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Werden keine Freunde: Landrat darf Problemwolf jagen

Werden keine Freunde: Landrat darf Problemwolf jagen

So sieht Wolfsexperten zufolge ein wirksamer Herdenschutz aus. Materialanschaffungen werden vom Freistaat gefördert. Foto: André Klingenberger

Region. Dieser Fall hat einmal mehr die Menschen im Landkreis Bautzen aufgeschreckt: Vor genau einer Woche sind im Ortsteil Laske der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal 15 Schafe getötet worden. Rissgutachter wollten nicht ausschließen, dass Wölfe des in der Gegend ansässigen Rudels für diese Mördertat verantwortlich zu machen sind. Vor diesem Hintergrund wandte sich Landrat Michael Harig zu Beginn der Woche erneut mit seiner Forderung an die Landesregierung in Dresden, den Schutzstatus von Isegrim einzuschränken. „Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, eine Bejagung des Wolfes möglich zu machen“, ließ er über die Pressestelle des Landratsamtes mitteilen. „Die Wolfspopulation hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich vermehrt und es hat sich bereits ein Ungleichgewicht zwischen Artenschutz und den Interessen im ländlichen Raum, insbesondere der Nutztierhalter gebildet. Die Aufwände, um den Tierbestand zu schützen, sind unverhältnismäßig groß geworden. Es ist an der Zeit, dass der Wolf Grenzen gesetzt bekommt.“

Nur wenige Tage später lenkte das Umweltministerium nun ein. Es hat inzwischen sein Einvernehmen erteilt. Dieses ist notwendig, damit eine von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises erlassene Entnahmeentscheidung greifen kann. „Mit dem Erlass dieser Ausnahmegenehmigung kann im Bereich des Rosenthaler Rudels ein Wolf aus der Natur entnommen werden“, heißt es in einer entsprechenden Medieninformation vom Freitag. „Die Genehmigung gilt nur für mit der Entnahme beauftragte Personen und nur für einen Wolf, der entsprechend geschützte Weidetiere angreift. Über die sach- und rechtskonforme Entscheidung wurden das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf sowie eine Reihe von Naturschutzverbänden informiert.“

Für die dezimierte Schafherde in Laske kommt indes jede Intervention zu spät. Trotz eines mit Flatterband versehenen Elektrozaunes war Isegrim auf die Koppel gelangt. Diese Schutzmaßnahmen werden seit Längerem vom in Rietschen ansässigen Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ empfohlen. Warum dieser Schutz diesmal nicht ausreichte, darüber rätseln noch immer die Experten. „Ein oder mehrere Wölfe haben in den letzten Wochen offenbar gelernt, die empfohlenen und für die Schafhalter zumutbaren Schutzmaßnahmen zu überwinden. Damit liegen die Voraussetzungen zur Entnahme eines Wolfes vor. Um weitere große wirtschaftliche Schäden abzuwenden, ist die Entnahme trotz des grundsätzlich auch weiterhin bestehenden strengen Schutzes der Wölfe gerechtfertigt und geboten, da keine weiteren für die Tierhalter zumutbaren Alternativen zum Schutz der Nutztiere bestehen“, lässt sich der Mitteilung des Ministeriums weiterhin entnehmen.

Trotz allem sollten Nutztierhalter gerade jetzt in den Herbstmonaten, wenn der Hunger der vierbeinigen Räuber besonders groß erscheint, darauf achten, dass sie nicht stromführende Breitbandlitze verwenden, die sich etwa 20 bis 30 Zentimeter über dem Elektrozaun anbringen lässt und somit frei in der Luft hängt. Daher leitet sich der Begriff Flatterband ab. Der Zaun werde auf diese Weise optisch größer. Für Wölfe sei es somit schwieriger, die Höhe des Hindernisses abzuschätzen, so die Fachleute. Größere Schäfereibetriebe dürfen alternativ Herdenschutzhunde einsetzen.

„Als Tierhalter im Territorium des Rosenthaler Wolfsrudels können Sie das benötigte Material – Breitbandlitze und Weidepfähle – auch in diesem Jahr kostenfrei bei der Biosphärenreservatsverwaltung ausleihen“, erklärt das Büro auf seiner Internetseite. Auf der Homepage lassen sich außerdem Informationen dazu finden, wie ein Elektrozaun wirksam funktioniert. „Stromführende Zäune mit einer Höhe von 100 bis 120 Zentimetern bieten einen wirksamen Schutz, da ein schmerzhafter Stromschlag den Wolf in der Regel abschreckt. Sowohl Netzzäune als auch stromführende Litzenzäune mit mindestens fünf Litzen sind geeignet. Bei den Elektrozäunen ist auf eine ausreichende Spannung von mindestens 2.500 Volt und eine gute Erdung zu achten. Die Zäune müssen gut gespannt sein, sodass sie die empfohlene Höhe auf der gesamten Koppellänge aufweisen und keine Möglichkeiten zum leichten Einspringen an durchhängenden Stellen bieten.“ Eine Wissenschaft für sich, wie sich schnell zeigt, die aber noch viel weiter reicht: „Die Umzäunungen dürfen keine Durchschlupfmöglichkeiten am Boden bieten und alle Seiten der Koppeln müssen geschlossen sein – über offene Gräben oder Gewässer können Wölfe leicht eindringen. Außerdem sollte die Koppel nicht zu klein sein, damit die Tiere selbst bei einem versuchten Übergriff durch einen Wolf genügend Platz zum Ausweichen haben und nicht aus der Koppel ausbrechen.“ Denn dann wären Schafe oder Ziegen im wahrsten Sinne des Wortes Freiwild für die Jäger im Wolfspelz.

Noch ein aktueller Tipp: Sollte es trotz aller eingeleiteter Schutzmaßnahmen zu einer Wolfsattacke kommen, stehen die so genannten Rissgutachter mit Rat und Tat zur Seite. Diese sind laut einer Mitteilung des Bautzener Landratsamtes nun auch an Wochenenden und Feiertagen erreichbar, damit sich eine zeitnahe Begutachtung von toten oder verletzten Nutztieren sicherstellen lässt. Die Einschätzung der Fachleute gilt als Voraussetzung dafür, dass Schaf- und Ziegenhalter entsprechend entschädigt werden. Landratsamtssprecher Gernot Schweitzer bittet in dem Zusammenhang zu beachten, dass eine Anzeige von Schäden innerhalb von 24 Stunden nach dem Riss beim Landratsamt erfolgen muss. Kontakt: wna@lra-bautzen.de bzw. (03591) 5251-68001. Samstags, sonntags und an Feiertagen sind die Mitarbeiter der in Hoyerswerda stationierten Integrierten Regionalleitstelle Ansprechpartner. Telefon: (03571) 192 96.

Redaktion / 29.10.2017

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Kommentare zum Artikel "Werden keine Freunde: Landrat darf Problemwolf jagen"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Hansjörg Pfau schrieb am

    Da wollen sich doch einige ein reines Gewissen erstreiten bzw. ein Freischein für schießwütigen und Trophäengeile Jäger erschleichen. So nicht, aber der Leidtragende wird der böse Wolf sein.

  2. Franz Henning schrieb am

    Wie will man dass denn rechtssicher umsetzen? Da wird es wohl bald zu den ersten Anzeigen kommen, wenn jemand aufgrund so einer Genehmigung einen Wolf abschießt. Zitat: "Die Genehmigung gilt nur... für einen Wolf, der entsprechend geschützte Weidetiere angreift." *kopfschüttel*

    Will sich der Landrat oder einer seiner Jäger mit der Flinte vor den Zaun legen? Wohl kaum! Ich vermute eher, dass man nach einem Riss willkürlich irgendeinen Wolf schießen wird. Viel Spaß dann vor Gericht, wenn der Richter nach dem Beweis fragt, der den Abschuss gerechtfertigt haben soll. Dazu müsste man nämlich den Wolf quasi in flagranti erwischen und dass anhand von Filmaufnahmen beweisen können. Würde man dass dann tatsächlich einhalten, würde jeder Richter zu recht fragen, warum der Jäger den Riss nicht verhindert hat, um den vorherzusehenden Schaden, der nun dem Steuerzahler entstanden ist, zu verhindern und dem gerissenen Nutztier die Qual zu ersparen, sowie ein unter strengstem Artenschutz stehendes Tier vor dem sicheren Tod zu bewahren. Da dürfte dann vermutlich auch der Jagdschein schnell weg sein. Die Ausnahmeregelung des § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 1, S. 2 BundesNatSchG gilt übrigens nicht für "Hobbyschäfer". Man müsste also einen Schaden an der Herde eines Schäfers im Haupterwerb nachweisen können.

    Davon abgesehen sind jetzt schon Leute unterwegs, um die "Zäune" beweissicher zu fotografieren. Kommt es zu einem Riss, werden diese Leute ihre Aufnahmen vermutlich vorlegen, um notfalls zu beweisen, dass der Zaun eben nicht den Vorschriften entsprach. Da stünden dann also noch weitere Vorwürfe im Raum, die ggf. justiziabel werden. Ich bin gespannt, wie die Geschichte weitergeht. Ich hoffe mal, dass man noch zur Besinnung kommt.

    Sinnvoller wäre es aus meiner Sicht, wenn man jeden Schäfer dazu verdonnern würde, sich entsprechend fortzubilden und dies auch seitens des Landkreises kontrollieren würde. Schaut man sich an, was mancher Schäfer da als Zaun stehen hat, weiß man, dass da jeder lahme Dackel drüber kommen würde.

  3. Dietmar Buhr schrieb am

    Der Fall Rosenthaler Rudel ist für mich noch nicht geklärt..es gibt von meiner Seite widersprüchliche Fakten..außerdem ist nicht geklärt welcher Wolf aus dem Rudel es angeblich war.. Nach dem Abschuss geht es in eine heiße Phase..

    Übrigens gehen meines Erachtens nicht alle 200 Risse auf den Wolf sondern zum Teil auf Unwissenheit von Tierhaltern..

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