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Mit Spürsinn zu 
den Verschütteten

Mit Spürsinn zu 
den Verschütteten

Ein Hund der Görlitzer Rettungshundestaffel des DRK im Einsatz. Trainiert wird in den nächsten Wochen und Monaten auf dem Areal des künftigen Senckenberg-Komplexes an der Ecke Bahnhof-/Jakobstraße. Foto: DRK

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Ideal für die Ausbildung zum Rettungshund sind mittelgroße Rassen – wie Labrador und Retriever. Foto: DRK

Wenn die Gebäude auf dem künftigen Senckenberg-Areal an der Ecke Bahnhofstraße/Jakobstraße in Kürze verschwinden, ist auch die Görlitzer Rettungshundestaffel dort aktiv. Erst in den leeren Häusern, aber auch später, wenn der Abbruch in vollem Gange ist.

Görlitz. Aufmerksam müssen sie sein, ihren Geruchssinn zielgerichtet zum Auffinden Verschütteter einsetzen. Rettungshunde sind Spezialisten und brauchen deshalb auch ein spezielles Training. Das, so hoffte man bei der Rettungshundestaffel in Görlitz, könnte im Abbruchareal zwischen Bahnhofstraße und Jakobstraße gegeben sein – und nahm Kontakt zur Bautzener Niederlassung des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) auf, unter dessen Regie die Arbeiten durchgeführt werden. Nach intensiven Gesprächen gibt es nun diesen Stand: „Die Rettungshunde des DRK Görlitz werden zur Suche nach vermissten Personen in der Fläche und den Trümmern ausgebildet. Dafür können wir die Abbruchhäuser nutzen. Das gibt uns die Möglichkeit, die Personensuche nach Gebäudeeinstürzen zu trainieren, wie zum Beispiel nach einer Gasexplosion. Das Gelände ist für uns als Trainingsort aber auch deshalb interessant, weil sich in direktem Umfeld das pulsierende Leben abspielt“, erklärt Sven Rüdiger die Zusammenhänge.

Der Leiter der Rettungshundestaffel beim DRK-Kreisverband Görlitz Stadt und Land vergleicht die Lage des Areals zwischen Kino und Bahnhof mit den Gegebenheiten bei einem Realeinsatz nach den Einsturz eines Gebäudes. „Dort fahren auch Autos, laufen Personen entlang. Der Rettungshund muss lernen, sich nicht von diesen Ablenkungen beeinflussen zu lassen.“ Hinzu komme, „dass wir auf dem künftigen Senckenberg-Gelände eine Material- und Gebäudestruktur vorfinden, wie es sie reell in unserer Region gibt.“ Für die Ausbildung der Rettungshunde sei es wichtig, dass sie „frische Trümmer“ haben, damit sie diese Situation kennenlernen.

Doch bis es soweit ist und genügend Schutt und Geröll auf dem Areal liegt, wird es noch eine Weile dauern. Laut Rüdiger steht deshalb in den leeren Gebäuden zuerst die Suche nach vermissten Personen an. „Dieser Fall kann eintreten, wenn in einem einsturzgefährdeten Gebäude noch Menschen vermutet werden.“

Mit Beginn der Abbrucharbeiten bekomme das Gelände dann eine noch einsatznähere Gestaltung. „Aus diesem Grund werden die nächsten Ausbildungen nach dem Beginn der Abbrucharbeiten stattfinden.“ Für diese Möglichkeit sei man dem SIB und den beteiligten Firmen sehr dankbar. Immerhin steht das Gelände der Rettungshundestaffel bis zum Ende der Abbrucharbeiten für das Training zur Verfügung.

Generell ist es wichtig, die Hunde möglichst realitätsnah mit angeschlagenen Räumen und Rutschflächen zu konfrontieren – mit einem Areal also, wie man es aus dem Fernsehen nach Explosionen, Fahrzeugkollisionen oder Erdbeben kennt. „Die Trümmerfläche sollte zwischen 800 und 2.000 Quadratmeter groß sein“, gibt Sven Rüdiger einen Richtwert vor. Allerdings sei es nicht immer leicht, derartige Übungsgebiete zu finden. „Die Rettungshundestaffeln des DRK kommen sachsenweit zum Einsatz. Aus diesem Grund werden die Rettungshunde auch sachsenweit ausgebildet – egal, ob bei der Flächen- oder Trümmersuche. Wir freuen uns deshalb, dass wir die Firma Köhler & Sohn aus Markersdorf als Partner gewinnen konnten. Denn Abbruchunternehmen erfahren zuerst von möglichen Rückbaumaßnahmen.“ Aber auch leer stehende Flächen mit zum Teil eingestürzten Gebäuden seien sehr hilfreich. „Hier freuen wir uns über jede Möglichkeit und jeden Tipp“, so der Staffelleiter.

Derzeit fährt die Görlitzer Rettungshundestaffel zu Trümmertrainings im gesamten Bundesgebiet. Nur so könne man die Hunde allumfassend ausbilden, erklärt Rüdiger. „Oft erleben wir, dass Abbruchunternehmen sich scheuen, uns in maroden Gebäuden trainieren zu lassen, wenn sie erfahren, dass lebende Personen in die Trümmer gebracht werden. Dies ist aber die einzige Möglichkeit für uns, das Szenario, das wir in echten Notfällen vorfinden, zu üben.“ Die Ausbilder der Staffel verfügten über umfassende Kenntnisse in den Bereichen Statik, Sicherheit und Unfallschutz, außerdem seien alle Hundeführer versichert.

Wenn es auf dem Abbruchareal an der Jakobstraße in einigen Wochen richtig zur Sache geht, lernen die Hunde, sich auf dem Trümmerkegel zu bewegen, dabei menschliche Witterung zu sondieren und einen Weg in den Trümmern zu finden, um die vermisste Person dem Hundeführer anzuzeigen. Dabei sollen sie den Ort des stärksten Geruchsaustritts markieren, damit der Weg für die Rettungskräfte erarbeitet werden kann. Von äußeren Faktoren wie Straßenbahn, Autoverkehr oder Passanten dürfen sich die Tiere nicht ablenken lassen.

Bei der Görlitzer Rettungshundestaffel werden die Vierbeiner als Hunde zur Flächen- und/oder Trümmersuche ausgebildet. Dafür geeignet sind vor allem mittelgroße Hunderassen. Sie müssen den vom Labrador bekannten „will to please“ mitbringen, der als Fähigkeit des Hundes zur Teamarbeit mit dem Menschen verstanden wird – als sein Wille, dem Menschen zu gefallen. „Solche Hunde sind von Natur aus bemüht, zu verstehen, was ihre Bezugsperson von ihnen erwartet. Und sie sind bereit, dem Folge zu leisten. Außerdem brauchen sie den entsprechenden Arbeitseifer. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es ein Rasse- oder Mischlingshund ist“, erläutert Sven Rüdiger. Besonders geeignet seien jedoch Retriever-, Schäferhund- und Hütehundrassen.

Bevor ein Hund tatsächlich zur Rettung eingesetzt wird, muss er eine zwei- bis dreijährige Ausbildung durchlaufen. An deren Beginn steht ein Eignungstest, bei dem sein soziales Verhalten, seine Menschenbezogenheit und sein Arbeitswille geprüft werden. Besteht er diesen erfolgreich, steht der Ausbildung nichts im Wege. Den Abschluss bildet die Prüfung des Rettungshundes. Hier muss der Hundeführer mit seinem Hund nachweisen, dass er einsatzfähig ist. Die Prüfung beinhaltet einen Theorieteil für den Hundeführer, einen Gehorsamsteil für den Hund, bei der Ausbildung zum Trümmerhund einen Gewandheitstest – hier muss ein vorgegebener Geräteparcours absolviert werden – und die Suche nach mehreren Personen in einer vorgegebenen Zeit. Alle 18 Monate muss der Hundeführer die Prüfung mit seinem Hund wiederholen. Nur wenn er sie besteht, kann er in den Einsatz gehen. Dies geschieht in der Regel im Alter zwischen drei und zehn Jahren, was abhängig ist von der körperlichen Verfassung der Tiere. Jüngere Hunde sind spritziger, ältere verfügen über eine größere Erfahrung.
Die Görlitzer Rettungshundestaffel hat insgesamt acht Mitglieder – fünf Hundeführer und drei Helfer. Aktuell gibt es zwei geprüfte und einsatzfähige Flächensuchhunde sowie einen geprüften und einsatzfähigen Trümmer- und Flächensuchhund. Ausgebildet werden momentan drei Tiere zum Trümmer- und Flächensuchhund und eins zum Flächensuchhund. „Wir sind ständig um Nachwuchs bemüht und freuen uns über jeden Interessenten“, wirbt Staffelleiter Rüdiger. „Dabei sollten die Hunde zu Beginn der Ausbildung nicht älter als drei Jahre sein. Günstiger ist aber ein Ausbildungsbeginn im Welpenalter.“ Die Mitglieder der Rettungshundestaffel seien ausgebildete Sanitäter und ehrenamtlich tätig. Generell befänden sich die Hunde in privatem Besitz und gehörten dem jeweiligen Hundeführer.

In den vergangenen Jahren wurden die Rettungshunde aus Görlitz jeweils zwischen zehn und 30 mal zu Einsätzen angefordert. Gesucht wurden vor allem vermisste Personen in Wäldern oder Kieswerken. Trümmereinsätze sind dagegen selten. Kommt es zum Einsatz, besteht eine Formation immer aus einem Rettungshundeführer, seinem Hund und einem Suchtrupphelfer, der für die Orientierung und Sicherheit verantwortlich ist. Zuletzt war das Können der Görlitzer in Olbersdorf und Ottendorf-Okrilla gefragt.

Frank-Uwe Michel / 24.07.2017

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