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Schweigende Mehrheit will nicht länger schweigen

Schweigende Mehrheit will nicht länger schweigen

Jana Theile und Initiator Peter Sondermann zeigen, worum es den Teilnehmern der Veranstaltung geht. Foto: UM

Bislang war es für Befürworter der geltenden Corona-Regeln schwierig, ihre Ansicht persönlich in der Öffentlichkeit kundzutun, ohne mit eben diesen in Konflikt zu geraten. In Kamenz fand man nun erstmals in Ostsachsen einen Weg. 

Kamenz. Samstagvormittag vor dem Rathaus: Es ist nicht allzu viel los, nur ab und zu quert ein Passant den Marktplatz. Von der Rosa-Luxemburg-Straße her nähern sich einige Menschen, die Stühle in den Händen tragen. Einzeln gehen sie, in langer Reihe, und alle haben eine Gesichtsmaske über Mund und Nase. Vis á vis vom Rathaus stellen sie die Stühle ab und setzen sich darauf. Die Sitzmöbel bilden zwei voneinander getrennte Halbkreise mit einem Abstand von etwa zehn Metern zwischen den Außenrändern. Was auf den ersten Blick wirkt wie eine Kunstinstallation hat einen ernsten Hintergrund. „Auch in Kamenz führen Corona-Leugner und Rechtsextreme regelmäßig montags und freitags rechtswidrige Demonstrationen in Form von ‚Spaziergängen‘ sowie Aufmärsche durch. Sie beanspruchen den öffentlichen Raum für sich. Die Ordnungsbehörden tun nichts dagegen, und dagegen protestieren wir“, erklärt Peter Sondermann. Er hat die Aktion auf dem Kamenzer Marktplatz initiiert.

Nun gehört es zur Natur der Sache, dass Menschen, die sich für die Beachtung der geltenden Corona-Regeln einsetzen, diese auch selbst einhalten wollen. Doch die zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Regeln setzen dem öffentlichen Protest enge Grenzen, das macht entsprechende Aktionen schwierig. So dürfen sich nicht mehr als zehn Menschen im öffentlichen Raum treffen. Zu der Aktion vor dem Rathaus sind etwa dreimal so viele Frauen, Männer und auch Kinder gekommen. „Wir haben bewusst versucht, den Ball flach zu halten, damit es keinen zu großen Andrang gibt. Andererseits haben viele Kamenzer auch Angst, sich auf diese Weise öffentlich zu positionieren“, erklärt Stadtrat Alex Theile von der Linkspartei, der Peter Sondermann bei der Organisation unterstützt hat. Doch wie ist es gelungen, trotz mehr als zehn Teilnehmern die Konformität zu den geltenden Regeln herzustellen? „Jeder Halbkreis gilt als separate Veranstaltung. Das ist mit der Polizei abgesprochen“, versichert Peter Sondermann. Auf die Einhaltung des Mindestabstands und der Masken-Tragepflicht muss nicht extra hingewiesen werden. 

Zu den Teilnehmern gehört auch eine im Rollstuhl sitzende Frau: Ulrike Pohl, die ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt Kamenz. „Mir geht es um den Aspekt der Solidarität. Durch die Nicht-Einhaltung der Regeln werden nicht nur die behinderten Menschen selbst gefährdet, sondern auch deren Bezugspersonen und Betreuer.“ 

Neben ihr steht der Kamenzer Stadtrat Jens Krüger von der Wählervereinigung Kamenz und Ortsteile, der gemeinsam mit Ulrike Pohl die Petition #Kamenzsolidarisch initiiert hat. 
Mehr als 1.000 Menschen haben sie bislang unterzeichnet. „Kritik an einzelnen Maßnahmen ist richtig, doch die Art und Weise des Umgangs miteinander nicht hinzunehmen“, erklärt er. „Deshalb halte ich es für es wichtig, direkt vor dem Rathaus ein Zeichen zu setzen, um zu zeigen: Die ruhige, besonnene Mehrheit ist auch noch da.“ Jens Krüger erlebte als Kreisrat die wütenden Proteste in Bautzen und staunte, dass diese im Kreistag mit keinem Wort erwähnt wurden. 

Besonders freut er sich darüber, dass es gelungen ist, sich mit ähnlich denkenden Menschen aus dem nahe gelegenen Hoyerswerda zu vernetzen. Von dort ist Berit Koch nach Kamenz gekommen: „Meine Intention besteht darin, dass es wieder mehr positive Bilder aus der Region geben soll. Die Spaziergänger müssen merken, dass die schweigende Mehrheit nicht hinter ihnen steht.“ Die Hoyerswerdaerin erinnert an die Plakataktion vom vergangenen Jahr in ihrer Stadt und erklärt: „Auch derzeit machen in Hoyerswerda sieben Banner und eine Internet-Petition ähnlich der in Kamenz darauf aufmerksam.“

Initiator Peter Sondermann betont seinerseits, dass die Zeit der „schweigenden Mehrheit“ in Kamenz mit diesem Sonnabend vorbei ist. „Wir wollen nicht länger schweigen. Wir gehen davon aus, dass wir ab kommender Woche mit mehr Menschen ortsfest auf der Straße sein können. Wir werden uns den neuen Regeln entsprechend verhalten. Heute war nur der Auftakt.“ Stadtrat Alex Theile indes hofft, dass auch aus dem Rathaus deutliche Signale zur Unterstützung des Anliegens dringen mögen: „Da ist es bisher sehr still.“ 

Uwe Menschner / 15.01.2022

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Kommentare zum Artikel "Schweigende Mehrheit will nicht länger schweigen"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Oli schrieb am

    Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich fühle mich der Gesellschaft verbunden und verhalte mich solidarisch. Viele wollen einfach Krawall machen und sich an nichts halten. Mir ist meine Zeit zu Schade gegen diese Einstellung zu demonstrieren. Denn man erreicht damit eh nicht die richtigen Empfänger. Jeder kann sehen was Corona macht und in welcher medizinischen Notlage das Land war und ist. Denen die es nicht sehen wollen, werde ich meine Aufmerksamkeit nicht schenken in dem Sie meine Zeit bekommen. Für die Einhaltung der Regeln sind Polizei und Ordnungsamt zuständig.

  2. TorstenP schrieb am

    Es ist traurig, dass durch solche Artikel dass Unverständnis auf beiden Seiten noch größer wird. Es mutet seltsam an, dass die eine Seite mit Tipps von der Polizei unterstützt wird (siehe die Stuhlidee), zudem entsteht hier der Eindruck, die Befürworter der aktuellen Maßnahmen müssten sich vor den Kritikern derselben, verstecken oder ängstigen. Das tut dem Miteinander nicht gut!

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