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Monokultur Döner am Imbissstand

Monokultur Döner am Imbissstand

Waheed Shah hat das Angebot indischer Speisen nach nur zwei Monaten aufgegeben und konzentriert sich in Mücka auf Döner. Foto: Till Scholtz-Knobloch

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Auch im Med-Kebap-Haus in Rietschen geht fast nur Döner und Döner-Dürüm über die Theke. Foto: Till Scholtz-Knobloch

In wenigen Jahren hat sich Döner quasi zur neuen Nationalspeise entwickelt. Während viele orientalische Imbisse anderenorts eine breite Angebotspalette haben, verlangt der Kunde in der Niederschlesischen Oberlausitz jedoch fast nur nach Döner und seiner Variation Dürüm.

Region. Eigentlich ist der Aushang des Speiseangebots im Med-Kebap-Haus in Rietschen auf den ersten Blick recht lang. Doch die lange Liste ist weitgehend verschiedenen Döner- und Pizzavariationen zuzuschreiben, die sich im Grunde auch schnell über den Ladentisch aushandeln ließen und nicht den Eindruck von Vielfalt vorspielen müssten. Immerhin weist die Speisekarte auch „Pide“ (meist mit Knoblauchwurst oder Feta überbackene dicke Fladenbrote) aus. Doch der junge Mann am Drehspieß muss passen. „Nein, kein Pide“, sagt er, ohne auf Deutsch erklären zu können, ob dies nun dauerhaft aus dem Programm genommen wurde oder gerade vergriffen ist.

Man könnte ersteres vermuten, denn eigentlich überall im nördlichen Landkreis Görlitz sind die Speisekarten eher als Showeffekt lang. Dabei können die Imbissbetreiber häufig weit mehr. Waheed Shah aus Niesky, der vor dem Gemeindeamt in Mücka den Imbisswagen „Red Onion“ betreibt, war von Anfang an klar, dass es ohne Döner nicht geht, auch wenn das in seiner Heimat Pakistan unbekannt ist. Während Pizza und Nudeln nebenher laufen, hat er die Rubrik „Indische Hauptgerichte“ mit einem Edding schon nach zwei Monaten wieder durchgestrichen und vom Programm genommen. „Wenn jemand bei mir einen Tag vorbestellt, würde ich Alu Gobhi (Kartoffeln mit Blumenkohl und indischer Soße) oder Chicken-Curry (Hähnchenbrust mit Reis) anbieten. Aber die Vorbereitungszeit ist viel größer als bei Döner und anfangs habe ich in den zwei Monaten davon oder vom indischen Lammfleisch oder Queema-Cholay (Rinderhack mit Kichererbsen) vielleicht 10 Teller verkauft. Das lief einfach nicht“. Am Preis dürfte das nicht gelegen haben, denn die frittierten Kartoffelscheiben „Pakora“ liefen für 2,50 Euro ebenso kaum. Einen großartigen Unterschied von Stadt und Land scheint es dabei nicht einmal zu geben.

Am Görlitzer Postplatz eröffnete im April der 10. Dönerimbiss zwischen dem Bahnhof und Kloster- sowie Elisabethstraße – also auf einer Läng vom gerade mal 800 Metern. Die Zuversicht, auch mit einem 10. Dönerangebot nicht Schiffbruch zu erleiden hatten Ali Acibucu und Özgür Aslan, die zuvor in Rothenburg am Drehspieß tätig waren. Auch der neue Laden brummt! Özgür Aslan bietet dabei kein „Teste Kebap“ an, das in seiner anatolischen Heimat so gerne gegessen wird. 24 Stunden im Keramiktopf auf Kohle geschmortes Fleisch ist freilich auch eher etwas für die Speisekarte eines türkischen Restaurants. Doch ein solches hat bereits in Bautzen nicht überlebt.

Die Möglichkeiten für viele Betreiber, ein Alleinstellungsmerkmal zu finden, sind begrenzt, da die Masse der Anbieter mehr auf Imbiss als auf Bistro setzt – damit sind allein die Möglichkeiten in der Küche eingeschränkt. Und der ein oder andere bekennt auch, dass er aufgrund seines Aufenthaltsstatus’ kaum an eine größere Investition denken könne.

Die Lust wäre bei einigen Betreibern durchaus da, über das übliche Imbissprogramm von Döner, Lahmacun (türkischer Pizzafladen mit Hack) oder dem auch selten verlangten Halloumi (gebackener Käse) hinauszublicken, doch da macht merkwürdigerweise das Publikum nicht mit. So sucht man beispielsweise Adana-Spieße (scharf gewürzte Hackspieße), Sis-Kebap (Grillspieße mit mariniertem Lammfleisch) oder Talas Kebabi (klein geschnittene Fleischstücke, die nach dem Dünsten in Blätterteig gebacken sind) vergeblich. Auch das in vielen orientalischen Imbissen so beliebte Dessert Baklava (in Zuckersirup eingelegtes Gebäck aus Blätterteig, das mit gehackten Walnüssen, Mandeln oder Pistazien gefüllt ist) ist in der Niederschlesischen Oberlausitz nicht heimisch geworden. Selbst einfachere Mittagsalternativen zur Dönertasche wie Falafel (frittierte Kichererbsenbreibällchen), Lahmacun, Köfte (türkische Buletten) oder Pide werden von den Kunden gar nicht wahrgenommen, denn ohne Blick auf die Karte heißt es meist „Ein Döner, bitte“.

Kamber Ekici vom Kebap-Haus Nemrut in Görlitz, der selber ein deutsches Stammlokal hat und von den dortigen Schnitzeln mit Pfeffersoße schwärmt, hat anfangs Kavurma (eine meist mit Reis servierte Gualschart) angeboten und blieb darauf sitzen. Er wunderte sich ebenso, als eine Frau nach den „Kugeln“ in der Salatauslage fragte. Seither hat er Oliven aus dem Salatbuffet verbannt.
Der Sparfaktor allein kann an der Fixierung auf Döner nicht ausschlaggebend sein. Mehmet Cinar vom Best-Kebap-Haus hat beispielsweise Köfte mit Fladenbrot und Salat schon für vier Euro im Angebot. „Das wird so etwa dreimal die Woche verlangt“, sagt er. Früher habe er in Löbau gearbeitet, wo die Kunden bei Hauptspeisen auch Reis als Beilage nachgefragt hätten. Aber östlich von Löbau funktioniere auch das nicht. Sein eigenes Lieblingsessen „Gefüllte Weinblätter“, bietet er jedoch deswegen nicht an, da sich dies schon aufgrund der intensiven Vorbereitungszeit nicht lohne.

In Löbau hat übrigens Resit Colak seine deutsche Ehefrau kennengelernt, mit der er am Zinzendorfplatz in Niesky ein Bistro betreibt, das sich vom Brot und Fleisch von anderen Anbietern abhebt. Die Frage nach anderen türkischen Speisen beantwort er lakonisch: „Wo leben Sie denn? Wir sind hier in – na ja ich nenn das mal ’Dunkelrussland’.“ Er meine das nicht bösartig und habe Achtung vor seinen Kunden. Aber fernab der Großstädte sei die Skepsis verbreitet. „Der Kunde kann beim Dönerschneiden zuschauen, das schafft Vertrauen, während man bei anderen Speisen zweifelt. Denn, was der Bauer nicht kennt...“

Till Scholtz-Knobloch / 20.06.2018

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