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Mythos Stadthalle, Mythos Europa

Mythos Stadthalle, Mythos Europa

Die Künstlerin Antoinette (rechts) in der Stadthalle im Gespräch mit Bernd Lange (ganz links) Foto: Till Scholtz-Knobloch

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Ein Modell zeigte bei der Fördermittelübergabe bereits, wie die großformatigen Kunstwerke in der Stadthalle präsentiert werden.

Der Bund hat 18 Millionen Euro für die Görlitzer Stadthalle freigegeben. Genau in dem Moment, da die Kunstausstellung „Mythos Europa“ erstmals seit Jahren das Haus wieder mit einer künstlerischen Auseinandersetzung erfüllt, in der nicht die Stadthalle selbst Thema ist, sondern in der diese ihrer Bestimmung als Forum der Kultur gerecht wird.

Görlitz. Während die Asylpolitik auf europäischer und deutscher Ebene den Gordischen Knoten noch nicht zerschlagen hat und uns im Wechselbad der politischen Gefühle hält, scheint sich auf lokaler Ebene ein Gordischer Knoten zu lösen. Der Haushaltsausschuss des Bundes hat noch vor der Sommerpause eine wegweisende Entscheidung für Görlitz getroffen, denn das an anderer Stelle zerstrittene Bundeskabinett hat die Finanzförderung der Görlitzer Stadthalle in Höhe von 18 Millionen Euro auf den Weg gebracht. 
Das Hin- und Her um die Stadthalle ist in etwa so alt wie das innere Ringen der Künstlerin Antoinette um Europa. „Meine Arbeit am Mythos Europa bewegt mich seit 30 Jahren von der Wendezeit bis heute“, sagt die Leipziger Künstlerin, die dieser Tage am Bühnenfries in der Stadthalle das etwa 20 Meter breite Kunstwerk „Alternative Wahrheiten“ als zentrales Element ihrer Ausstellung „Mythos Europa“ schafft, über das „Die Wächterinnen“ mit sieben lebensgroßen Bleistiftzeichnungen wachen werden.
Am 13. Juli wird sie in der Stadthalle mit Ministerpräsident Michael Kretschmer und den Oberbürgermeistern beider Görlitzer Stadthälften, Siegfried Deinege und Rafal Gronicz, die Ausstellung „Mythos Europa“ im Rahmen des 20. Jubiläumsjahres der deutsch-polnischen Proklamation eröffnen.

Ab 19.00 Uhr gibt es dort dann die Gelegenheit, das Arrangement mit über 100 großformatigen Gemälden und Zeichnungen der Künstlerin im Stil der Leipziger Schule zu erleben, Gespräche zu führen und die zum Teil monumentalen Werke auf sich wirken zu lassen. Gegen 20.00 Uhr wird die Ausstellung dann offiziell eröffnet.
Am vergangenen Freitag, den 22. Juni hatte Bernd Lange als Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien Bürgermeister Dr. Michael Wieler den Förderbescheid für die Ausstellung überreicht. Auf dessen sehr allgemeine Frage, wie die Ausstellung denn werde, sagte die Künstlerin Antoinette perplex wie schlagfertig: „Die wird der Kracher“.
Gegenüber dem Niederschlesischen Kurier wurde die Künstlerin dann jedoch konkreter. „Europa muss man stets neu denken“, fasst sie ihre eigene Beziehung zum Kontinent zusammen. Nachdem Dr. Wieler bei der Fördermittelübergabe schon unkte, dass man in diesen Tagen ja „fast missverstanden werde“, wenn man über Europa spreche, betonte die Künstlerin, in deren Arbeit eine enorme Bezugnahme auf die Antike und überhaupt auf Geschichte zu finden ist: „Wir haben in Europa eine gemeinsame Renaissance, Gotik oder das Mittelalter. Der ganze Kontinent schöpft aus diesem Erbe. In alter Geschichte steckt die Zukunft. Ich lasse die Geschichte auf mich wirken und bin gerade noch ergriffen, dass ich an der Neiße spazieren gegangen bin und ohne es richtig zu merken auf einmal in Polen war.“

Dass es in schwierigen Tagen um ein bloßes Beschwören Europas gehe, dementiert sie jedoch. „Ich bin keine Politikerin. Mir geht es darum, dass die Menschen ihren Bezug zu Europa hinterfragen und versuchen Europa zu fühlen. Ich möchte in der Ausstellung die Menschen zum Dialog bringen und die Frage nicht intellektualisieren.“ Da die Ausstellung eintrittsfrei ist, und viele die Gelegenheit nutzen werden, „ihre“ Stadthalle mal wieder mit Leben erfüllt von Innen sehen zu können, sollte das funktionieren.
Auch im Hinblick auf die Frage, ob man Europa und die EU überhaupt gleichsetzen könne. Antoinette meint dazu: „Es geht darum, die EU so zu benutzen, dass dieses Gebilde funktioniert“. Einen aktuellen Europagedanken äußert sie bei aller Geschichte dennoch. Beim Beginn ihrer Auseinandersetzung mit Europa ab der Wendezeit habe sie sich als ehemalige DDR-Bürgerin oft selbst als „Asylantin“ empfunden. Und im Hinblick auf Asyl falle ihr ein, dass aus Syrien die Phönizer stammten, auf deren Alphabet letztlich auch unser lateinisches Alphabet in Europa fuße.
Genug Futter für die große Europadebatte unter den Besuchern, denn letztlich ist das Phönizische unter dem Ansturm der Perser, deren Sprache in der Levante ihrerseits dem Arabischen weichen musste, im Sog der Geschichte verloren gegangen.

Dieser Sog geht erst einmal an der Stadthalle vorbei. Und so ist allein der Umstand eine Besonderheit, dass die Ausstellung im 1910 von Architekt Bernhard Sehring entworfenen Jugendstilgebäude stattfindet, in dem parallel Bauarbeiten laufen, um das Gebäude überhaupt der Nachwelt zu erhalten.
Die europäische Ausstellungstournee „Mythos Europa“ machte erstmals 2016 in der temporären Kunsthalle in Eberswalde bei Berlin Station. Im Frühjahr 2018 war eine Fortführung des Projekts mit großem Besuchererfolg im Prager Museum Montanelli zu sehen. Als weitere Stationen sind Wien – die dortige Eröffnung ist am 31. Dezember 2018 – Athen und Brüssel geplant, womit sich der europäische Kreis gewissermaßeschließt.

Till Scholtz-Knobloch / 03.07.2018

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