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Gegenwind von der Straße: 
Bürger wollen ihre Krone retten

Gegenwind von der Straße: 
Bürger wollen ihre Krone retten

Unter dem Motto „Ein Herz für die Krone“ will sich die Bürgerinitiative um Utta Winzer und Martin Schneider für den Erhalt des Veranstaltungshauses stark machen. Montage: MK/RK

Da hat sich das Rathaus ja was schönes eingebrockt: Seit Kurzem sitzt der Stadtverwaltung eine Bürgerinitiative im Nacken. Die Protestbewegung befürchtet, dass ein etwa 9.000 Quadratmeter großes Filetstück in der Stadtmitte an einen privaten Investor verloren geht – und mit ihm die einstige Stadthalle Krone. Deshalb setzt sie sich dafür ein, dass die Kommune endlich Nägel mit Köpfen macht und selbst das Areal erwirbt. Utta Winzer und Martin Schneider, zwei Bautzener Urgesteine, sprechen im Oberlausitzer Kurier exklusiv über ihre Initiative, deren Ziele und Erwartungen.

Frau Winzer und Herr Schneider, Sie haben sich dafür entscheiden, bezüglich der Krone eine Bürgerinitiative ins Leben zu rufen. Was sind Ihre Beweggründe dafür gewesen?

Utta Winzer: „Wer weiß, was war, versteht was ist!“, um gleich einmal mit den Worten des Heimatkundlers Herbert Flügel zu sprechen. Es ist fünf vor zwölf bezogen auf den Erhalt der Krone und des davor befindlichen Parkplatzes. Es geht uns um eine Entscheidung, um das Alles-oder-nichts-Prinzip. In den zurückliegenden Monaten ist viel in der Öffentlichkeit darüber geschrieben worden. Die Rathausspitze machte bislang jedoch immer wieder ihre ablehnende Haltung im Fall eines möglichen Krone-Erwerbs deutlich. Hier stellt sich die Frage, ob die von uns gewählten Volksvertreter den Willen der Bürger gar nicht hören wollen. Wie sieht es aus mit der Bereitschaft, zum Wohle der Stadt zu wirken? Wir wollen hier nicht tatenlos zuschauen und haben deshalb beschlossen, den Bautzener Bürgern eine Stimme zu geben.

Martin Schneider: Die Bürger haben ein Recht auf kulturelle Erlebnisse. Die Kommunalpolitiker sind für die Bürger da und haben alle Möglichkeiten für den Zusammenhalt auszuschöpfen, was dazu beiträgt, die Menschen zufrieden und glücklich zu machen. Dadurch wird soziales Vertrauen geschaffen, was unbedingt die Gemeinschaft stärkt. Durch das gemeinsame Treffen und das Aufgreifen gemeinsamer Themen lassen sich gemeinsame Ziele erreichen.

Auf welche Unterstützung können Sie beide aktuell bauen?

Utta Winzer: Das absolut positive Signal vieler Stadträte und Bautzener Bürger zum Erhalt der Krone samt Parkplatz geben unserer Bürgerinitiative (BI) einen großen Auftrieb. Unabhängig davon haben sich bereits viele bei uns gemeldet, um die BI zu unterstützen.

Martin Schneider: Ob die Krone existiert oder nicht, ist eine politische Frage und kann nicht zur Ermessenssache eines Einzelnen gemacht werden, auch wenn er eine hohe Verantwortung trägt. Ich gehöre keiner politischen Partei an, kann aber als Bürger dafür sorgen, dass die Bautzener Bürgerinitiative durch ihr Auftreten und ihre Argumente zu einem Schwergewicht in der Entscheidungsfindung wird.

Welche Ziele verfolgt Ihre Protestbewegung?

Utta Winzer: Erklärtes Ziel der BI ist der städtische Erwerb der Krone und des Parkplatzes, damit eine Weiternutzung durch und für alle Bürger möglich wird. Wir setzen auf ein bewährtes „Weiter so“ in der Stadthalle und auch neue Dinge, die den Wünschen der Bevölkerung gerecht werden. An dieser Stelle gestatten Sie mir bitte, einen Aufruf an die Menschen in Bautzen und Umgebung zu richten: Was wollen Sie in und mit der Krone erleben und gestalten? Bereits jetzt gibt es schon eine ganze Menge Ideen und Wünsche, die in der Ausgabe des Oberlausitzer Kuriers vom 03. März 2018 nachzulesen waren – und auch online auf der Internetseite der Zeitung. Von uns neu hinzukommen Ideen wie Musicals und Kreativaktionen, Messen, Brauchtumspflege sowie die Förderung der Heimatverbundenheit mit Bautzen und dem Umland. Bei alledem ist uns die Zielgruppe der jüngeren Generation sehr wichtig. Diese möchten wir verstärkt mit ins Boot holen.

Mit welchen Aktionen wollen Sie darauf aufmerksam machen?

Martin Schneider: Wir wollen möglichst in Kürze einen Vor-Ort-Termin mit all denen initiieren, die sich für den Erhalt einsetzen.

Welche Chancen rechnen Sie sich für eine Rettung der Krone aus?

Utta Winzer: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren! Das besagt ein altes Sprichwort. Wenn der gesunde Menschenverstand siegt, dürfte eine Rettung der Krone und des Parkplatzes realistisch sein. Ein kostendeckender Betrieb ist nach unserer Ansicht machbar. Das Veranstaltungshaus weiterhin in seiner Form nutzen zu dürfen, betrachten wir als Chance für die Stadt und deren Einwohner.

Was könnte sich auf dem Areal einmal abspielen in Zukunft und warum ist das so wichtig für eine Stadt wie Bautzen?

Utta Winzer: Dieses Areal kann sich zu einem lebendigen Treffpunkt aller Bautzener und der Bürger des Umlandes entwickeln. Zudem würde die Kommune ihrem Anspruch als Hauptstadt der Sorben weiterhin gerecht werden. Vor Ort könnten sich alle Altersgruppen einbringen, um viele ihrer Wünsche umzusetzen – ähnlich, wie es sich unser neuer Landesvater Michael Kretschmer vorstellt. Er möchte „einen fröhlichen Freistaat, in dem die Leute stolz sind auf Ihre Heimat“. Immerhin: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Martin Schneider: Um speziell auf den Parkplatz mit seinen rund 220 Stellflächen zu sprechen zu kommen: Den könnte künftig die kommunale Beteiligungs- und Betriebsgesellschaft betreiben. Dabei möchte ich gern noch einmal in Erinnerung rufen: Zeitungsberichten zufolge werden schon jetzt über diesen rund 150.000 Euro pro Jahr eingenommen.

Die derzeitigen Eigentümer veranschlagen einen Kaufpreis von 2,2 Millionen Euro. Unter dieses Limit wollen sie eigenen Angaben zufolge nicht mehr gehen. Aber ist eine so hohe Summe überhaupt gerechtfertigt aus Ihrer Sicht?

Utta Winzer: Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten ist zu einem anderen Ergebnis gelangt. Demnach hat das Areal noch einen Wert von rund 1,66 Millionen Euro. Das die Onnasch-Gruppe auch Investitionen getätigt hat, ist nachvollziehbar. In Zeiten der wirtschaftlichen Optimierung muss der Eigentümer auch seine Ausgaben in Rechnung stellen dürfen. Fakt ist: im Raum steht der Kaufpreis von 2,2 Millionen. Fest steht aber auch: Der Fehler, der einst begangen wurde, Volkseigentum wie die Krone durch die Treuhand an einen privaten Investor aus Westberlin zu veräußern, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Wir Bautzener müssen mit dem Rückkauf der Krone und des Parkplatzes die einmalige historische Möglichkeit nutzen, um den Fauxpas der Vergangenheit wiedergutzumachen. Kein geringerer als Altkanzler Helmut Kohl räumte einmal ein, dass bei der Wiedervereinigung Fehler gemacht wurden. Er habe es allerdings versäumt, offen darüber zu reden, dass nicht alles in der DDR falsch war und im Westen auch nicht alles richtig.

Martin Schneider: Der Wortführer der Stadt beziehungsweise der Bürgerinitiative für den Rückkauf der Krone muss von der Onnasch-Gruppe fordern, dass sie offenlegt, wie die Kaufsumme in Höhe von 2,2 Millionen Euro zustande kommt. Sie muss nachweisen, dass ihre Forderung gerechtfertigt ist. Die damalige Kaufsumme für die Krone und die während des Betriebes getätigten Investitionen durch die Onnasch-Gruppe müssen in einer belegbaren Kostenübersicht berücksichtigt werden. Notfalls ist ein versierter Rechtsbeistand zu Hilfe heranzuziehen. Zu klären ist in diesem Zusammenhang der Umgang des Eigentümers mit der Tanzbar, die bekanntermaßen unter Denkmalschutz stand. Welche Auswirkungen hat dieses Problem auf die Verhandlung oder gar rechtliche Folgen für den jetzigen Eigentümer? Da sehe ich durchaus noch Klärungsbedarf.

Was sollte die Kommune Ihrer Meinung nach zeitnah unternehmen, damit die Krone den Bautzenern und ihren Gästen wieder zugänglich wird?

Utta Winzer: Nach dem Kauf der Krone und des Parkplatzes sollte sie unbedingt eine Einwohnerversammlung in der Stadthalle abhalten bezie-hungsweise eine Ideenkonferenz zur künftigen Nutzung dort ausrichten. Das, was die Bürger bis jetzt schon vorgeschlagen haben, ist unseres Erachtens auf eine Machbarkeit zu prüfen und gemeinsam mit den Bürgern umzusetzen. Das Fahrrad braucht man wahrlich nicht neu zu erfinden.

Martin Scheider: Die Stadt sollte jeglichen Vandalismus verhindern und sich umgehend um finanzielle Mittel bemühen.

Mit welchen Gefühlen und Emotionen haben Sie bislang die Diskussion um die Zukunft der Stadthalle verfolgt?

Utta Winzer: Ich gebe zu, mit sehr gemischten Gefühlen. Einerseits ist da eine Freude über die vielen positiven Gedanken und Emotionen der Bürger, die, mich mit eingeschlossen, die Krone als Veranstaltungsort in den besten Zeiten erleben durften. Solange es keinen Ersatz für diese Stadthalle gibt, sollte genau diese weiter betrieben werden. Ein sehr positives Signal ist die öffentliche Erklärung vieler Stadträte zum Erhalt der Krone und des Parkplatzes sowie die konstruktiven Nutzungsvorschläge für einen Weiterbetrieb. Auf der anderen Seite ist da die durchweg ablehnende Haltung unserer Stadtspitze bezogen auf einen Erwerb der Krone samt Parkplatz. Dass Möglichkeiten einer Beantragung der vom Freistaat für Investitionen zur Verfügung gestellten SED-Millionen nicht genutzt werden, macht mich wütend und traurig zugleich. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass die Stadtspitze diese Blütezeit der Nutzung niemals selbst erlebt hat und deshalb nicht wissen kann, auf welche Weise dort ein lebendiges kulturelles Leben stattfand.

Martin Schneider: Meine lebenslange Tätigkeit auf kulturellem Gebiet, besonders bei der Betreuung der jungen Generation, ist für mich Verpflichtung, alles zu tun, dass den Menschen aller Altersgruppen die einzige, großzügige Möglichkeit erhalten bleibt, ihren kulturellen Interessen nachzugehen.

Warum ist es aus Ihrer Sicht so schwierig, eine für die Einwohner befriedigende Lösung herbeizuführen?

Utta Winzer: In Zeiten der Demokratie ist es nur legitim, dass es bezogen auf eine Sache verschiedene Meinungen und Auffassungen gibt. Einzig und allein die Frage, was dient der Stadt Bautzen und seinen Menschen, sollte hier die Entscheidung bringen. Getreu dem Wahlspruch der Bautzener„Da Domine Incrementum – Herr gieb gedeihen!“, der seit 1590 Bestand hat. Im übertragenen Sinne bedeutet das so viel wie, es muss ein kulturelles Zentrum geben – einen Ort für das Gedeihen.

Martin Schneider: Nach meiner Ansicht liegt es an der mangelnden politischen Verantwortung. Die Stadt sagt, es liege am Geld. Diese Art der Entscheidung haben wir vier Jahrzehnte lang erlebt – und überlebt. Jetzt nach 27 Jahren will man uns das gleiche erneut erzählen. Ich aber bin davon überzeugt, es liegt an der Fantasie und Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Jedoch scheint es auch ein Zeichen dafür zu sein, dass Ost und West immer noch verschieden denken. Für den OB als gebürtiger Westberliner ist die Krone als Immobilie nur zusätzliche Belastung, das Interesse der Bürger interessiert ihn nicht. Nur für den Fall, er setzt sich durch: Wie soll es dann weitergehen? Die Onnasch-Gruppe hat dieses für uns wichtige Objekt für wenig Geld erworben. Nachdem das Hotel veräußert wurde, soll jetzt auch der letzte Rest gewinnbringend an den Käufer gebracht werden. Mein Wunsch ist es, dass wir eine für beide Seiten zumutbare Lösung finden. Am Ende sollte es keinesfalls heißen: Die Wessis haben uns auch nach 27 Jahren wieder als Partner zweiter Klasse behandelt und uns über den Tisch gezogen. Dieses unwürdige Verhalten muss aufhören.

Roland Kaiser / 21.03.2018

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Kommentare zum Artikel "Gegenwind von der Straße: 
Bürger wollen ihre Krone retten"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Siegfried Winkler schrieb am

    Es ist vielleicht nicht ganz sachlich, den Wessis dieses Dilemma anzulasten. Vielmehr ist daran wohl schon seit der Wende das Bautzener Rathaus mit seinen Stadtvätern schuld, was nie bereit war, gesunde Risiken einzugehen und lieber alles an dubiose Investoren verschleudert hat, was mal Geld kosten könnte. Das Stauseeareal als Naherholungszentrum ist auch so ein Beispiel. Wir haben heute einen OB der kein gebürtiger Bautzener ist, wie soll der verstehen, wenn unseren Einheimischen das Herz blutet?

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