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15 Jahre Bettruhe 
vor der Operation

15 Jahre Bettruhe 
vor der Operation

Peter Sonntag (li.) und Uwe Rähmer unterzeichneten den Vertrag zur Restaurierung des Schellendorf-Epitaphs, davor eines der 31 derzeitigen Fragmente.

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Kunsthistoriker Mario Titze hat herausgefunden, dass das Epitaph wahrscheinlich vom späteren sächsischen Hofbildhauer Paul Heermann stammt.

In Königsbrück schlummert mit dem Schellendorf-Epitaph ein bedeutendes Zeugnis des Dresdner Hochbarock. Jetzt soll es zu neuem Leben erweckt werden.

Königsbrück. Maximilian von Schellendorf war der Letzte seiner Familie. Als der Standesherr von Königsbrück 1703 ohne Nachkommen starb, erlosch das Geschlecht. Und doch sollte der Name nicht in Vergessenheit geraten: In Gestalt einer kunstvoll gearbeiteten Grabplatte – eines so genannten Epitaphs – lebte die Erinnerung an den letzten Schellendorf über Jahrhunderte fort. An der Innenwand der Königsbrücker Stadtkirche hatte sie ihren festen Platz.

„Auch ich kann mich noch erinnern, wie mich als kleinen Jungen vor allem der Ritterhelm faszinierte“, blickt Peter Sonntag zurück. Als Vorsitzender des Königsbrücker Heimatvereins hat er schon so manches Vorhaben zum Erhalt von historischem Erbe mitinitiiert und begleitet. Und das Schellendorfsche Epitaph hat ein solches Engagement dringend nötig: In der Nacht zum 23. Mai 1974 – dem Himmelfahrtstag jenen Jahres – wurde es bei einem Gewittersturm stark beschädigt. „Am Vortag hatte man auf der Rückseite der Kirche die alten Dachziegel abgenommen, weil an den folgenden Tagen das Dach neu gelattet und eingedeckt werden sollte“, erinnert sich der heutige Küster der evangelischen Kirchgemeinde, Werner Lindner. Auch „zehn Zentnersäcke, gefüllt mit Sägespänen“, die auf Handwagen eilig von der Schneidmühle zur Kirche gezogen wurden, konnten starke Beschädigungen des bedeutenden Denkmals nicht verhindern.

2004, im Zuge der Sanierung der Stadtkirche, nahm man das Epitaph ab, konservierte es und lagerte es in gut 30 Einzelteilen in einem Nebenraum des Gotteshauses ein. Werner Lindner findet dafür poetische Worte: „Der Patient, der so lange im Regen stehen musste, war alt und kränklich geworden. Injektionen, Umschläge und absolute Bettruhe sollten ihm helfen, am Leben zu bleiben.“ 15 Jahre dauerte dieser erzwungene Rückzug aus dem öffentlichen Leben an. 15 Jahre, in denen das Schellendorfsche Epitaph bei vielen der jüngeren Königsbrücker in Vergessenheit geriet, nicht aber bei den Älteren, die es wie Peter Sonntag seit der Kindheit begleitet hatte.

Und nun ging plötzlich alles ganz schnell: „Wir hatten die Idee, dass uns im 200. Jahr ihres Bestehens in Königsbrück vielleicht die Sparkasse helfen kann“, blickt der Vorsitzende des Heimatvereins in die jüngere Vergangenheit zurück. Denn genau so lange ist es her, dass – justament in der Kleinstadt am Heiderand vor den Toren Dresdens – die erste sächsische Sparkasse ihre Arbeit aufnahm. Nach der entsprechenden Anfrage geschah erst einmal monatelang gar nichts – und dann kam die Aufforderung, innerhalb von zehn Tagen einen wasserdichten Antrag bei der Ostdeutschen Sparkassenstiftung einzureichen. „Wie wir das geschafft haben, kann ich heute noch nicht sagen“, schmunzelt Peter Sonntag. Doch es muss geklappt haben, denn die Stiftung hat zugesagt, 30 000 Euro für die Restaurierung, deren Gesamtumfang bei circa 50 000 Euro liegt, zu übernehmen.
Und so konnte nun auch der Vertrag zwischen dem Heimatverein und dem Großröhrsdorfer Restaurator Uwe Rähmer, der auch schon an der Notabnahme und Konservierung beteiligt war, unterzeichnet werden. Der Verein wiederum kann auf Grundlage eines „Überlassungsvertrages“ mit der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde über das Epitaph – beziehungsweise seine derzeitigen Einzelteile – verfügen. „Es ist für mich eine große Ehre, ein solch bedeutendes Kunstwerk restaurieren zu dürfen“, freut sich Uwe Rähmer. Und dass das nicht nur dahingesagt ist, beweisen die Recherchen des Leipziger Kunsthistorikers Mario Titze: „Bislang hatte man angenommen, dass das Epitaph von Balthasar Permoser stammt. Doch vieles deutet darauf hin, dass es 1703 von Paul Heermann geschaffen wurde.“ Dieser hatte, lange bevor er zum Hofbildhauer Augusts des Starken ernannt wurde, mehrere Jahre in Rom gelebt und gearbeitet und brachte entsprechende Einflüsse mit nach Sachsen, die sich laut Mario Titze auch am Königsbrücker Epitaph deutlich erkennen lassen. Und klar ist auf jeden Fall: „Beim Schellendorf-Epitaph handelt es sich um ein bedeutendes Kunstwerk des Dresdner Hochbarock, wie man sie außerhalb der Landeshauptstadt nur selten findet.“ Zum Ende des Jahres soll man es wieder in der Kirche bewundern können – dann nicht mehr nur „ruhig gestellt“, sondern von Grund auf geheilt.

Uwe Menschner / 22.01.2019

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