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Zukunft des Fliegens beginnt in Kamenz

Zukunft des Fliegens beginnt in Kamenz

Drohnenpilot Mike Hohmann aus Welzow nutzt bereits den elektrischen Antrieb, wünscht sich aber Verbesserungen in Flugdauer und Kraft. An beidem wird künftig in Kamenz geforscht.

Alternativer Text Infobild

Auch der 5G-Mobilfunk soll beim autonomen Fliegen helfen: Sebastian Itting von der CampusGenius GmbH kann mit dem Spektrumanalysator entsprechende Signale orten und auswerten.

Auf dem Flugplatz der Lessingstadt hat sich ein neues Kompetenzzentrum gegründet. Es erforscht die Themen, welche die Entwicklung der Luftfahrt in den kommenden Jahren prägen werden.

Kamenz. Die Drohne muss noch am Boden bleiben. An diesem sommerlich warmen Vormittag ist der Luftverkehr über dem Kamenzer Flugplatz bereits so rege, dass ein Start nicht genehmigt werden kann. Für Peter Pfeifer wenig verwunderlich: „Wir haben hier an manchen Tagen bis zu 200 Flugbewegungen“, erklärt der Projektmanager, der die Entwicklung des Verkehrslandeplatzes bereits seit zwei Jahrzehnten begleitet. Mike Hohmann bleibt gelassen. Der erfahrene Drohnenpilot aus Welzow vermag auch am Boden die Besonderheiten seines Fluggerätes zu erklären. 2,5 Kilogramm wiegt es und wird – anders als die meisten seiner „Schwestern“ – durch Elektrokraft angetrieben: „Freilich ist die Technologie noch nicht ausgereift. Für viele Anwendungen ist eine Flugdauer von bis zu 25 Minuten einfach zu kurz. Auch ein bisschen mehr Power wünsche ich mir manchmal.“

Lithium-Ionen-Batterien stoßen an Grenzen

Mike Hohmanns Wunsch könnte in absehbarer Zeit in Erfüllung gehen – und der Kamenzer Flugplatz spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wurde doch hier das „Kompetenzzentrum autonomes und elektrisches Fliegen“ aus der Taufe gehoben – eines der ersten Projekte im Zuge des Strukturwandels in der sächsischen Lausitz, das nun tatsächlich mit Leben erfüllt wird. „In Kamenz wird die Zukunft des Fliegens entwickelt, und wir sind dabei“, frohlockt Dr. Holger Althues vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) Dresden.

Und erläutert auch gleich, was das genau bedeutet: „Noch mehr als in der Kraftfahrzeugtechnik stecken die alternativen Antriebe in der Luftfahrt in den Kinderschuhen.“ Die derzeit gängige Technologie der Lithium-Ionen-Batterien setzt enge physikalische Grenzen hinsichtlich von Nutzlast und Reichweite und ist nach Althues’ Ansicht ausgereizt.

„Wir brauchen Alternativen, die zum Beispiel in der Lithium-Schwefel-Technologie liegen könnten.“ Diese bietet das Potenzial, die verfügbare Energie pro Gewichtseinheit des Antriebs zu verdoppeln. Auch Johannes Markmiller ist mit der Problematik vertraut. „Die Luftfahrt tut sich mit dem elektrischen Antrieb schwer“, schätzt der Professor an der TU Dresden ein. „Batterien gibt es nur für kleine Fluggeräte, für die ’große’ Luftfahrt sind sie viel zu schwer.“ Eine Alternative könnte im Wasserstoff bestehen. Dieser wird bereits seit langem als Antriebsstoff genutzt, allerdings nur durch simple Verbrennung. „Man kann mit Wasserstoff aber auch Strom erzeugen“, betont Professor Markmiller.
Alles außer Kohlenwasserstoff

Seine Ausführungen und die von Holger Althues umreißen recht gut, was im Kamenzer Kompetenzzentrum in den nächsten Jahren passieren soll: Hier wird erforscht, entwickelt und erprobt, was Drohnen oder Flugtaxis in der Luft halten kann und nicht aus Kohlenwasserstoffen besteht. Dazu gehört auch der 5G-Mobilfunk. Der dient freilich nicht als Antrieb, sondern für die Kommunikation mit und zwischen den autonomen Fluggeräten. „Wir arbeiten beispielsweise an einer Lösung für den Fall, dass eine Drohne in einem Verband den Kontakt mit der Steuerung verliert. Dann kann eine der anderen Drohnen ’aushelfen’“, erläutert Konstantin Dienel von der Meshmerize GmbH, einem weiteren Netzwerkpartner. Mit im Boot sitzt auch die BTU Cottbus/Senftenberg: „Wir beschäftigen uns am Standort Senftenberg intensiv mit den Themen Leichtbau und Komponenten im Zusammenhang mit dem Drohnenflug“, so Professor Hubertus Domschke.

Erdgebundener Unterbau für hoch fliegende Ideen

All diese hoch fliegenden Ideen benötigen natürlich auch einen erdgebundenen Unterbau. Dieser besteht in der AEF gGmbH, zu deren Geschäftsführer Thomas Ernstberger berufen wurde. „Unsere Tätigkeit beruht auf drei Säulen: Einem neu zu errichtenden Hangar, einem Reallabor und der Nutzung des Towers“, erklärt er. Der Hangar und das Reallabor dienen unmittelbar der Forschung und Erprobung. „In einem zertifizierten Reallabor können gesetzliche Beschränkungen für bestimmte Tests aufgehoben werden“, erläutert Peter Pfeifer. Auf einem Flughafen wie Dresden wäre das nie möglich – in Kamenz dagegen schon. „Deswegen und wegen der Nähe zu Dresden und der hier bereits vorhandenen Luftfahrtkompetenz ist der Standort so optimal“, freut sich Johannes Markmiller von der TU Dresden. Der in den letzten Jahren weitgehend leer stehende Tower dient dem „Drumherum“: In ihm entstehen Räume für Schulungen, Meetings oder auch für die gemeinsame Projektarbeit. In das ständig an- und abschwellende Brummen der Flugzeugmotoren mischt sich jetzt ein Surren. Nach einigen Telefonaten darf Mike Hohmann seine Drohne nun doch aufsteigen lassen – wenn auch nur ein paar Meter hoch. Genug, um die Eigenschaften des Fluggeräts, an dem eine hochauflösende Kamera befestigt ist, zu demonstrieren. Im Hintergrund bildet die militärgrüne AN2, das „Maskottchen“ des Kamenzer Flugplatzes, einen reizvollen Kontrastpunkt: Alt und Neu, Tradition und Moderne – nur an wenigen Orten der Lessing- und Fliegerstadt verbindet sich beides so eindrucksvoll wie hier.
 

Uwe Menschner / 10.10.2020

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