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Interne Konflikte lähmen die Arbeit

Interne Konflikte lähmen die Arbeit

Die Gedenkstätte Bautzen steht im Zentrum von Auseinandersetzungen innerhalb der Stiftung sächsische Gedenkstätten.

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Mitarbeiter Sven Riesel führt hier durch den neuen Dauerausstellungsteil zu den Bautzener Gefängnissen in der Zeit des Nationalsozialismus. Foto: Archiv

Der Evaluationsbericht für die Stiftung Sächsische Gedenkstätten liegt jetzt vor. Die Vorsitzende des Stiftungsrates sieht in erster Linie positive Bewertungen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Dresden/Bautzen. Die vom Stiftungsrat beauftragte Evaluation der Stiftung Sächsische Gedenkstätten (StSG) durch das Institut Prognos ist abgeschlossen. „Der Abschlussbericht enthält positive Bewertungen und gibt Hinweise zur Weiterentwicklung in der Stiftung“, erklärt die Stiftungsratsvorsitzende und Ministerin für Kunst und Wissenschaft, Dr. Eva-Maria Stange (SPD). Und weiter: „Dem wurde bereits mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 des Freistaates Sachsen zum Teil Rechnung getragen.“ Demnach steigen die Zuwendungen des Landes an die StSG von 2,45 Millionen Euro (2018) auf jeweils 3,046 Millionen Euro in den Jahren 2019 und 2020. Dies ermöglicht höhere Ausgaben für das Personal, aber auch für „sächliche“ Verwaltungsaufgaben, für Zuwendungen an Dritte und für Investitionen.

Einige Zeit später ergänzte die Ministerin ihr Statement noch wie folgt: „Der Bericht gibt andererseits Hinweise, wo es Probleme gibt, die dringend angegangen werden müssen.“

Eine der zentralen Aussagen des Evaluationsberichtes besteht nämlich darin, dass die Sächsische Gedenkstättenstiftung in Anbetracht ihrer Aufgaben personell eher „knapp“ ausgestattet ist. Doch auch darüber hinaus zeigt ein tieferer Blick in den Bericht, dass die Reduktion auf „positive Bewertungen“ bestenfalls die halbe Wahrheit darstellt.

Denn: Die Evaluation zeigt tief greifende Konflikte zwischen den einzelnen Leitungsebenen der Stiftung auf, deren Auswirkungen die inhaltliche Arbeit lähmen. Wichtige Aufgaben, wie Bildungsarbeit und Forschung, können gar nicht oder nur unzureichend erledigt werden. Von einer „Lagerbildung“ ist die Rede, die Kritiker und Unterstützer des aktuellen Geschäftsführers voneinander entzweie. Und: im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Gedenkstätte Bautzen, was sich auch deutlich an deren Arbeitsergebnissen der letzten Jahre ablesen lasse.

Die Prognos-Bearbeiter belegen dies mit nüchternen Zahlen. So sei – anders als in den anderen zur Stiftung gehörenden Einrichtungen – die Zahl der Veranstaltungen in der Gedenkstätte Bautzen von 2012 bis 2017 kontinuierlich zurückgegangen: von anfangs 15 auf zuletzt nur mehr noch drei pro Jahr.

Die Zahl der Ausstellungsbesucher habe von 2015 bis 2017 um 20 Prozent abgenommen: Von mehr als 100 000 (2015) auf circa 85 000 (2017). Zahlen für 2018 lagen den Bearbeitern noch nicht vor, wären aber sicher interessant, da in jenem Jahr der neue Ausstellungsbereich zu den Bautzener Haftanstalten in der Zeit des Nationalsozialismus eröffnet wurde. Besonders gravierend erscheint den Prognos-Experten der Rückgang im Bereich der Lehrerfortbildung: Von 17 (2012) nahm die Zahl der entsprechenden Veranstaltungen auf drei (2017) ab.

Die Anzahl der Führungen blieb mit circa 800 pro Jahr annähernd gleich, die der Seminare und Workcamps stieg sogar leicht an. Bedeutsam erscheint den Gutachtern auch die nachlassende Medienpräsenz der Gedenkstätte Bautzen: Von 600 im Jahre 2012 sank die Zahl der veröffentlichten Beiträge auf 150 im Jahre 2017. Prognos bewertet dies wie folgt: „Die rückläufigen Arbeitsergebnisse der Gedenkstätte Bautzen zeigen unter anderem, dass die stiftungsinternen Konflikte zu Auswirkungen auf der Arbeitsebene führen und damit besonderen Einfluss auf die Outputs der Gedenkstätten haben.“ Wo es Konflikte zwischen der Stiftungsleitung und den Leitungen einzelner Gedenkstätten gibt, gebe es diese auch zwischen der Stiftungsleitung und den örtlichen Fördervereinen. Auch hierfür nennt der Evaluationsbericht Bautzen exemplarisch.

Doch wie kann das Verhältnis verbessert werden? Prognos sieht unter anderem Defizite bei der Akzeptanz der Stiftung als „übergeordneter Instanz“ der einzelnen Gedenkstätten und empfiehlt, mehr Kraft und Zeit in die Ausprägung einer „gemeinsamen Identität“ in Form eines Leitbildes zu investieren. Bei der Konfliktbewältigung sei Hilfe von Außen in Form einer Mediation nötig. Verbesserungsbedarf gebe es auch bei der Öffentlichkeitsarbeit. Zugleich bestätigt der Bericht die Position des Geschäftsführers, der das „Letztentscheidungsrecht“ habe. Allerdings müsse er seine Entscheidungen begründen und besser kommunizieren. Schuldzuweisungen oder zumindest eine Ursachenforschung der Konflikte unterlässt der Bericht.

Die stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung, Dr. Julia Spohr, teilt auf Anfrage mit: „Der Stiftungsrat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten hat das Ergebnis der Evaluation zur Kenntnis genommen und im Rahmen seiner Sitzung die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des Evaluators festgelegt.“ So sei das gemeinsame Leitbild zur „baldigen Umsetzung“ empfohlen worden. Die Öffentlichkeitsarbeit soll weiterentwickelt, „Vernetzung und Austausch verbessert“ werden. Bereits Anfang des Jahres sei „unter Beteiligung von Beschäftigten aller Bereiche der Stiftungsarbeit“ mit der Fortschreibung der Entwicklungskonzeption begonnen worden. Die Mediation hingegen wird laut Ratsbeschluss vorerst zurückgestellt. Die Leitungen der einzelnen Einrichtungen sind gegenüber der Öffentlichkeit nicht auskunftsberechtigt und konnten sich daher nicht äußern.
 

Uwe Menschner / 03.08.2019

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