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Folgenreiche Dürre: Bauern in Nöten

Folgenreiche Dürre: Bauern in Nöten

Viele Landwirte auch in der Bautzener Region mussten im Juli noternten. Foto: RK

Region. Über 800 Sonnenstunden innerhalb eines Quartals und Niederschlagsmengen weit unter dem langjährigen Mittel sind einfach zu viel des Guten: Landwirtschaftsbetriebe wie die Agrargenossenschaft Gnaschwitz hat die anhaltende Hitze und die damit verbundene Trockenheit nicht nur ordentlich ins Schwitzen gebracht, sondern ihnen auch Ertragseinbußen beschert. Im Vergleich zum Vorjahr fallen diese bei Getreide und anderen Kulturen recht deutlich aus, betont Vorstandschef Markus Gallasch. „Auch beim Futter für unsere Kühe wird es dieses Jahr Qualitätsprobleme geben.“ Dort müssten die Landwirte große Verluste verkraften. Grund sei ein geringer zweiter Aufwuchs beim Grünland. Ein dritter habe bislang nicht stattgefunden. Trotz dieser außergewöhnlichen Situation rechnet der Diplom-Agrarökonom mit keinen Hilfen. „Die größte Hilfe wäre, wenn es in der Bevölkerung wieder mehr Verständnis für die Landwirtschaft geben würde. Denn das, was wir tun, auch wenn es staubt und riecht, ist dafür, dass wir alle jeden Tag genügend zu essen auf unseren Tellern haben. Angesichts dieser Trockenheit und den damit verbundenen Ertragsausfällen wird klar, dass das nicht selbstverständlich ist. Denn die erste Stufe, kein beziehungsweise wenig Futter und keine beziehungsweise wenig Milch und Fleisch zu haben, hat viele Bauern schon erreicht.“

Indes sieht man beim Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) auf Verbraucherseite keinen Grund zur Panik. „Lebensmittel werden global gehandelt. Mit einer Verknappung aufgrund der aktuellen Hitzeperiode ist nicht zu rechnen“, erklärte Sprecherin Bianca Schulz. Wohl aber mit steigenden Getreidepreisen. Diese lagen zuletzt bei etwa 15 Euro pro Dezitonne. Das geht aus einer Statistik der in Bonn ansässigen AMI Agrarmarkt Informations-GmbH hervor. Und auch für das Lebensmittelhandwerk, das eher in regionale Wertschöpfungskreisläufe eingebunden sei, will das Ministerium zeitlich versetzte Rohstoffpreiserhöhungen nicht gänzlich ausschließen. Bianca Schulz: „Ob der deutsche Lebensmitteleinzelhandel die Situation nutzt, um mit Hinweis auf die anhaltende Hitzeperiode einzelne besonders nachgefragte Produktgruppen wie z. B. Erfrischungsgetränke, Bier, Obst und Gemüse preislich aufzuwerten, lässt sich derzeit nicht feststellen und bleibt deshalb abzuwarten.“

Belastbare Aussagen seien ohnehin erst nach Abschluss der Ernte möglich, meint auch Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt: „Nach unseren bisherigen Erkenntnissen ist die Lage für die landwirtschaftlichen Betriebe in großen Teilen Sachsens schwierig bis dramatisch. Dennoch müssen wir die Erfassung der Ernte abwarten, um die Ausfälle seriös beziffern zu können.“ Gleichzeitig hat er versprochen, schnellstmöglich der Aufforderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu folgen und die sächsischen Zahlen zu melden.

Fest steht: Die Ergebnisse dürften denen von vor 15 Jahren ähneln, wenn nicht gar darunter liegen. Damals sorgten mehrere Hitzewellen mit etwas höheren Spitzentemperaturen für deutlich geringere Erträge. Oder anders ausgedrückt: Pro Hektar wurden im Dürresommer 2003 sachsenweit 44,4 Dezitonnen Getreide von den Feldern eingefahren. Zum Vergleich: 2013 waren es rund 63 und im Vorjahr gar etwa 69 Dezitonnen pro Hektar. Unterdessen kommt der Deutsche Raiffeisenverband in seiner letzten Ernteschätzung zu dem Schluss, dass die deutsche Getreideernte 2018 zum ersten Mal seit langer Zeit unter dem hiesigen Verbrauch liegen wird. Sie befinde sich auf einem 24-Jahrestief.

Inwieweit sich im nächsten Sommer eine ähnliche Situation wiederholt, bleibt abzuwarten. Nach Ansicht des Deutschen Wetterdienstes DWD ist das völlig offen. Wohl aber gibt Diplom-Meteorologe Gerhard Lux zu bedenken: „Auch wenn dieser Sommer ein Einzelereignis ist, so passt er doch in unsere Vorstellung vom Wandel unseres Klimas. Unsere Szenarien für die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte zeigen jedenfalls eine Häufung von heißen und trockenen Sommermonaten.“ Was zu der langanhaltenden Trockenheit führte, erklärt der Experte folgendermaßen: „In diesem Jahr überrascht vor allem der frühe Beginn der aktuellen Warmphase sowie die anhaltende Rekordtrockenheit in weiten Teilen Deutschlands. Seit April waren immer wieder Hochdruckgebiete über Zentraleuropa wetterbestimmend. Sie blockierten dabei häufig Tiefdruckgebiete mit den zugehörigen Fronten und Regengebieten.“ Das Wasserdefizit habe sich nach drei Monaten bemerkbar gemacht, fügt SMUL-Sprecherin Bianca Schulz hinzu. Landesbauernpräsident Wolfgang Vogel bezeichnet indes die diesjährige Dürre als außergewöhnliches Naturereignis, „bei dem es national um einen anteiligen Schadensausgleich für die weit über die normalen Ertragsschwankungen hinausgehenden Verluste geht“. Darüber wurde auf Bundesebene zuletzt noch diskutiert.

EU-Kommissar Phil Hogan hingegen stellte bereits zusätzliche Dürre-Hilfen für betroffene Landwirte in Aussicht. Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt wiederum steht dem Vorstoß skeptisch gegenüber: „Im Freistaat ist es seit Jahren gängige Praxis, dass die Direktzahlungen bereits im Dezember ausgezahlt werden. Ein Vorziehen in den Oktober wäre keine zusätzliche Hilfe, sondern lediglich ein Verschieben der Notsituation. Außerdem wäre dies administrativ nicht durchführbar und würde erhebliche Mehrkosten in der Verwaltung auslösen. Dieses Geld könnte sinnvoller für eine direkte Unterstützung der Landwirte eingesetzt werden.“ In diesem Zusammenhang verweist der sächsische Landwirtschaftsminister nochmals auf die Bedeutung der Direktzahlungen als Baustein für ein Sicherheitsnetz in einem wetterabhängigen und damit unsicheren Umfeld. „In solchen Ausnahmesituationen wie in diesem Jahr wird besonders deutlich, dass Kürzungen der Direktzahlungen in Abhängigkeit der Betriebsgröße falsch wären, wie es die EU-Kommission derzeit für die Förderperiode ab dem Jahr 2020 vorsieht. Ich hoffe innig, hier findet noch ein Umdenken in Brüssel statt.“

Alternativ dazu hat das SMUL Steuer- und Pachtstundungen, zinsverbilligte Liquiditätssicherungsdarlehen der Landwirtschaftlichen Rentenbank für Agrarbetriebe, die einen Ergebnisrückgang von mindestens 30 Prozent nachweisen können, sowie Flächenfreigaben für die Futternutzung ins Gespräch gebracht.                              

Roland Kaiser / 22.08.2018

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