehört sich nicht“, meint der Schlossherr und ehemalige Schweizer Diplomat. Er wirbt dafür, „gute Absichten und jahrelang aufgebaute Strukturen zu vollenden“. Der Betriebs- und Volkswirt würde es zudem begrüßen, wenn aus dem „Durcheinander“, welches nicht nur er scharf kritisiert, eine beispielhafte Kooperation von Stadt, Land, Vereinen und Privaten gedeiht. „Einem wirtschaftlich benachteiligten Gebiet seine Touris- muschancen sowie sein Erholungsgebiet zu nehmen und ein Naturerbe durch zu umfänglichen Schutz und ein falsch verstandenes Kostenbewusstsein in seiner Wertigkeit einzuschränken, kann nicht die Lösung ein“, fügt Beat von Zenker hinzu.

Er verbindet das Ganze mit dem Wunsch, dass Dresden vor dem Hintergrund des bereits vor Jahren ausgefeilten DBU-Konzeptes einlenkt und mit den Akteuren vor Ort an einem Strang zieht. „Man sollte die Fehler, die einmal begangen wurden, im Sinne der heutigen Zeit wieder korrigieren“, sagt er in Bezug auf die bereits erfolgte Zerstörung einiger Einzeldenkmäler in der Gröditzer Skala. Exemplarisch führt der Eidgenosse eine Grotte aus dem 18. Jahrhundert an, die nach dem Zweiten Weltkrieg laut seiner Darstellung bewusst zerstört wurde. Indes stand zum Redaktionsschluss eine Antwort vom SMUL noch aus.

Roland Kaiser / 20.07.2019

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