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Ist Bautzen reif für ein Alkoholverbot?

Ist Bautzen reif für ein Alkoholverbot?

Seit Monaten keine Seltenheit im Bautzener Stadtzentrum: Immer wieder rückt ein ganzer Einsatzzug der Polizei zur Platte aus, um Straftaten zu unterbinden oder Streithähne voneinander zu trennen.

Öffentliche Trinkgelage wie auf dem Kornmarkt geraten immer mehr zu einem Politikum. Ein Einsatzzug der Polizei hat jetzt möglicherweise eine Wiederholung der Ausschreitungen vom Herbst letzten Jahres im Herzen der Spreestadt verhindert. Im Alkoholrausch bekamen sich erneut Einheimische und junge Asylbewerber in die Wolle. Das Rathaus steht unter Zugzwang.

Bautzen.
Wie angespannt die Lage in der Spreestadt auch fast ein Jahr nach den Ausschreitungen ist, zeigte sich am Donnerstagabend vergangener Woche. Beamte eines Einsatzzuges mussten über mehrere Stunden hinweg zahlreiche Personen voneinander trennen, die auf dem Kornmarkt im Alkoholrausch aneinandergeraten waren. Die Bilanz: Sechs Straftaten wurden registriert, mehrere Platzverweise erteilt. Von insgesamt 24 Beteiligten stellte die Polizei die Identität fest. Eine Schlüsselrolle spielte den Angaben zufolge ein 34 Jahre alter Mann, der fast 2,9 Promille intus hatte. Er suchte demzufolge Streit sowohl mit jungen Asylbewerbern als auch mit Einheimischen. Im Verlauf des Abends sei er sogar mit einer abgebrochenen Bierflasche auf Anwesende losgegangen, hieß es im Polizeibericht. Zudem fiel ein 45 Jahre alter Mann auf, der ebenfalls im Suff Polizisten beleidigte. Zu dieser Zeit war der Einsatz bereits Thema in sozialen Netzwerken. Immer mehr Schaulustige fanden sich vor Ort ein. Wie schon im Vorjahr gesellten sich gewaltbereite Personen hinzu, die nicht aus der Stadt kommen. So fiel den Einsatzkräften am frühen Freitagmorgen am Kornmarkt ein im Spree-Neiße-Kreis zugelassener Wagen auf, in dem vier Männer saßen. Sie waren mit Pfefferspray sowie mit Quarzsand gefüllten Handschuhen bewaffnet. Das Quartett kassierte ebenfalls einen Platzverweis. Inzwischen übernahm die Kripo die Ermittlungen. „Die Polizei wird auch weiterhin jeden Tag auf dem Kornmarkt präsent sein und konsequent eingreifen“, meinte Sprecher Thomas Knaup. Innenminister Ulbig hatte nach den Ereignissen im Herbst 2016 angekündigt, mehr Polizei nach Bautzen zu schicken.

Bislang ging die Strategie auf. Inzwischen wird jedoch der Ruf nach einer anderen Vorgehensweise laut. „Die Polizeipräsenz ist zwar wichtig“, unterstrich der Bautzener Landtagsabgeordnete Marko Schiemann im Gespräch mit dem Oberlausitzer Kurier. „Aber wir werden niemandem die Aufgaben abnehmen, die die Stadt selbst zu erfüllen hat.“ Beim nächsten Bautzen-Gipfel sollten daher entsprechende Instrumente erörtert werden. Der Landespolitiker zeigt sich davon überzeugt: „Auf keinen Fall kann der Einsatz der Beamten zu einer Dauerlösung werden.“

Eine Möglichkeit wäre, ein rigoroses Alkoholverbot auf öffentlichen Straßen und Plätzen zu verhängen. Dieses existiert in der Spreestadt bislang nicht. Eine Überwachung und Durchsetzung des Verbotes müsste in erster Linie das kommunale Ordnungsamt vornehmen. Doch im Rathaus wird ein derartiger Vorstoß durchaus kritisch gesehen. „Abzuwägen ist bei den Überlegungen, dass ein solches Alkoholverbot alle Benutzer des öffentlichen Straßenraumes in gleicher Weise trifft und dass es zu Problemverlagerungen an andere Orte kommen kann“, sagte Sozialbürgermeister Robert Böhmer. „Durchgesetzt werden kann es nur durch entsprechende Kontrollen. Aufgrund des damit einhergehenden Gewaltpotenzials würde dies regelmäßig nicht ohne den Polizeivollzugsdienst möglich sein.“ Um ein Alkoholverbot zu erlassen, müssten zunächst die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

Noch einmal Robert Böhmer: „Es muss feststehen, dass durch bestimmte Personen in dem Bereich alkoholbedingte Straftaten begangen wurden und es muss eine nachvollziehbare Prognose bestehen, dass dies künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder durch diese Personen geschehen wird. Zudem haben wir zu beachten, dass ein solches Alkoholverbot auf bestimmte Tage innerhalb einer Woche und Stunden des Tages zu beschränken ist. Weiterhin gilt, dass wir ein Verbot örtlich auf höchstens zwei Plätze und drei Straßen beschränken dürfen. Dass dies insgesamt schwierig ist, hat jüngst die Feststellung der Unwirksamkeit einer entsprechenden Verordnung der Stadt Görlitz durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen gezeigt.“ Dennoch, so das Fazit des Sozialbürgersmeisters: „Wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, bleibt ein Alkoholverbot in Bautzen selbstverständlich eine Option.“

Alternativ dazu plädieren einige Spreestädter für eine Videoüberwachung von bestimmten Brennpunkten. Mögliche Straftaten ließen sich auch in Hinblick auf die Ausschreitungen im vergangenen Jahr im Nachhinein schneller aufklären, heißt es zur Begründung.

Mitte September 2016 gerieten auf dem Kornmarkt 20 junge Asylbewerber auf der einen sowie 80 junge Männer und Frauen auf der anderen Seite aneinander, wobei viele von ihnen seitens der Polizei dem rechten Spektrum zugeordnet wurden und gewaltbereit erschienen. Auch damals war reichlich Alkohol im Spiel. Es kam zu Flaschenwürfen und Körperverletzungen. Als die alarmierten Polizisten sich zwischen beide Lager stellten, wurden sie eigenen Angaben zufolge mit Flaschen, Holzlatten und anderen Gegenständen beworfen. Die Beamten antworteten mit Pfefferspray und Schlagstöcken. „Die Gruppe der Asylbewerber verließ danach den Kornmarkt und zog durch die Innenstadt in Richtung Friedensbrücke“, beschrieb damals ein Polizeisprecher die Situation. „Die Gruppe der Deutschen teilte sich auf und folgte den Asylbewerbern auf verschiedenen Wegen. Die Streifen setzten beiden Lagern nach und hielten diese soweit wie möglich voneinander getrennt.“ Diese Szenen hatten Bautzen international ein weiteres Mal einen zweifelhaften Ruf beschert.

Bereits Monate zuvor war der Dachstuhl des als Asylunterkunft angedachten Hotels „Husarenhof“ in Flammen aufgegangen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden stellte das Verfahren inzwischen ein, nachdem sich kein Täter ermitteln ließ. Es kann aber wieder aufgerollt werden, sollten sich neue Hinweise ergeben.

Polizei ermittelt in den eigenen Reihen

Während des Polizeieinsatzes in der Nacht zum 28. Juli im Bereich des Kornmarktes war wiederholt der stadtbekannte Asylbewerber „King Abode“, so sein Spitzname, ins Visier der Beamten geraten. Nach einer Auseinandersetzung mit einem 18-Jährigen soll der Libyer Polizeiangaben zufolge diesen mit Pfefferspray besprüht haben. Nachdem sich der 20-Jährige nach einem kurzen Fluchtversuch ergab, habe sich jedoch ein derartiges Abwehrmittel bei ihm nicht finden lassen. Jedoch stellte sich heraus, dass auch er keinesfalls nüchtern war. Ein Atemalkoholtest ergab einen Wert von knapp einem Promille.

Nunmehr wurden Vorwürfe im Internet laut, einige der im Einsatz befindlichen Polizisten hätten übermäßige Härte angewendet. „Die Autorin wirft ihnen unter anderem Beleidigungen und Übergriffe gegenüber einzelnen der Akteure bei den Auseinandersetzungen vor“, sagte der Sprecher der PD Görlitz Thomas Knaup.

Nach Recherchen des Oberlausitzer Kuriers geht das Ganze auf Aussagen einer Freundin zurück, die in jener Nacht das Geschehen beobachtete. So ist in dem Internetbeitrag unter anderem die Rede davon, dass der junge Asylbewerber von den Beamten zu Boden geworfen, gefesselt und auf den Hinterkopf geschlagen wurde. Umstehende Passanten sollen zudem beleidigt worden sein. Im Internet kursiert ein Video von der Polizeimaßnahme. Dieses gibt die tatsächliche Szenerie wieder.

„Sowohl der Blog-Eintrag, in dem die Anschuldigungen gegen die eingesetzten Polizeibeamten publiziert wurden, als auch das Video sind der Polizeidirektion Görlitz bekannt.“

Seit Wochenbeginn werden hierzu Ermittlungen durch die Kriminalpolizei geführt. Der Leiter der Polizeidirektion Torsten Schultze hatte zuvor entschieden, dass die Vorwürfe gegen die eingesetzten Polizeibeamten strafrechtlich zu prüfen sind. „Im Rahmen der Ermittlungen wird sicherzustellen sein, dass alle Beteiligten Gehör finden“, betonte Thomas Knaup. Bereits am Dienstagvormittag sei die Bloggerin als Zeugin gehört worden. „Erst im Zuge der Ermittlungen wird sich nach und nach ein immer genaueres Bild der Ereignisse in der fraglichen Nacht ergeben.“ Die Polizeidirektion Görlitz kündigte an, zu gegebener Zeit zum Ergebnis der Ermittlungen zu berichten.

Unterdessen hat der Landkreis erste Konsequenzen gezogen. Der als Mehrfach- und Intensivtäter geltende Asylbewerber wurde in eine andere Einrichtung gebracht. „Wir hoffen, die Lage durch diese Entscheidung entschärfen zu können“, meinte Vize-Landrat Udo Witschas. Gleichzeitig verteidigte die Kreisbehörde den Polizeieinsatz.

Redaktion / 06.08.2017

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Kommentare zum Artikel "Ist Bautzen reif für ein Alkoholverbot?"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Keller Jochen schrieb am

    Ist es nicht schlimm, daß die öffentliche Ordnung nur mit stetigem Polizeieinsatz aufrecht erhaleten werden kann ?? Zumindest über länge Zeit??

    Ich war selbst schon zweimal Zeuge auf der Platte, wenn Polizei eingreifen musste. ... wie kann es sein, dass (gewisse) Leute mehrfach aufgefordet werden müssen, sich auszuweisen, den Ort zu verlassen, oder die Ruhestörung zu unterlassen. ... ich hätte nicht die Geduld der Einsatzkräfte gehabt, so lange zu reden oder auffordern zu müssen. Ich sollte noch schneller und härter eingegriffen werden!!

    Außerdem sollte jeder der hier von Polizeihärte sprich wissen, dass es diese Situationen nur gibt, weil nicht schon länger härter vorgegangen wurde!

    Alle Pöbler welche den Einsatz kritisieren, sollten mal daran denken, dass wir (normalen) Bürger diese Scheiße mit Steuern bezahlen müssen!!!

    Also, Polizei setzt euch durch, schafft Ordnung!! Danke Euch schon jetzt.

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