Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Hält sich Steinbruchfirma an die Spielregeln?

Hält sich Steinbruchfirma an die Spielregeln?

Was wie ein Morgennebel ausschaut, ist in Wirklichkeit keiner: Anrainer des Steinbruchs Pließkowitz beklagten in der Vergangenheit immer wieder eine höhere Staubbelastung. Foto: privat

Immer wieder hat eine Bürgerinitiative (BI) darauf aufmerksam gemacht, dass im Steinbruch Pließkowitz womöglich nicht alles so läuft, wie es eigentlich sein sollte. Das Sächsische Oberbergamt (SOBA) winkte stets ab. Doch jetzt musste es selbst eingreifen.

Malschwitz. Seit Wochen herrscht Trockenheit in der Region. Abgesehen von einigen Schauern, die hier und da an diesem Wochenende über der Lausitz niedergehen sollen, ist auch weiterhin kein Regen in Sicht. Für die Menschen rund um den Steinbruch Pließkowitz bedeutet das, dass sie möglicherweise auch weiterhin mit einer stärkeren Staubbelastung rechnen müssen. Doch Abhilfe scheint in Sicht. Das geht aus der Antwort von Bürgermeister Matthias Seidel auf eine Anfrage des Oberlausitzer Kuriers hervor. Demnach ist vorgesehen, den Lagerplatz und das Betriebsgelände zu bewässern. Wie es weiter heißt, habe sich der Tagebaubetreiber bereiterklärt, eine Berieselungsanlage für die Fahrzeuge anzuschaffen. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter im Steinbruch darauf achten, dass die Kippmulden der Lkw abgedeckt und die Rückwand der jeweiligen Laster vor dem Verlassen des Betriebsgeländes abgespritzt werden. „Bei extremer Staubentwicklung kann der Betriebsleiter eigenständig die Produktion einstellen“, erklärte das Gemeindeoberhaupt. Schon jetzt wird Augenzeugenberichten zufolge die Verbindungsstraße zwischen Kleinbautzen und Pließkowitz hin und wieder von einem mit Wasser gefüllten Tankwagen abgefahren und besprenkelt, um auf diese Weise dafür zu sorgen, dass weniger Staub von der Fahrbahn aufgewirbelt wird. Das honorieren die Bewohner beider Ortsteile zwar. Jedoch belegen diverse Bilddokumente, die unserer Zeitung vorliegen, auch: Diese eine Maßnahme reicht bei weitem nicht aus.

Staubminderungskonzept soll Abhilfe schaffen

Deshalb feilen die Genehmigungsbehörden gemeinsam mit dem Tagebaubetreiber an einem Staubminderungskonzept. „Ein solches Konzept hat alle im konkreten Fall maßgeblichen Staubquellen zu betrachten und die technisch möglichen Minderungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Effizienz zu beurteilen“, erklärte Marco Henkel vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. „Die Einhaltung wird das Sächsische Oberbergamt selbstverständlich überprüfen.“ Von dort hieß es, dass ein solches Konzept zwingend notwendig sei. Behördenchef Dr. Bernhard Cramer: „Es soll alle Emissionspunkte des Steinbruchs umfassen und die nach dem Stand der Technik in Frage kommenden Maßnahmen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Effizienz konkret beurteilen. Die wirksamen Maßnahmen nach Stand der Technik sind umzusetzen. Das Verwaltungsverfahren hierzu wird in Kürze eröffnet.“ Oberberghauptmann Cramer verwies aber auch darauf, dass „hinsichtlich der durch das Unternehmen einzuhaltenden gesetzlichen Grenzwerte für Staub, Lärm (auch nachts) und Erschütterungen uns derzeit keine Grenzwertüberschreitungen bekannt sind“. Diese würden vielmehr eingehalten und nicht ausgeschöpft.

Das sieht die Bürgerinitiative anders. Seit dem Vorjahr bündelt die Protestbewegung sämtliche Hinweise und Beschwerden betroffener Tagebauanrainer. Erst jüngst ist im Gemeindeamt eine Anzeige wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Nachtruhe eingegangen. „Diese wird durch uns gerade geprüft“, ließ der Bürgermeister vor wenigen Tagen wissen. Die Kommune wartete da noch auf eine Stellungnahme des Oberbergamtes. Brecheranlagen zur Verarbeitung des abgebauten Gesteins stehen im Verdacht, schlafraubenden Krach zu verursachen. Das Tagebauunternehmen selbst kann sich auf eine Genehmigung berufen, die ihm seit Jahren vorliegt. Dass trotzdem nicht alles mit rechten Dingen im Steinbruch zugeht, zeigte sich Mitte vergangenen Monats.

Anlage lief ohne entsprechende Genehmigung

Während einer vor Ort durchgeführten Kontrolle zur Staubentwicklung sah sich das Oberbergamt als Überwachungsbehörde dazu gezwungen, eine mobile Brechanlage umgehend abstellen zu lassen. „Der Umstand, dass die stationäre und die mobile Aufbereitungsanlage gleichzeitig betrieben wurden, wurde erstmals am 19. Juli 2018 durch einen unserer Mitarbeiter festgestellt. Das Oberbergamt hat umgehend gehandelt und den Betrieb der mobilen Aufbereitungsanlage untersagt“, erläuterte SOBA-Abteilungsleiter Tobias Dressler. Wie aus dem Befahrungsbericht selbigen Tages hervorgeht, handelte es sich bei diesem Gerät lediglich um eine Ersatzanlage für den stationären Vorbrecher. Für einen Dauerbetrieb lag demnach keine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vor. „Die Untersagung bewirkt die Wiederherstellung eines rechtskonformen Betriebszustandes.“ Vor diesem Hintergrund klingt die Aussage des Wirtschaftsministeriums, wonach der Steinbruch Pließkowitz auf Grundlage bestandskräftiger Genehmigungen betrieben werde, schon etwas zynisch. Zumindest zeigen Vorher-Nachher-Fotoaufnahmen, wie sich die Staubbelastung innerhalb kürzester Zeit minimierte. Anlass für die Überprüfung bildeten Beschwerden von Bewohnern der unweit entfernten Ortschaft Kleinbautzen. Die Menschen dort hatten zu jenem Zeitpunkt eine „sehr hohe“ Staubentwicklung beklagt. Eine schriftliche Anfrage zu den Vorgängen ließ der Steinbruchbetreiber bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Streng geschützter Zauneidechsenbestand von Tagebau betroffen

Unabhängig davon fordern die BI-Mitstreiter weiter eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das sich vergrößernde Tagebauareal ein. Dessen Außenhalde soll im Zuge eines lediglich abgeänderten Rahmenbetriebsplanes bis zum Jahr 2025 in südliche und nördliche Richtung erweitert werden und, wie aus einem Papier des Steinbruchunternehmens hervorgeht, Lebensräume der streng geschützten Zauneidechse in Anspruch nehmen. Damit rückt der Steinbruch näher an Kleinbautzen und Pließkowitz heran und erreicht BI-Angaben zufolge eine Größe von dann mehr als 25 Hektar. Nach Auffassung der Protestbewegung wird bei solch einer Größenordnung jedoch eine UVP notwendig. Laut Oberbergamt erstreckt sich der Tagebau künftig auf einer Gesamtfläche von rund 20 Hektar.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig verwies in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten der Linkspartei, Heiko Kosel, darauf, dass das Tagebauvorhaben bereits im Zuge des am 18. Mai 1998 mit Beschluss beendeten Planfeststellungsverfahrens ei-ner UVP unterzogen worden sei. „Im Ergebnis wurde festgestellt, dass von dem Vorhaben keine erheblich nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt ausgehen, welche zu einer Beschränkung der Untersagung der Gewinnung hätten führen müssen.“ Inzwischen gibt es jedoch Befürchtungen, wonach ein ganzer Zauneidechsenbestand gefährdet sein könnte. Nach dem Willen des Steinbruchbetreibers soll dieser aus seinem angestammten Territorium vergrämt und an anderer Stelle angesiedelt werden. In dem Zusammenhang ist vorgesehen, neu geschaffene Böschungsflächen gezielt zu Zauneidechsenhabitaten aufzuwerten – das alles unter der Aufsicht und Anleitung der beim Landkreis angesiedelten Unteren Naturschutzbehörde. Fachleute indes verbinden das Unterfangen mit einem gewissen Risiko für die weitere Existenz dieser Tiere. „Prinzipiell muss bei derartigen Aktionen sehr sensibel vorgegangen und eine Vernetzung vorhandener Populationen angestrebt werden“, betonte der Dresdener Feldherpetologe Uwe Prokoph. „Mit einer ‚Insellösung’ würde die Zauneidechsenpopulation längerfristig aussterben.“ Auf die Frage, ob möglicherweise schon gar keine Zauneidechsen vor Ort mehr existieren, antwortete Landratsamtssprecherin Dunja Reichelt: „Uns liegen bisher keine Anhaltspunkte vor, dass dem nicht so wäre. Die notwendigen Lebensraumstrukturen sind vorhanden.“ Die Bürgerinitiative widerspricht dieser Auffassung der Kreisverwaltung. Reptilien dieser Art gebe es an Ort und Stelle schon jetzt nicht mehr. Als Grund dafür macht sie die Haldenaufschichtung in Richtung Pließkowitz verantwortlich. Gebiete, in denen sich Zauneidechsen bislang aufhielten, seien einfach überschüttet worden. Das Kuriose an der Geschichte ist: Das Landratsamt weiß davon. Es hatte eigenen Angaben zufolge dem Bergbauunternehmen am 1. Februar einen Bescheid zugesandt, nachdem es gegen die Firma Ermittlungen führte. „Diese haben Ordnungswidrigkeiten nach Naturschutz-, Forst- und Bergrecht ergeben“, teilte Dunja Reichelt ferner mit.

Staatsanwalt kann Geschäftsführer keinen Verstoß nachweisen

Zudem befasste sich die Staatsanwaltschaft Görlitz mit Vorgängen im Steinbruch. Wegen des Verdachts, im Haldenbereich könnte Sondermüll verkippt worden sein, liefen ebenfalls seit Jahresbeginn strafrechtliche Ermittlungen gegen den Geschäftsführer des Unternehmens Pro Stein. Jetzt liegt deren Ergebnis vor. Das Verfahren zum Verdacht der Strafbarkeit wegen Bodenverunreinigung wurde eingestellt. Zur Begründung heißt es in einem Schreiben an die BI: „Eine Strafbarkeit konnte dem Beschuldigten nicht nachgewiesen werden, da keine ausreichenden Hinweise dafür bestehen, dass der Beschuldigte die Ablagerungen verursacht hat.“ Er habe in seiner Vernehmung die Tatvorwürfe bestritten. Ferner heißt es, dass das Gelände frei zugänglich sei. Auf den Halden würden nur die Reststoffe aus dem Steinbruch abgelagert, Abfälle würden diese nicht beinhalten. Asbestablagerungen habe der Werksleiter bereits im Juli 2017 festgestellt, woraufhin der Beschuldigte Bürgermeister Matthias Seidel darüber in Kenntnis setzte. Im Anschluss seien die Ablagerungen ordnungsgemäß entsorgt worden.

Tagebauloch soll ein Naturidyll werden

Doch wie geht es weiter am und im Tagebau? Offiziell prüft das SOBA noch immer eine vom Steinbruchbetreiber beantragte Haldenerweiterung auf einer Fläche von circa vier Hektar. Der Landkreis will parallel dazu voraussichtlich ab dem nächsten Frühjahr die Kreisstraße K 7219, die durch Kleinbautzen führt, auf einer Länge von rund 1,6 Kilometern für etwa drei Millionen Euro grundhaft ausbauen lassen. Was bleibt, sind die Erschütterungen, die hin und wieder vom Steinbruch ausgehen. Inzwischen zeigt sich das SOBA einsichtig. Es wird nach Auskunft des Wirtschaftsministeriums den Tagebauinhaber auf neue Messstandorte verpflichten, sofern es dazu in der Gemeinde abgestimmte Vorschläge gibt. Gebäude, die im Umkreis Risse aufweisen, sollen von einem Gutachter in Augenschein genommen werden. Zwölf betroffene Hausbesitzer hätten dieser Verfahrensweise bereits zugestimmt. Losgelöst davon befasst sich weiterhin der Petitionsausschuss des Landtages mit den Vorgängen im Steinbruch. Allerdings rechnet Obmann Jörg Vieweg nicht mehr damit, dass noch 2018 ein abschließender Bericht vorgelegt werden kann. Zuletzt wartete das Gremium weiter auf eine Zuarbeit aus der Kreisverwaltung. Es war 2017 von der Bürgerinitiative angerufen worden, um die Vorgänge auf dem Tagebauareal zu untersuchen.

Ab dem Jahr 2042 soll sich das Loch in einen See verwandeln. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Abbau von Granodiorit geplant und der Freistaat verdient weiter daran mit. Welche Einnahmen er dabei erzielt, dazu wollte sich das Wirtschaftsministerium konkret nicht äußern. Wohl aber dazu: Für die Wiedernutzbarmachung wurde beim SOBA mit Stand 1998 eine Bankbürgschaft von umgerechnet 330.000 Euro hinterlegt.   

Roland Kaiser / 04.08.2018

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Weitere aktuelle Artikel