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Osterreiter ließen die Erde erbeben

Osterreiter ließen die Erde erbeben

Gegenwärtig wird im Wittichenauer Stadtteil Hoske die insgesamt zweite Bohrung in das Erdreich getrieben.

Region. Das diesjährige Osterreiten hat seismische Erschütterungen ausgelöst. Zumindest hat der Seismograph, der im oberen Bereich des vom Deutschen Zentrum für Astrophysik (DZA) gebohrten Schachtes bei Cunnewitz (Gemeinde Ralbitz) stationiert ist, entsprechende Messwerte registriert. „Anhand der Ausschläge konnten wir genau nachvollziehen, wann die Prozession zum Stillstand kam und wann sie ihren Weg fortsetzte“, erklärt Mike Lindner. Er koordiniert die Untersuchungen, die das DZA bereits seit mehreren Jahren in der Oberlausitz durchführt – mit dem Ziel nachzuweisen, dass sich die Region für die Errichtung eines „Low Seismic Lab“ – also eines unterirdischen Laboratoriums in einem Gebiet mit geringer seismischer Aktivität – eignet. Und vielleicht sogar für das Einstein-Teleskop, mit dem die von dem berühmten Namensgeber vorhergesagten Gravitationswellen aufgespürt werden sollen. Doch dazu später mehr.

„Die Ausschläge vom Ostersonntag zeigen, wie empfindlich unsere Messgeräte reagieren“, so Mike Lindner. Und das ist eine gute Nachricht – mehr als 200 Meter unter der Erde blieb es nämlich still. In dieser Tiefe befindet sich ein zweiter Seismograph. „Die Anordnung der beiden Seismographen im oberen und unteren Bereich ermöglicht es uns, zu verstehen, inwieweit sich Einflüsse an der Oberfläche in der Tiefe, in der das Labor entstehen soll, auswirken.“
Freilich war das „Experiment“ mit den Osterreitern eher eine Spielerei. Doch die aufgeworfene Frage ist durchaus relevant: Beispielsweise wenn es um den Einfluss von Windkraftanlagen auf die „Ruhe“ im seismischen Labor geht. „Eine der künftigen Bohrungen wollen wir in der Nähe des Kamenzer Stadtteils Thonberg abteufen, wo es einen großen Windpark gibt. Die dortigen Anlagen sollen in den nächsten Jahren ’repowered’, also erneuert und modernisiert werden“, erklärt DZA-Projektleiterin Katharina Hentjes-Kunst. Dies stellt für die Forscher allerdings nicht nur ein wissenschaftliches Problem dar, sondern auch ein politisches. „Es liegt nahe, dass größere und leistungsstärkere Anlagen größere Erschütterungen auslösen als die bisherigen. Wir stehen dafür ständig mit dem Regionalen Planungsverband, der für die Windkraft-Planung zuständig ist, im Austausch.“ Die Projektleiterin weiß allerdings auch, dass es anhand der gegenwärtigen Gesetzeslage keine Handhabe gegen ein Repowering bereits bestehender Anlagen gibt. Windräder sind allerdings nicht die einzigen möglichen Einflussfaktoren, die von der Oberfläche aus in die Tiefe wirken. Auch Steinbrüche oder Sandgruben zählen dazu: „Eine der geplanten Bohrungen soll daher in der Nähe eines Kiessandtagebaus erfolgen“, so Mike Lindner. Wenn etwas den Untergrund im Dreieck zwischen Kamenz, Bautzen und Hoyerswerda erschüttern kann, dann sind es solche bodennahen Einflüsse. Tief unten gibt es nämlich kaum Aktivität – genau das ist ja auch der Grund, warum das DZA sein Labor in der Oberlausitz errichten will. Zu verdanken hat das die Region – wie so vieles – dem Granit, der wie ein riesiges Schild in einer Tiefe ab etwa 100 Metern ruht. „Die bisherigen Untersuchungen haben die extreme seismische ’Ruhe’ in der Oberlausitz bestätigt“, erklärt Professor Christian Stegmann, einer der Initiatoren und führenden Köpfe des DZA. Die bei Cunnewitz eingebrachten Seismographen liefern nun schon seit etwa drei Jahren zuverlässig Daten; eine zweite Bohrung erfolgt derzeit in der Nähe von Hoske (Stadt Wittichenau). Diese erfolgt durch das Karlsruher Institut für Technologie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit Blick auf das Einstein-Teleskop.

Vier weitere Bohrungen sollen noch in diesem Jahr beginnen – darunter die bereits erwähnte bei Thonberg sowie bei Naußlitz (Gemeinde Ralbitz-Rosenthal.) „2026 werden wir genügend Daten zusammen haben“, meint Christian Stegmann. Daten für die exakte Lage des künftigen Labors, aber auch für die Bewerbung als Standort für das Einstein-Teleskop, das institutionell vom Low Seismic Labor des DZA zu trennen ist.. Hierfür konkurriert die Oberlausitz mit der italienischen Insel Sardinien sowie mit dem Grenzgebiet Deutschlands zur Niederlande und zu Belgien bei Aachen. Christian Stegmann ist sich sicher, dass die wissenschaftlichen Argumente den Ausschlag zugunsten der Oberlausitz geben dürften – „und nur darum darf es gehen.“ Und das trotz der durch die Osterreiter verursachten Ausschläge auf den Messgeräten.

Uwe Menschner / 08.05.2025

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